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Exotenbonus

“Nur weil du schwarz bist”: Warum hält sich der Mythos des Exotenbonus so hartnäckig?

“Kein Wunder, dass du die Eins bekommen hast. Die Professor:innen hatten bestimmt Angst als rassistisch zu gelten, wenn sie dir nur eine Drei gegeben hätten.” Diesen Satz durfte Shakira hören, nachdem sie ihren Masterabschluss in Kulturwissenschaften und Geschichte in den Händen hielt. Nicht ihre harte Arbeit oder ihr Fleiß standen im Mittelpunkt oder liebevolle Glückwünsche ihrer Kommiliton:innen, nein, lediglich ihre Hautfarbe. Du bist vermutlich schon in der ein oder anderen Form über Sprüche gestolpert wie: Es liegt dir im Blut, das ist für dich ein Klacks oder das hast du nur wegen der Quote erhalten. Bei diesem Phänomen handelt es sich um den guten-alten Exotenbonus. Mal im Spaß, mal bitterer Ernst, immer wieder erleben Schwarze Menschen, dass wenn sie erfolgreich sind, dieser ihnen von weißen Menschen abgesprochen wird. Woran das liegt, haben wir mit Tiffany, Shakira und Mariam versucht herauszufinden und das Fazit ist ziemlich spannend. 

Beim Exotenbonus geht es viel um Privilegien. Ein gutes Beispiel, um das Konzept zu verstehen (oder jemanden anderen begreiflich zu machen), ist dieses Video aus den USA.

“Sie brauchten halt eine Quotenschwarze”

Wir leben schon in einer kuriosen Welt. Strukturell sind die Aufstiegschancen für Menschen mit Migrationsgeschichte in Deutschland ziemlich mies -von den Schulen, Unis oder auf dem Arbeitsmarkt. Über die Situation von Schwarzen Menschen können wir nur rätseln, (Stichwort Afrozensus: Hast du schon mitgemacht? Dann jetzt aber!) da es dazu keine Infos gibt. Doch wenn es dann mal läuft, muss man sich in der ein oder anderen Branche mit dem sogenannten “Exotenbonus” herumschlagen. “Ich war im dritten Semester meiner Erzieher:innenausbildung,” erklärt die 27-jährige Mariam aus Berlin. “Dann kam die Leiterin und holte mich und eine Klassenkameradin heraus, weil sie Bilder für die Webseite machen wollten. Wir hatten uns total gefreut. Als wir dann ein paar Probefotos gemacht haben, kam dann unsere Klassensprecherin auf uns zu. Wir hatten uns eigentlich ganz gut verstanden. Dann sagte sie: ‘Die brauchen halt immer eine Quotenschwarze`- direkt in mein Gesicht. Ich war sprachlos. Die Klassenkameradin mit der ich das Shooting gemacht hatte, sagte dann nur zu mir, dass ich es mir nicht zu Herzen nehmen sollte. ”Ähnliches erlebte Mariam bei ihrem Aushilfsjob. Sie arbeitete bei einer US-Kaffeehauskette, als sie dann gefragt wurde, ob sie nicht Lust hätte für ein paar Bilder für die Webseite zu modeln, stimmte sie schnell zu. Als sie dann ihrer Chefin begegnete, sagte diese dann: “Ja, ja bestimmt nur, weil du schwarz bist.” Der Klassiker.

Shirt und Hose von Armedangels

Mariam haben wir auf dem Goddess Shooting kennengelernt.

Relativierung-Strategien und Schubladen-Liebe

Woher stammt dieses Bedürfnis den Erfolg von Schwarzen Menschen abzusprechen? “Ich glaube nicht, dass es jedes Mal böse gemeint ist,” so Shakira. Als begeisterte Tänzerin hörte sie häufiger, dass es ihr ja im Blut liege – das Tanzen. Nicht weil sie stundenlang trainierte, schwitzte, übte oder ganz zu schweigen, weil sie ein Talent hat. Dabei ist sie überzeugt, dass ihr Gegenüber es meist als ein Kompliment meint. “Wir denken gern in Schubladen. Viele sind überzeugt, dass alle Dominikaner:innen gut tanzen können. Es ist einfach, die Welt so zusehen.” Bei der Unisache ist es laut Shakira ein wenig komplizierter: “Sie haben es mir einfach nicht gegönnt.” Ähnlich sieht Mariam es bei dem Vorfall mit ihrer Klassensprecherin in ihrer Erzieher:innenausbildung: “Vielleicht wollte sie auch gern beim Shooting dabei sein?” Die 25-jährige Tiffany aus Leipzig sieht darin eine Relativierung- Strategie und erinnert sich an einen Vorfall in der vierten Klasse. “Wir hatten Olympische Spiele. Als ich dann beim  Weitsprung gewonnen hatte, meinte meine Lehrerin, dass es vermutlich an meinen `dunklen Genen liegt`. Jemand anderes meinte dann noch, dass die Muskelfasern von Schwarzen Menschen anders sind. Das sei auch der Grund, warum wir so schnell sind.

Exotenbonus

Auch Shakira hat schon einmal den Exotenbonus erlebt. Bild: privat

Ich weiß noch, dass ich es danach gegoogelt hatte und dazu nichts fand.” Schubladen Liebelei und der Gedanke, dass Schwarze Menschen aufgrund von biologischen Umständen schnell sind, zeigen wie rassifizierend und kolonialistische Bilder unseren Alltag weiterhin bestimmen. Diese ideologischen Strukturen beeinflussen die individuellen Erfolge von Schwarzen Menschen.  Shakira ist überzeugt, dass es für weiße Menschen ungewohnt ist, Schwarze Menschen erfolgreich zu sehen. Es verunsichere sie. “Weißsein wird mit Erfolg, Geld und Macht gleichgesetzt. Das beste Beispiel ist meine Heimat, die Dominikanische Republik: Obwohl 90 Prozent der Menschen so aussehen wie ich, mixed, sehen wir im Fernsehen primär weiße Dominikaner:innen. Das sind wir gewohnt. Wenn dann Schwarze Menschen erfolgreich sind, fühlt es sich nicht mehr nach ihrer gewohnten Welt an. Sie bekommen dann Angst. Der Gedanke kommt: Jemand nimmt mir meine Macht. Deshalb braucht es Ausreden.” Auch Tiffany sieht den Ursprung des Exotenbonus Gedanken darin White Supremacy, die Behauptung von der Vorherrschaft der weißen, aufrechtzuerhalten. “Als Schwarze Person musst du doppelt so hart arbeiten, damit weiße Menschen einen anerkennen.  Es hat mit der Kolonialisierung angefangen, dass du schön unten gehalten wirst.” Tiffany ist überzeugt, dass diese Spuren weiterhin unsere Gesellschaft beeinflussen.

Exotenbonus

Auch Shakira hat schon einmal den Exotenbonus erlebt. Bild: privat

Der Exotenbonus ist eine Form von Rassismus

“Ich ärgere mich jedes Mal und bin schockiert. Ich hätte gern anders reagiert und meiner Klassensprecherin gesagt, dass sie mal reflektieren soll, was sie da sagt, dass sie mit vielen Worten, Menschen verletzen kann,”so Mariam im Nachhinein. Doch Rassismus, Colorism und diskriminierende Äußerungen schockieren Mariam, Tiffany und Shakira jedes Mal aufs Neue. Letztlich steckt es auch in “Nur weil du schwarz bist.” Dieser Satz verkennt nicht nur, die strukturellen Herausforderungen, die Schwarze Menschen haben, sondern bagatellisiert ihre Erfolge, weil es zu komplex ist zu denken, dass eine Schwarze Person einfach gut ist, indem was sie tut. Der Exotenbonus spielt Schwarze Menschen wieder an den Rand, drückt ihnen das Label des “Andersseins” auf. Das zu formulieren – auch im Spaß – ist rassistisch. Nicht nur Mariam, Tiffany und Shakira haben diesen Satz gehört. Er gehört zu einem festen Bestandteil des Lebens als Schwarze Person in Deutschland. Das sollte und darf nicht mehr so sein.

Ciani-Sophia Hoeder

Ciani

Ein Online-Lifestylemagazin für afrodeutsche Frauen schaffen. Genau das hat sich die 29-jährige Berlinerin in den Kopf gesetzt. Nun ist Cianis Traum wahr geworden. RosaMag informiert, inspiriert und empowert Schwarze Frauen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz.

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