Lorna Ishema: „Ich möchte Verantwortung für meine Figuren übernehmen“
Fotocredit: Robin Kater
Im Gespräch mit Schauspielerin Lorna Ishema
„Ich nehme kein Projekt an, bei dem ich das Gefühl habe, mich selbst zu verraten“, sagt Lorna Ishema. Die Film-und Theaterschauspielerin studierte in München Schauspiel und arbeitete anschließend an unterschiedlichen Theatern, unter anderem an den Münchner Kammerspielen und dem Deutschen Theater in Berlin. Derzeit ist sie in der Drama-Serie Breaking Even auf ZDF Neo zu bewundern. Dort spielt sie die Hauptrolle der jungen Anwältin Nora Shaheen. Für RosaMag zeichnet Lorna ihren Weg in die Schauspielerei nach. Außerdem erzählt sie von ihrer Serie Breaking Even und verrät, wie sie sich auf die Rolle der Nora vorbereitet hat.
Kannst du dich unseren Leser:innen vorstellen?
Mein Name ist Lorna Ishema, momentan habe ich die Autorin Bernardine Evaristo für mich entdeckt und versuche alles von ihr zu lesen. Außerdem interessieren mich Arbeiten vom Lichtkünstler James Turrell. Ich bin Schauspielerin. Ich mag Menschen – bin aber auch gerne alleine. Wenn ich ernst gucke dann meistens, weil ich nachdenke oder am Tagträumen bin.
Wolltest du immer schon Schauspielerin werden?
Mir hat das Beobachten von Menschen und ihr Verhältnis zueinander schon immer sehr Spaß gemacht, diese Eigenschaft hilft in meinem Beruf. Zum ersten Mal daran gedacht, dass ich selbst auch Schauspielerin werden könnte, habe ich, nachdem ich eine sehr füllige Frau in einer Hauptrolle erlebt habe. Ich hatte vorher nie jemanden auf einer Theaterbühne gesehen, der nicht der gängigen Norm entsprach und von der auch ich mich angesprochen fühlte.
Kannst du deinen Weg in den Beruf nachzeichnen?
Nach meinem Abitur bin ich für ein Jahr als Regiehospitantin ans Theater gegangen. Ich habe diesen Ort damals als neu und unglaublich frei empfunden.
Dort durfte ich in alle Gewerke reinschauen und Fragen ohne Ende stellen. Da waren Menschen, mit denen ich sonst nie etwas zu tun gehabt hätte. Ein Jahr später habe ich mein Studium an der Otto- Falckenberg Schule in München angefangen. Während der Ausbildung konnte ich bereits Erfahrungen auf der Bühne und vor der Kamera sammeln. Seit meinem Abschluss habe ich an unterschiedlichen Theatern gearbeitet unter anderem an den Münchner Kammerspielen und dem Deutschen Theater in Berlin. Zudem hatte ich die Möglichkeit immer mehr Projekte im Bereich Film, Fernsehen und Rundfunk zu machen.
Du spielst die Anwältin Nora Shaheen in der ZDFNeo-Serie Breaking Even. Worum geht es in Breaking Even?
In der Serie geht es um die tödlich verlaufende Testfahrt eines Automobilkonzerns in Familienbesitz. Beim Versuch, diesen Skandal vor der Öffentlichkeit zu kaschieren, offenbaren sich Nora Shaheen dunkle Geheimnisse der Familie. Es geht um Machtspiele und wie man sich dazu positioniert.
Wie bist du zu der Rolle gekommen?
Die Casterin Daniela Tollking hat mich zum Casting eingeladen, der Regisseur Boris Kunz war auch da – was super war – weil wir gleich an den Szenen gearbeitet haben. Ich erinnere mich, dass ich viel Spaß hatte. Ein paar Tage später kam dann die Zusage.
Wie bereitest du dich auf deine Rollen vor?
Früher ging es mir in der Arbeit eher darum, Erfahrungen zu sammeln und von meinen Kollege:innen zu lernen. Ich wollte rausfinden, was mir gefällt. Da war es mir nicht primär wichtig, im Zentrum zu sein. Heute würde ich sagen, dass es mich interessiert, Verantwortung für meine Figuren zu übernehmen. Mir macht es Spaß herauszuarbeiten, was das für ein Mensch sein könnte, den ich spielen werde. Die Vorbereitung ist von Figur zu Figur unterschiedlich. Grundsätzlich lese ich die Drehbücher mehrmals und mache mir Notizen und einen Überblick über die Welt, in der die Geschichte stattfinden wird. Dann schaue ich, ob es sprachliche, körperliche oder berufliche Besonderheiten gibt, die brauchen Routine und da ist es gut, wenn ich mit den Proben dafür so früh wie möglich anfange.
Und bei Nora?
Bei Nora Shaheen wollte ich, dass man sieht, dass sie sich ihre Position beruflich wie familiär erarbeitet hat. Es kostet sie Kraft und Überwindung, das zu tun, was sie tut. Es gibt gleich in der ersten Folge eine Szene, in der Nora in einer Krisensituation der Firma ungefragt einen kontroversen Vorschlag macht. In der Szene fällt es ihr schwer, die Sätze zu formulieren und man sieht ihr die Aufregung an. Trotzdem spricht sie, bis alle sie gehört haben. So was interessiert mich, das finde ich mutig.
Im Interview mit Harpers Bazaar hast du gesagt: “People of Color haben nicht den Luxus, unpolitisch zu sein.“ Merkst du das auch an den Rollen, die dir angeboten werden?
BIPoCs werden oft die gleichen Fragen gestellt, die sich in unterschiedlichen Abstufungen um das ANDERS SEIN und die Erfahrung damit, drehen. Nicht das diese Geschichten uninteressant wären. aber sie lenken oft von der eigentlichen Arbeit ab und reproduzieren alte Bilder, die nicht dazu beitragen, BIPoC in unserer Gesellschaft differenzierter zu betrachten. Für mich persönlich fühlt es sich manchmal an, als könnten BIPOCs im öffentlichen Diskurs nur dann stattfinden, wenn sie kurz erklären, warum sie hier sind und eben nicht wie Anika oder Max Meyer aussehen. Wenn man mir und anderen BIPoCs erst dann zuhören kann, finde ich das hoch politisch. Das Gleiche gilt für meine Figuren. Ich arbeite unglaublich gerne – kann aber kein Projekt annehmen, bei dem ich das Gefühl habe, mich selbst zu verraten. Viele der Rollen, die ich spiele, sind von Autor*Innen geschrieben, die nicht aussehen wie ich oder meine Perspektive auf die Gesellschaft teilen, da bin ich sehr wachsam, was für eine Funktion meine Figuren innerhalb der Geschichte haben. Tatsächlich sind aber Autor*Innen selbst die Einzigen, die ich nicht vorab online recherchiere, weil ich unvoreingenommen in den Leseprozess gehen möchte. Mir fällt auf, dass mir immer häufiger Figuren angeboten werden, die eine Tiefe haben und etwas zu der Handlung beitragen. Das freut mich.
Hast du einen Tipp für junge Schwarze Schauspieler:innen, die in die Branche möchten?
Finde raus, was dich interessiert. Wenn du noch zur Schule gehst, fang vielleicht am Theater an. Fast jedes Theater hat einen Jugendclub, wo jung Leute Stücke entwickeln, die oft auch in das jeweilige Theater Repertoire aufgenommen werden. Wenn du schon etwas älter bist, gibt es viele staatliche Schauspielschulen, auf denen man nach Bestehen einer Aufnahmeprüfung studieren kann. Wenn es nicht gleich beim ersten Mal klappt, trotzdem weiter probieren. Habt keine Angst, Leute mit eurem Anliegen zu nerven, um weiterzukommen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass zu wissen, was ich nicht will, genauso wichtig ist, wie zu wissen was ich will.
Auf welche Projekte von dir können sich unsere Leser:innen 2021 freuen?
Bald kommt Ivie wie Ivie in der Regie von Sarah Blaßkiewitz raus. Hoffentlich haben die Kinos dann wieder geöffnet. Da spiele ich Naomi, eine junge Frau, die, nachdem sie erfährt, dass ihr Vater, den sie nie kennengelernt hat, verstorben ist, sich auf die Suche macht, ihre Halbschwester zu finden, um zur Beerdigung zu fliegen. Es geht darum, sich mit Teilen der eigenen Identität auszusöhnen. Für das Projekt wurde ich vor fast zehn Jahren gecastet, über die Jahre hatte Sarah die Regisseurin, mir immer wieder einzelne Szenen zum Lesen gegeben oder Kurzfilme gedreht, die entfernt etwas mit der Thematik zutun hatten. Als wir dann im Sommer 2019 anfingen, den Film zu drehen, war die Figur schon da. Es fühlt sich krass an, dass der Film nun fertig ist und bald gesehen werden kann.
Wie das ZDF mitteilte, soll es keine zweite Staffel von Breaking Even geben. Unter #SaveBreakingEven treffen sich auf Twitter Fans und fordern eine zweite Staffel der Serie mit Lorna Ishema. Hier könnt ihr die Aktion unterstützen: https://justpaste.it/breakingeven
Celia
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