Connecting Afro Futures Ausstellung: “Afrika ist für mich mehr als bunte Muster”
Zehn Jahre. Solange plant Beatrace Angut Oola. Zehn Jahre, in denen sie die Vision hat zeitgenössische Designer*innen eine Plattform in Deutschland in einem renommierten Museum zu bieten. Nicht im ethnologischen, sondern in einem ganz normalen Kunstmuseum, wie jede*r ander*e Designer*in auch. Am 23. August war es soweit. Das Kunstgewerbemuseum öffnete die Türen für „Connecting Afro Futures. Fashion x Hair x Design“ und widmet sich, bis zum zweiten Dezember, erstmalig der facettenreichen Welt des Modedesigns und der Haarstylings afrikanischer Herkunft. Die Ausstellung fokussiert sich auf die Länder Uganda und Senegal sowie afro-diasporische Künstler*innen. Wir haben es uns angeschaut.
“Afrika ist für mich mehr als bunte Muster”
Schwarze Mannequins schweben bis unter der Decke. Zu ihren Füßen befindet sich braune Erde. Angehäufte, kleine Berge. Meeresrauschen drängt, repetitiv über einen Lautsprecher, in die Ohren. Kleider, Röcke, Hosen sowie Anzüge, allesamt in schwarz, mit Afrosträhnen als Highlight an den Armen, Gesäß und Schultern zieren bis zu sechs Schaufensterpuppen.Lamula Anderson möchte mit ihrem Label Lamula Nassuna “The Perfect Stereotype” mit der einseitigen europäischen Perspektive auf afrikanische Mode brechen. “Als ich ein junges Mädchen war, wurde mir immer gesagt, ich soll hellere Farben tragen,” erklärt die Londonerin. Ihre Kleidung ist komplett in schwarz, samt ihrer Bauchtasche, die sie über ihre rechte Schulter geschnallt trägt. “Afrika ist mehr als nur bunte Muster,” erklärt Lamula und beschreibt ihren eigenen Prozess,
wie sie auf Veranstaltungen schief angeschaut wurde, sobald sie in schwarzer Kleidung erschien. Sie spricht über den Wandel, sich von den externen Ansichten zu emanzipieren und einfach das zu tragen, worin sie sich wohlfühlt, worauf sie einfach Lust hat. Lamula Anderson wollte aus der Box ausbrechen, diese Metamorphose verarbeitet sie in ihrer Kollektion. Ihre Botschaft: Mach dein Ding. “Natürlich sage ich nicht, dass jetzt keine*r bunte Farben tragen sollte!”, erklärt sie mit einem charmanten Lächeln und zeigt auf das Kleid in der Mitte, auf dem kleine Pailletten-Blüten in rot, blau, grün bestickt sind, um zu zeigen: Ich kann auch anders, aber ich möchte es nicht. “Du kannst in die Box passen oder auch nicht. Mach, was du willst!”
Lamula Anderson verarbeitet ihre Erfahrung in „The Perfect Stereotype“.
Dauerthema kulturelle Aneignung- schon im 18 Jahrhundert
Sowie Lamula Anderson haben auch alle weiteren Aussteller*innen eine politische Botschaft. Das Ziel, mit westlichen Schönheitsidealen und Konventionen zu brechen. Das Narrativ zu bestimmen, zu inspirieren und zu redefinieren. Dabei springen sie zwischen Historie und Gegenwart, wie Meschac Gaba aus Cotonou, Benin. Er nutzt traditionelle Flechtkunst in seinen Perückenskulpturen aus Kunsthaar und gestaltet Berliner Architektur-Ikonen nach. Das Label Tondo Clothing aus Kampala, Uganda, die mit ihren Vouaff die Lücke zwischen traditionellen afrikanischen Styles und aktuellen Modetrends in der urbanen Szene schließen. Bull Doff, ein Label aus Dakar, dem Senegal, welches traditionelles Handwerk mit Punk Rock verbindet.
Auch Lamula Anderson spielt mit der Geschichte der Tournüre, das im 18. Jahrhundert verwendete Formkissen über dem Po, um den Gesäßbereich zu drapieren und eröffnet die Frage, ob es sich um eine Form von kultureller Aneignung handelte? In einer Gegenwart, in der diese Thematik weiterhin polarisiert und problematisch bleibt. Wir drehen uns im Kreis, stagnieren mit den gesellschaftlichen, rassistischen Diskurs. Fast. Immerhin wäre diese Ausstellung vor einem Jahrzehnt gar nicht möglich gewesen, laut der Mit-Kuratorin Beatrace Angut Oola: “Es ist einfach wichtig so ein Haus zu haben, um junge Generationen einzuladen und ihnen letztendlich die afrikanische Identität näherzubringen.”
Ein Blick auf die Besucher*innen zeigt, dass die Ausstellung ein neues Publikum ins Museum bringt. Menschen, die sonst keinen Blick hineinwerfen. Warum denn auch? Es gibt nicht eine einzige Schwarze Designer*in im Kunstgewerbemuseum. Auch persönliche Prozesse, die Herausforderung sich selbst, als schön wahrzunehmen in einer Magazin- und Fashionwelt, die ganz klar diktiert, dass glatte Haare, als Phänotyp das Ideal ist, finden mit der Modedesignerin Adama Paris und ihrer Installation “Shameless Afro Hair” einen Platz. Ihre eigene Evolution, ihr Weg zu mehr Selbstliebe und Empowerment, diese Stadien stellt Adama dar. “Ich wollte immer Haare, wie deine haben,” erklärt sie und zeigt auf meine Locken. Als Gründerin von Dakar Fashion Week und der Black Fashion Week, ist es ihre erste Ausstellung. Mit einer Live Performance drapierte sie bei der Eröffnung eine junge Frau in einem Meer an Kunsthaaren. “Es ist deine Krone. Du solltest sie embracen!,” erklärt Adama, die mit ihrer guten Laune auf ihren High Heels durch die Ausstellung schwebt. “Die Designer*innen haben eine Carte Blanche erhalten. Sie haben ihre Installation eigenständig entwickelt,” fasst Beatrace Angut Oola zusammen. Über drei Etagen erstreckt sich die erste Ausstellung, die zeitgenössische Designs aus Afrika und der afro-diasporischen Szene im Kunstgewerbemuseum zeigt. Unterschiedliche Perspektiven, Interpretationen und doch einen gemeinsamen Wunsch: Schwarze Menschen zu empowern.
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