Die Sache mit dem Tokenismus
“Leider war die Konkurrenz aus deinen eigenen Reihen zu hoch,” las ich in einer Email, in der mir erklärt wurde, dass ich für eine Ausschreibung nicht in Frage kam. Der Ausdruck “eigene Reihen” war ein Synonym für Schwarz. Denn es gibt nicht so viel Platz für Schwarze Menschen am Konferenztisch. Eine Repräsentation reicht. Quote erfüllt. Wir sind divers genug. Ähnlich lautete die Absage einer Redaktion, als ich ihnen feministische und rassismuskritische Themen vorschlug. Darauf folgte die Erwiderung, die in etwa lautete: Ach nö, wir haben bald eine Schwarze studentische Aushilfe. Die übernimmt das. Der Gedanke, dass mehr als eine Schwarze Person in einem Bereich arbeiten könnte, sprengt die Vorstellungskraft. Diese Indoktrinierung eines Mangels, ist nicht nur schlecht für die eigene Psyche oder das Miteinander, es entlarvt, dass Diversität begrenzt ist. Dabei besteht die Gefahr, dass wir als Schwarze Menschen uns gegenseitig kritisch beäugen und in diesen konstruierten Konkurrenzkampf verfallen. In diesem Prozess verlieren wir das eigentliche Problem aus den Augen: Diesen Zirkel zu durchbrechen.
In Wahrheit sind wir für einen Großteil ein Alibi
Wir sind nicht nur Schwarz. Das wissen du und ich. Wir sind Menschen, die sich für unterschiedliche Themen interessieren. Ich bin seit über sechs Jahren Veganerin, eine begeisterte Second-Hand-Käuferin und eine knallharte Ökoin. Du rümpfst vielleicht über diese Zeilen die Nase und fragst dich, warum ich deinem Fleisch das Soja weg esse, aber genau das macht unsere Welt aus: Unterschiedliche Perspektiven. Schwarze Menschen stimmen logischerweise nicht immer miteinander überein. Ein gutes Beispiel sind Martin Luther King und Malcolm X. Sie hatten politisch sehr diverse Ansprüche. Sehr divers. Doch beide sind zum Bild der US-Bürgerrechtsbewegung geworden. Was uns letztlich eint, sind ähnliche Ausgrenzungs-, Diskriminierungs- und Rassismuserfahrungen. Doch auch diese können sich immens unterscheiden, weil darin viele weitere Faktoren verflochten sind, Stichwort Colorism. Wir können aber auch Perspektiven jenseits unserer Haut einbringen, denn wir sind ja auch Frauen, Queer, Mütter oder Alleinerziehende oder, oder, oder – doch in Wahrheit sind wir eines, ein Alibi.
Auf der Agenda steht Homogenität
Zu sagen, dass ich eine Position nicht bekomme, weil es eine andere Schwarze Person gibt, ist rassistisch. Es reduziert meine Fähigkeiten auf ein einziges biologisches Merkmal. Es entlarvt zudem, dass die andere Person ein Token ist, eine Alibi-Journalistin. Würde derselbe Mensch auch sagen: “Oh sorry, ne, wir haben schon eine Vagina am Konferenztisch. Mit diesem Geschlechtsorgan kann sie prognostizieren wie sich alle X-Chromosomen auf dieser Welt fühlen! Sie kann ja nur über Frauensachen schreiben, einfach weil sie ja kein normaler Mensch, sprich männlich ist, sondern Brüste hat” Vermutlich. Wir müssen aus dieser Reduzierung herauskommen. Dieser ritualisierte Ausschluss stützt sich auf das Narrativ, dass die Norm weiß ist und der Rest ein Nice-to-have. Es handelt sich um Gründerinnen statt Female Entrepreneurinnen, um das Genre Belletristik statt Frauenliteratur oder um ein gottverdammtes Buch statt um MigrantInnen Lektüre. Natürlich ist der Journalismus ein extremes Beispiel, einfach weil es eine überaus homogene Branche ist. Der Durchschnitt ist weiß, heterosexuell, cis und männlich. Doch oft frage ich mich, ob es jemals die Situation geben würde, dass jemand zu einem Bewerber sagen würde: “Oh sorry, wir haben schon einen Bernd. Genauer genommen schon zehn.” Vermutlich nicht.
Allianzen schmieden, sich austauschen und erkennen: Du bist nicht das Problem
Unsere Mütter sagten es bereits von klein auf: Als Schwarze Frauen müssen wir härter arbeiten. Wenn wir dieses Mantra erfüllen, also all die Abschlüsse erreichen und den restlichen Tam-Tam, wird uns letztlich die Tür vor der Nase zugeschlagen mit dem Satz: Die Party ist voll. Wir haben schon eine Schwarze. Zu erkennen, dass die eigene Hautfarbe für viele Unternehmen ein Einstellungskriterium und dementsprechend bei “zu viel Diversität” auch als Ausschluss dient, ist schmerzhaft. Aber auch deprimierend, limitierend. Diese Instrumentalisierung von Perspektiven zeigt, wie sehr wir in unserer vermeintlich post-rassistischen Gesellschaft hinterher hinken. Schwarze Journalist*innen lediglich als Token zu nehmen, um eine vermeintliche journalistische Pluralität darzustellen, aber diese nur für die “migrantische” Themen zu nutzen, ist halt letztlich auch wieder rassistisch. Natürlich fühlst du dich in diesem Prozess beschissen. Bei den oben genannten Situationen handelte es sich um große Institutionen. Diese ordnen das politische Tagesgeschehen ein, verfügen über eine polarisierende Machtposition. Es geht nicht um den Prozess der Absage, es geht um die Überlegung: Ist Rassismus wirklich überall? Wie gehe ich mit solchen Strukturen um? Sollte ich diese Person darauf aufmerksam machen, wie tief rassistisch es ist, Menschen lediglich an ihren Hautfarben zu qualifizieren? Und all diese Antworten haben: Schwarze Frauen und Männer in ähnlichen Positionen und mit denselben Erfahrungen. Suche nach alternative Narrative, als die der vorherrschenden Dominanzkultur. Der Austausch, das Gefühl zu haben, nicht allein gegen rassistische Strukturen zu arbeiten, spendet Kraft, heilt und vor allem mobilisiert. Denn du bist als Individuum nicht das Problem, sondern der Prozess des Tokenism suggeriert dir genau das. Das ist das Ziel von dieser vermeintlichen Symbolposition. Es geht nicht um einen Wandel, sondern um das Kaschieren eines strukturellen Problems. Die Lösung ist somit nicht, gegeneinander zu arbeiten, sondern Allianzen zu schmieden und Gegenbewegungen zu starten. Und seien wir mal ehrlich: Wer möchte an einem Tisch sitzen, mit Personen, die sagen: Es darf nur eine Schwarze Person hier geben. Das wäre eine Party zu der ich nicht gehen würde. Selbstbestimmung ist, sich diesen Zuschreibungen zu entziehen. Selbstermächtigung ist, sich in diesen Strukturen mit einer vehementen opportunistischen Haltung zu bewegen.
Ciani
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