Charlotte Nzimiro: “Ich habe mich immer gegen Rassismus gestellt”
“Ich habe mich immer gegen Rassismus gestellt, auch wenn dies bedeutete, dass ich alleine da stand,” erklärt Charlotte Nzimiro. Mit der Petition gegen die N-Wort-Debatte ist die 26-jährige Hamburgerin nicht allein. Es haben bereits knapp 100.000 Menschen Charlottes Petition auf Change.org unterschrieben. Nachdem das Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern entschied, dass das N-Wort, nicht zu den Begriffen zähle, die ausschließlich der Provokation oder der Herabwürdigung anderer diene, war Charlotte wütend. Die Aktivistin, die auch hinter dem Instagram-Account @blackpowergermany steckt, empfand auch Angst. Davor, dass sich die deutsche Geschichte wiederholt. Sie wollte aktiv werden, statt die Warnsignale, die lichterloh um uns herum leuchten, zu ignorieren. Sie hätte sich allerdings niemals erträumt, dass sie mit dieser Petition einen so großen Nerv trifft. Wir haben mit Charlotte Nzimiro gesprochen. Wie ist sie zum Aktivismus gekommen? Wie steht es um die Petition und vor allem, wie geht es weiter?
Kurz zu dir: Was machst du?
Viel, manchmal zu viel. Ich arbeite im Bereich digitalem Marketing. Wenn ich nicht gerade für Kunden arbeite, helfe ich Freunden, Bekannten, Fremden dabei, Ihre Unternehmen online in das beste Licht zu rücken. (Im Rahmen meines Aktivismus auch kostenlos) Momentan beende ich nebenbei mein Studium und dann ist da noch der Aktivismus, der durch die Petition ein noch größeres Ausmaß angenommen hat. Ach ja und etwas Freizeit braucht man ja auch noch, da mache ich gerne mal Yoga, verbringe Zeit mit meiner Familie, Freunden, lese sehr gerne und viel und Reise auch mal, wenn es die Zeit erlaubt.
Erzähl uns mehr über dein Petition?
Die Petition bietet jedem die Möglichkeit mit nur ein paar Klicks seiner Wut, als auch eine klare Haltung gegen Rassismus, Ausdruck zu verleihen und somit Druck auf die Politik und Gesellschaft auszuüben. Mittlerweile gibt es die Petition auch in Englisch, aus dem Grund, dass die Welt ruhig sehen kann, dass Deutschland offensichtlich nicht wirklich in der Lage ist aus Fehlern zu lernen und in Deutschland einige Menschen immer noch „gleicher“ sind als andere. Natürlich ist es auch schön zu sehen, dass es ebenfalls Unterstützer*innen aus anderen Ländern gibt.
Warum hast du die Petition gestartet?
Aus Wut, aber auch aus Angst. Aus Angst davor, dass sich unsere Geschichte wiederholt und ich rückblickend Warnsignale ignoriert und nichts getan hätte. Ich wollte öffentlich ein Zeichen setzen, dass ich dieses Urteil als Angriff empfinde und ich mich dagegen zur Wehr setze. Zudem wollte ich Menschen eine Möglichkeit bieten, ihrer Wut und Frustration ebenfalls Ausdruck zu verleihen. Ich hätte mir jedoch nicht träumen lassen, dass die Petition einen doch so großen Nerv treffen würde, nicht nur bei Schwarzen, sondern auch bei anderen Ethnien.
Wie sind die Reaktionen auf die Petition?
Sehr positiv, wenn man sich die, nach wie vor, wachsende Zahl der Unterschriften anschaut oder wenn ich meine Nachrichten durchlese, die mich über die letzten Wochen erreicht haben. Schön finde ich es auch, das Zeitungen und Online Medien ebenfalls positiv berichten. Gerade auf Facebook und Instagram, gibt es in den Kommentarspalten jedoch auch Gegenwind. Vor allem von Weißen, die uns Schwarzen MAL WIEDER erklären wollen, wie WIR den Begriff zu verstehen haben und wie WIR uns fühlen sollen. #whitesplainin. Auf solche Diskussionen lasse ich mich schon seit Jahren nicht mehr ein. Das Einzige was ich mache ist, dass ich sachlich erkläre, welche Geschichte hinter dem Wort steckt, nenne eventuell noch ein paar Quellen, damit die Person sich selbst weiterbilden kann und damit ist meine Arbeit getan. Früher habe ich mich um Kopf und Kragen geredet, das mache ich heute nicht mehr. Meine Zeit ist begrenzt und diese Nutze ich lieber um andere Schwarze zu unterstützen. Viele Weiße ( leider habe ich diese Diskussionen nur mit Weißen) fühlen sich plötzlich enorm angegriffen, was eine sachliche Diskussion nahezu unmöglich macht. Fakten spielen dann plötzlich auch keine Rolle mehr und die Argumente des Gegenübers werden immer abstruser. Wenn „Freunde“ oder „Bekannte“ sich so verhalten, distanziere ich mich von diesen, denn offensichtlich fehlt der nötige Respekt und jegliche Empathie. Aufgrund meiner Erfahrungen, weiß ich auch, dass dies keine Menschen sind, die für einen einstehen, wenn man angefeindet wird.
Bereits über 80.000 Stimmen dafür, dass das N-Wort rechtlich als rassistisch anerkannt wird!
Doch warum ist dieses Wort so beleidigend? #NWort #Rassismus @SPIEGELONLINE @ZDFhamburg @sternde @faznet @HNA_online @ndr @ZDFschwerin @FAZ_Eil https://t.co/SyQ97NQJh0 pic.twitter.com/BqGqbgnIYc— Charlotte Nzimiro (@charlottemiro) December 27, 2019
Wie bist du zum Aktivismus gekommen? (Gab es einen Schlüsselmoment?)
Es gab nicht den EINEN Schlüsselmoment. Ich habe mich immer gegen Rassismus gestellt auch wenn dies bedeutete, dass ich alleine da stand. Ich war zwischen 11 und 14 Jahre alt, als ich das erste Mal außerhalb meines sozialen Umfeldes etwas getan habe. Damals lief „Tramitz and Friends“ im TV und „7 Zwerge – Männer allein im Wald“ im Kino. In der Show, als auch in dem Film, viel das N-Wort mehr als einmal. Ich war empört und wütend, vor allem darüber,dass die Verwendung dieses Wortes so noch weiter befeuert, normalisiert und als lustig dargestellt wurde. Ich habe daraufhin Briefe an den Sender und die Produktionsfirma geschrieben und meinem Unmut Luft gemacht. Ich habe aber nie Antworten erhalten. (Das Diddel-Maus Briefpapier hat meinen Standpunkt sicherlich nicht unbedingt untermauert 😉 .
Ich weiß noch wie unangenehm es war. Mein Vater und ich saßen im vollem Kinosaal. Es kam die Stelle mit dem N-Wort Witz und alle fanden das super lustig. Mein Vater und ich haben nicht gelacht. Das traurige war, dass auch noch ein schwarzer Schauspieler herhalten musste. Was signalisiert, dass es dann ja nicht so schlimm sein könne. Auch wenn ich nie eine Antwort bekam, hatte es sich irgendwie doch gut angefühlt, dass ich etwas getan habe. Ich glaube meine Eltern wissen bis heute nichts davon.
Bis zur Petition habe ich mich immer im Hintergrund gehalten.
Das sah dann so aus, dass ich Flüchtlingen geholfen habe. Von einfachem zu hören, über Hilfe beim Deutsch lernen bis hin zu Behördengängen. Kostenlose Nachhilfe für Kinder und Jugendliche, die sich das sonst nicht hätten leisten könnten bis hin zur kostenlosen Beratung, wenn es um Digitales Marketing ging. Ich denke es ist sehr wichtig, dass wir einander unterstützen, ohne an den eigenen „Profit“ zu denken.
Es freut mich, wenn ich anderen Schwarzen dabei helfen kann, bevor sich wieder irgendwer als „Savior“ aufspielt. Menschen entwickeln ein ganz neues Selbstbewusstsein und eine gewisse Resilienz, wenn sie wissen, da ist jemand, der hinter ihnen steht. Besonders wichtig ist das für Kinder.
http://rosa-mag.de/n-wort-debatte-im-zweifel-fuer-rassismus/
Was motiviert dich?
Die Zukunft! Ich weiß, dass wir die ganzen Früchte vielleicht gar nicht selber ernten werden und können, aber das gewiss die kommenden Generationen von dem, was man jetzt tut und versucht in Gang zu setzen, profitieren können und werden.
Du leitest auch den Instagram-Channel @blackpowergermany? Was ist die Motivation dahinter?
Mut zu machen, aufzuklären und Präsenz zu zeigen! Wir sind schön, wir sind intelligent, wir sind kreativ, wir sind Kämpfer*innen und wir sind HIER! Wir müssen uns nicht verstecken. BPG gibt Menschen eine Plattform, auf der sie sich wiederfinden und die ihnen ganz allein gehört. Es dreht sich einfach mal ALLES um uns und um unsere Bedürfnisse. Zudem ist es mir sehr wichtig, dass die Seite so gut es geht, visuell ansprechend ist, was sehr viel Arbeit bedeutet, aber das ist es wert. Denn ich möchte, dass wenn jemand auf die Seite kommt, sich die Person in einer gewissen Weise wertgeschätzt fühlt, inhaltlich als auch visuell. Zudem ist die Seite auf Deutsch und Englisch, denn ich möchte, dass eventuell Schwarze, die noch nicht lange hier sind, sehen dass sie nicht alleine sind.
Was verstehst du unter “Black Power Movement”?
Wie Huey P. Newton einst sage: Black Power gibt den Menschen Macht, die keine Macht hatten ihr Schicksal zu bestimmen. Immer wieder werden wir gezwungen uns den Entscheidungen der „Anderen“ zu beugen. Das Urteil des LVG ist das jüngste Beispiel. Die Zeiten sind vorbei. Gemeinsam haben wir die Macht unser Schicksal selbst zu bestimmen.
Warum ist Aktivismus relevant?
Aktivismus bewirkt, dass Minderheiten eine Stimme bekommen, auch auf die Gefahr hin, dass man selbst angefeindet wird. Wenn wir keinen Aktivismus hätten, wo wären wir denn dann? Ich glaube, dass wir ohne den Aktivismus (ganz gleich in welcher Form) uns unserem Schicksal fügen würden. Aktivismus schafft Zusammengehörigkeit und gibt Menschen eine Anlaufstelle. Für mich bedeutet Aktivismus Hoffnung.
Was steht nun bezüglich der N-Wort-Debatte noch an?
Die N-Wort-Debatte soll noch weiter in den Fokus der Öffentlichkeit rücken, denn so rücken auch die Themen in den Fokus, die der deutsche Staat unter den Teppich kehrt, in der Hoffnung, dass man Gräueltaten wie den Völkermord an den Herero und Nama vergisst. Denn das N-Wort kann nicht diskutiert werden, ohne sich mit der Geschichte, die hinter dem Wort steckt, auseinander zu setzten.
Wie können Menschen dich unterstützen?
Aktuell ist das Beste, was die Menschen tun können, die Petition weiter kräftig zu teilen, damit diese so viele Stimmen erhält, wie es nur geht. Helfen tut es auch, dass wenn die Menschen beim Teilen der Petition, Nachrichtensender, als auch Prominente verlinken. Denn mit etwas Glück wird dann noch mehr darüber berichtet.
Denn jede einzelne Stimme zählt und setzt ein klares Zeichen gegen den Rassismus.
Zudem erhalte ich auch Unterstützung von Aminata Belli, Aminata Touré und weiteren Prominenten. Aber natürlich zählt die Unterstützung eines jeden Einzelnen, denn nur wir alle gemeinsam können eine Veränderung bewirken!
Titelbild: Charlotte Nzimiro
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