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Khulud Sharif-Ali: “Ich möchte geflüchtete Frauen in Deutschland empowern”

Im Gespräch mit Bildungswissenschaftlerin Khulud Sharif-Ali

Seit 2012 stellten mehr als 500 000 Mädchen und Frauen in Deutschland einen Antrag auf Asyl. In der öffentlichen Wahrnehmung bleiben diese Frauen aber meist unsichtbar. Khulud Sharif-Ali möchte das ändern. Die studierte Bildungswissenschaftlerin forscht an der Hochschule Fulda zu den Alltagsstrategien weiblicher Geflüchteter aus Somalia. Im Gespräch erzählt Khulud von den Herausforderungen, mit denen geflüchtete Frauen in Deutschland konfrontiert sind. Sie erklärt, warum es wichtig ist Fluchtgründe und Erfahrungen geschlechtsspezifisch zu betrachten und, wie sich die Situation für Geflüchtete seit dem Beginn der Corona-Pandemie verschlechtert hat.

Khulud, in deiner Doktorarbeit beschäftigst du dich mit geflüchteten Frauen und der Frage, wie sie empowert werden können. Warum hast du dieses Thema gewählt?

Khulud: Mein Ziel ist es, geflüchtete Frauen sichtbar zu machen. Ich möchte ihnen Ressourcen aufzuzeigen, die sie in ihrer Heimat vielleicht nicht erfahren haben und ihnen Zugang zur gesellschaftlichen Teilhabe ermöglichen. Im Rahmen meiner Dissertation erforsche ich die Alltagsstrategien weiblicher Geflüchteter. Ich sehe ihre Verwundbarkeit und ihren Bedarf nach Schutz in diesem Land. Gleichzeitig möchte ich geflüchtete Frauen auch empowern, weshalb ich in meiner Dissertation nicht nur ihre Ungleichheitserfahrungen analysiere. Ich beschäftige mich auch mit der Frage, wie sie ihren Alltag bewältigen und welche Ressourcen sie dafür nutzen. Geflüchtete Frauen besitzen Fähigkeiten, die ihnen bei der Flucht in ein unbekanntes Land halfen. Diese Stärke und Ressourcen und erforsche ich und mache sie sichtbar.

Wie gehst du in deiner Forschung konkret vor?

Ursprünglich war die Idee, Gruppendiskussionen durchzuführen. Wegen Corona bin ich auf Einzelinterviews umgestiegen. Frauen öffnen sich aber in einer Gruppensituation leichter als im Einzelgespräch. Das habe ich durch Fokusgruppen mit somalischen Frauen gelernt. Die Frauen, die ich interviewe, sind muslimische Frauen. Sie sagen selbst, dass sie sich als Gemeinschaft definieren und als Ummah verstehen. Das arabische Wort für Kollektiv. Ich hoffe sehr, dass ich zu einem späteren Zeitpunkt in Gruppendiskussionen die ausgewerteten Ergebnisse noch mal gemeinsam mit den Frauen diskutieren kann.

Auf welche Aspekte konzentrierst du dich in den Gesprächen?

Auf der Ebene von Alltagsbeziehungen untersuche ich, wie die Zielgruppe sich eigenständig aus geschwächten Positionen herauslöst. Wie gestalten die Frauen ihre Alltagsbeziehungen? Auf welche Ressourcen greifen sie zurück, um ihre Unabhängigkeit zu behalten oder wiederherzustellen? Obwohl sich das Bewusstsein für geflüchtete Menschen in Deutschland grundsätzlich verbessert hat, werden bisher vorhandene Ressourcen von weiblichen Geflüchteten nicht anerkannt.

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Khulud Sharif-ali forscht derzeit an der Hochschule Fulda ©Privat

Wie werden geflüchtete Frauen in Deutschland in der Öffentlichkeit wahrgenommen?

In der medialen Berichterstattung werden meist negativ besetzte Bilder von Geflüchteten verbreitet. Auch die Integration von weiblichen Geflüchteten wird medial meist unter „problematisierenden Perspektiven“ beleuchtet. Themen wie patriarchale Geschlechterordnungen, der Kopftuchzwang und die Unterdrückung der Frau bestimmen den öffentlichen Diskurs. Die öffentliche Wahrnehmung ist geprägt durch das Bild der „hilflosen, unterdrückten Migrantin“.

Warum sind sie in der Berichterstattung über Geflüchtete auch oft unsichtbar?

In der öffentlichen Debatte liegt das Hauptaugenmerk auf der Integration der männlichen Geflüchten. In der Flucht- und Migrationsforschung erscheinen geflüchtete Frauen daher nur als Randphänomen und als „Mitwandernde“. Im Gegensatz zu männlichen Geflüchteten kommen Frauen häufig über Resettlement-Programme oder dem Familiennachzug im Aufnahmeland an. Nach ihrer Ankunft im Aufnahmeland stehen weibliche Geflüchtete vor vielen Herausforderungen. Sie müssen eine neue Sprache lernen und sich auf ein „auf Hochleistung durchorganisiertes Leben“ einstellen. Dazu müssen sie auch „Kultur- und Modernisierungsschocks“ verarbeiten. Die Fachstelle Einwanderung sagt, dass es bisher zu wenig Wissen gibt über die traditionellen Rollenverständnisse geflüchteter Frauen. Außerdem wird sehr selten mit weiblichen Geflüchteten gesprochen, weil sie nicht als ebenbürtige Diskurspartnerinnen wahrgenommen werden.

Warum ist es wichtig, Fluchterfahrungen geschlechtsspezifisch zu betrachten?

Nur wenigen Frauen gelingt die Flucht über die eigenen Landesgrenzen hinweg. Der Fluchtweg ist in aller Regel für Frauen gefährlicher, weil sie häufig sexueller Gewalt ausgeliefert sind. Geflüchtete Frauen erleben Gewalt als Fluchtursache, als Fluchterfahrung und in Geflüchtetenlagern. Wir sprechen hier von Gewalterfahrungen in Form von sexuellen Übergriffen und „Sex als Währung“ oder „männlichem Schutz“ durch Schmuggler und Schlepper.

Beim Sprachkurs, den Khulud für geflüchete Frauen organisiert hat © Privat

Unterscheiden sich auch die Fluchtgründe?

Neben allgemeinen Fluchtgründen wie Krieg, Terror, Verfolgung gibt es auch frauenspezifische Fluchtgründe. Dazu gehören beispielsweise Ehrenmord, Zwangsheirat, Entführung, Sklaverei oder die Genitalverstümmelung. Zugänge zum Bildungssystem oder dem Arbeitsmarkt in Deutschland stellen sich aufgrund der Kinderbetreuung und der Kopftuchthematik schwieriger dar. Das bedeutet aber nicht, dass geflüchtete Frauen weniger arbeiten oder an der Gesellschaft teilnehmen möchten. Im Gegenteil Studien beweisen, dass Frauen genauso motiviert sind wie Männer.

Du forscht vor allem zu geflüchteten Frauen aus Somalia.

Somalia ist vom Krieg gezeichnet. Mädchen und Frauen sind dort die verwundbarste Gruppe. Die Internationale Konvention zur Abschaffung von Diskriminierung der Frauen (CEDAW) hat Somalia nie unterzeichnet. Zwar gelten laut der Verfassung für Frauen in Somalia die gleichen Rechte wie für Männer, die Realität ist jedoch eine andere: Somalische Mädchen und Frauen leben nach wie vor unter massiven sozialen Ungleichheiten. So wird Sexuelle Gewalt in Somalia beispielsweise nur selten strafrechtlich verfolgt. Weibliche Geflüchtete aus Somalia fliehen aus einem strengen ungebrochenen Patriarchat. Ihre Verfolgung ist aber nach wie vor schwer nachweisbar.

Warum?

Diese Themen berühren sehr intime Lebensbereiche der Frauen. Ihre Erfahrungen werden tabuisiert. Zwangsehen und häusliche Gewalt und weibliche Genitalverstümmelung, sind beispielsweise geschlechtsspezifische Verfolgungen. Witwenverbrennung, Verätzungen, Auspeitschungen und Steinigungen aufgrund eines vermeintlichen und nur sehr selten nachgewiesenen Ehebruches treffen insbesondere auf weibliche Geflüchtete aus Somalia zu. Frühehen sind in Somalia eine gängige Praxis. Mit dem Eintreten der Menarche gelten somalische Mädchen als heiratsfähig. Die Erinnerung an diese Erfahrungen sind für die Frauen oft mit Scham besetzt.

Seit Anfang 2020 befinden wir uns in einer globalen Pandemie. Hat Corona die Situation für geflüchtete Frauen in Deutschland verändert?

Es gibt weniger Austausch und keine Räume für Begegnungen, die Integration und gesellschaftliche Teilhabe fördern. Frauencafés, Angebote für Mutter-Kind und Sprachkurse fallen aus. Geflüchtete Frauen fühlen sich alleingelassen mit Behördenpapieren und die Umstellung auf den E-Mail- und Telefonservice ist oft überfordernd. Asylverfahren ziehen sich derzeit in die Länge und Familiennachzüge gestalten sich noch schwieriger als sonst schon. Die Sprachkurse sind auf Onlinekurse umgestellt worden. Das setzt voraus, dass man mit den notwendigen Medien wie Laptop, Tablet oder Wlan ausgestattet ist, um zu lernen. Die meisten Not- und Sammelunterkünften sind es nicht.

Wie können wir geflüchtete Frauen besser empowern? Was wünschst du dir in der Hinsicht?

Ich wünsche mir mehr Awareness Raising, mehr Zusammenhalt, mehr Political Empowerment und mehr Selbstorganisation von Frauen für Frauen. Es braucht Aufklärungsveranstaltungen und Antidiskriminierungsstellen für People of Colour, Tandempartner:innenschaften und einen gegenseitigen Austausch auf Augenhöhe. Jede:r sollte sich fragen: Was brauchen geflüchtete Schwarze Frauen? Welchen Beitrag kann ich leisten? Unterschätzt die Frauen nicht! Sie haben eine Flucht hinter sich und bringen Ressourcen mit. Fragt euch, wie ihr sie unterstützen könnt, ihr eigenes Potenzial zu verwirklichen.

Celia-Parbey

Celia

Celia macht derzeit ihren Master an der Humboldt Universität zu Berlin und arbeitet nebenbei als freie Autorin für verschiedene Online- und Printmagazine. Bei RosaMag kümmert sie sich um das Ressort Menschen und interviewt dafür spannende Schwarze Persönlichkeiten aus Deutschland und der Welt.

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