Diana Ezerex: “Ich war lange fasziniert von der Parallelwelt Gefängnis.”
Diana Ezerex ist Sängerin, Kreative und strebt danach, mit ihren Songs gesellschaftliche Veränderungen anzustoßen. Sie singt nicht nur auf der Bühne, sondern auch an ungewöhnlichen Orten: Gefängnissen. Wie sie dazu kam, erzählt Diana uns im Interview.
RosaMag: Erzähl uns ein wenig über deine Musik?
Diana: Mein erster englischsprachiger Song heißt „Be Yourself“. Ich glaube, das zeigt ganz gut, welchen Ansatz ich mit meiner Musik verfolge. Als ich damals begann, war ich 14 Jahre alt, ohne jegliche musikalische Ambition. Trotzdem war mir damals schon wichtig, nicht einfach irgendeinen Popsong zu schreiben, sondern eine tiefere Message zu transportieren. Abgesehen von ein paar Pseudo-Liebessongs (als ob ich damals groß etwas zu erzählen gehabt hätte) hat sich das auch bis heute durchgezogen. Ich möchte, dass meine Musik zum Nachdenken angeregt, gesellschaftliche Phänomene zu hinterfragen. Dass sie neue Perspektiven aufzeigt, die vielleicht nicht konkret sind, aber so, dass jede:r sie für sich übersetzen, übertragen kann. Gemeinsam mit meinem Produzenten Thorsten Rheinschmidt haben wir einen Sound gefunden, der urban, persönlich, verletzlich klingt. Ich hätte mir niemals träumen lassen, dass meine Musik mal so klingt, ich, die bis dahin hauptsächlich mit der Akustikgitarre unterwegs war. Dieses Album jetzt mit der Welt zu teilen, ist ein absolutes Wunder für mich und mir eine riesige Ehre.
Bild: Judith Ezerex
RosaMag: Warum Musik?
Diana: Musik ist schon immer ein großer Teil meines Lebens. Ich bin in einem Elternhaus aufgewachsen, in dem Musik sehr gefördert wurde. Neben verschiedenen Musikinstrumenten habe ich mir das Singen und Songwriten beigebracht und durfte meine musikalische Leidenschaft auf verschiedenen Ebenen ausprobieren. Musik und Lyrik sind meine „Gefühlssprachen“. Mein Ventil, mein Kommunikationsmittel. Meine Möglichkeit, Dinge auszudrücken, die ich in einem normalen Gespräch nicht in Worte fassen könnte. Wenig kommt für mich natürlicher vor, als lyrische Worte für etwas zu finden, für das ich sonst nur Tränen, Kopfschütteln oder auch laute Freudenjubel hätte.
RosaMag: Erzähl uns mehr über deine Projekte?
Diana: Ergänzend beziehungsweise aufbauend auf dem Album arbeite ich an einem Buch, in dem die Liedtexte abgedruckt sind, dazu deren jeweilige Hintergrundgeschichte, Inspirationsquelle, Intention bei der Wortwahl etc. Vor allem aber, als herausragenden Teil des Buchs: autobiografische Kurzgeschichten und lyrische Beiträge sowie Illustrationen von Gefängnisinsass:innen. Damit möchte ich Insass:innen die Möglichkeit geben, ihre Geschichte zu erzählen oder vielleicht einfach ihre Schreibkunst mit der Welt zu teilen.
Bild: Judith Ezerex
Wie kam es, dass du im Gefängnis angefangen hast zu singen?
Ich war lange fasziniert von der Parallelwelt Gefängnis. Eine Freundin hatte ein Praktikum in einer JVA als Therapeutin gemacht. Ich fand das super beeindruckend und dachte, dass ich diese Menschen auch so gerne erreichen möchte. Dass ich Musik mache, war da eine super Möglichkeit, dachte ich mir, weil ich so auch direkt etwas Abwechslung in den Alltag der Insass:innen bringen konnte. Das erste Mal wurde ich von einem Gefängnisseelsorger eingeladen, dem ich, nachdem er mir von seinem Beruf erzählte, ganz begeistert sagte, dass ich gerne mal im Gefängnis singen wollte. Danach habe ich immer wieder Gefängnisse angeschrieben, um zu fragen, ob sie mich bei sich spielen lassen. Bisher war ich in 14 Gefängnissen, durch die Pandemie wurde das alles etwas erschwert, weitere Konzerte sind aber in Planung.
RosaMag: Wie hat es dich verändert?
Diana: Mein Blick auf Menschen hat sich verändert. Das Bewusstsein dafür, dass, egal wie Menschen aussehen (und das nicht nur auf Wahrnehmung ethnischer Unterschiede bezogen), egal welchen Eindruck sie auf mich machen, egal wie sie sich halten, sie habe eine Geschichte. Teilweise sehr schwere. Niemand kann wissen, was hinter dieser Fassade steckt. Die beste Art Menschen zu begegnen, ist mit Freundlichkeit, Respekt und Liebe. Auch, wenn es anstrengend ist.
Bild: Judith Ezerex
RosaMag: Inwiefern hat es die Menschen vor Ort verändert?
Diana: Was die konkreten Folgen sind, kann ich nicht beurteilen, dafür verbringe ich leider zu wenig Zeit im Gespräch mit meinem Publikum. Die Reaktionen während der Konzerte sind aber meistens sehr emotional. Und das ist super besonders für mich, weil ich immer wieder merke, welch krasse Kraft Kunst Musik, einfach ist. Es ist ein riesiges Privileg für mich, dass ich das machen darf: Menschen begegnen, die bei vielen nicht auf dem Radar sind, tiefe Emotionen auslösen, berühren, bewegen und vielleicht auch inspirieren. Für viele Menschen im Gefängnis steht, nach ihrer Zeit dort, ein Neustart an. So ein Umbruch ist eine besondere Zeit. Ich wünsche mir, dass meine Musik und meine Texte dabei einen positiven Beitrag leisten.
Ciani
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