Check deine Privilegien: Arbeiter*innenkind vs. Akademiker*innenkind
Privilegien. Das ist ein großes Thema. Im Aktivismus. Allen voran im Netzaktivismus, aber eigentlich gehört es an jeden Tisch, in jeden Kopf, in viele Debatten. Nicht nur von denjenigen*, die sich bewusst dieser Thematik widmen, sondern vor allem bei Menschen, die sich ihrer Vorteile gar nicht so bewusst sind. Denn ein Privileg ist ein Vorrecht, das einer einzelnen Person oder einer Personengruppe zugeteilt wird. Es geht dabei nicht darum, dass Einzelpersonen schlechte Menschen sind. Es geht vielmehr, um das gesamte System, das bestimmte Gruppen bevorzugt und andere unterdrückt. So ist es ein Privileg, kein Rassismus oder Sexismus abzubekommen oder niemals Angst vor Armut zu haben. Ich bin eine Schwarze Frau in Deutschland. Doch ich bin eine light-skinned, cis-Schwarze Frau, die normschön ist. Privilegien zu haben bedeutet nicht, dass du selbst auf einer Weise Unterdrückung erlebt hast. Zwar habe ich meinen Master in Politik gemacht, aber ich bin ein Arbeiter*innenkind. Es war ein verdammt steiniger Weg dorthin. Darüber möchte ich heute sprechen:
Warum ist es wichtig über Privilegien zu reden?
Inspiriert von Peggy McIntosh, die den Begriff mit ihrem Essay „Privilegien-Checklist“ in den 1970er Jahren prägte, starten wir auf RosaMag über Privilegien zu informieren, zu sprechen und sich unserer jeweiligen Vorteile bewusst zu werden. Das Prinzip vom Privileg wurde bereits in den 1930er-Jahren in Bezug auf Weißsein vom Bürgerrechtler und Soziologen William Edward Burghardt Du Bois formuliert. Dabei ist es nicht unser Ziel eine Call-out-Kultur zu entwickeln
– öffentliches Shaming, das darauf abzielt, Einzelpersonen und Gruppen für ihre Handlungen zur Rechenschaft zu ziehen. Wir möchten mit euch über Erfahrungen sprechen, einen Austausch anregen. Wenn über soziale Ungleichheit gesprochen wird, über Menschen, die sich in prekären Lebenssituationen befinden, dann müssen wir auch über diejenigen sprechen, die das nicht tun – weil sie Privilegien genießen, die sie davor bewahren. Diese Woche starten wir mit dem Check-up: Arbeiter*innenkind.
Was ist ein Arbeiter*innenkind?
Der Begriff stammt von “Kinder von Arbeitern” und ist im politischen Diskurs bereits etabliert. Dabei handelt es sich um Kinder und Jugendliche, die einer sozialen Schicht angehören, die über geringeres Einkommen, Ansehen und Bildungschancen verfügen. Der Begriff hat eine biographische Bedeutung, da das Umfeld der ersten Lebensjahre besonders prägend ist – einmal Arbeiter*innenkind, immer Arbeiter*innenkind. Ein sozialer Aufstieg ist schwer. In Zahlen bedeutet es, das von 100 Kindern, deren Eltern nicht studiert haben,
21 an eine Hochschule gehen, 15 einen Bachelor schaffen, 8 den Master machen und nur eine*r promoviert. Das hat sich in den letzten fünf Jahren nicht geändert. Prekäre Finanzen, Doppelbelastung durch Zweitjobs, weniger Unterstützung aus dem eigenen sozialen Milieu beim Übergang auf den Arbeitsmarkt, sind nur einige Aspekte, die das Leben für Arbeiterkinder im Universitätsbereich erschweren. Deshalb möchten wir deine Privilegien checken:
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Hat einer deiner Eltern oder beide einen Studienabschluss?
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Hast du während deiner Ausbildung finanzielle Unterstützung von der Familie erhalten?
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Musstest du ab 16 Jahren deine Familie mit einem Nebenjob finanziell unterstützen?
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Musstest du deine Geschwister mit großziehen und verhältnismäßig viel im Haushalt helfen?
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Kanntest du die Möglichkeiten von Stipendien oder Bafög vor deinem 18. Lebensjahr?
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Hast du Musik- oder Gesangsunterricht erhalten?
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Hatten deine Eltern Zeit dich bei deinen Hausaufgaben zu unterstützen?
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Warst du vor deinem 18ten Lebensjahr im Theater?
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Hat deine Familie oder Bekannte*innen aus deinem familiären Umfeld Kontakte, die dir den Einstieg in den Beruf erleichterten?
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Hast du eine Real- oder Hauptschule besucht?
Warum gibt es einen geringen Aufstieg unter den Arbeiter*innenkindern?
Die Statistik zeigt: Die Herkunft bestimmt den späteren beruflichen Weg, nicht die Begabung, intellektuelles oder soziales Potential. Schön und gut. Aber ist das so schlimm? Ja, denn Menschen mit einem abgeschlossenen Studium verdienten im Jahr 2017 in Deutschland durchschnittlich 2.750 Euro netto im Monat, mit abgeschlossener Lehre waren es 1.850 Euro, ohne Ausbildung lediglich 1.400 Euro. Ergo: Mit einem Studium kann das Einkommen sich verdoppeln. Bei den steigenden Mieten, gelangen Personen mit einem Einkommen von 1.400 Euro schnell in eine prekäre Lage. So kostet ein Quadratmeter in München bereits 10,45 Euro,
in Köln 8,63 Euro und Berlin, was noch verhältnismäßig gering ausfällt, 6,58 Euro. Obwohl der Politik bereits bewusst ist, dass ein sozialer Aufstieg holprig ist und häufig nicht gelingt, ändert sich nichts an der Situation. Mit unserem “Privilegien-Check Arbeiter*innenkind” möchten wir dir bewusst machen, dass der deutsche Bildungsgrad deiner Familie dir einen Vor- oder Nachteil verschafft. Die Position, in der du dich befindest, war dementsprechend leichter für dich, als für eine andere Person und das ist nicht fair. Doch das ist erst der Anfang. Bald folgt auch schon unser nächster Privilegien-Check.
Hier geht es zum Download des Fragebogens.
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