Safurat: „Ich möchte Schwarze Menschen dazu ermutigen, ihren Weg zu gehen und sich auszuprobieren“
Im Gespräch mit Bibliothekarin und Podcasterin Safurat B.
„Mir war schon immer klar, dass ich irgendwann wieder eine Zeit nach Nigeria zurückgehen würde“, erklärt Safurat im Interview. 2016 beschloss die damals frisch gebackene Bibliothekarin nach Nigeria auszuwandern. Das Land, in dem sie bis zu ihrem zehnjährigen Lebensjahr gelebt hatte. Ein großer Schritt, den die Weltenbummlerin zu keinem Zeitpunkt bereut hat.
Gerade hat sie ihren Podcast ValidThoughts gelauncht. In diesem beschäftigt sie sich hauptsächlich mit Themen rund um das Gefühl von Heimat, Zugehörigkeit und Sprache. „Mir geht es darum, einen Weg zu finden, meine Geschichte und die meiner Freund:innen, meiner Familie und vieler weiterer Menschen da draußen zu erzählen“, sagt Safurat.
Im Gespräch mit RosaMag erzählt die junge Bibliothekarin, warum sie sich 2016 dazu entschieden hat nach Lagos zu ziehen. Sie gibt wertvolle Tipps für junge Schwarze Menschen aus der afrikanischen Diaspora, die es ihr vielleicht gleichtun wollen und verrät außerdem, warum der Begriff Heimat für sie immer relativ ist.
Kannst du dich unseren Leser:innen einmal vorstellen?
Ich bin Safurat. Meine Freund:innen nennen mich aber Asabi. Ich habe 2015 mein Studium beendet und arbeite seitdem als Bibliothekarin, erst in Nigeria, jetzt gerade in Indien. Ich bin Tochter, ich bin Freundin, ich bin Mensch und ich bin Baby Girl for Life. Das ist mein Lebensmotto. Außerdem versuche ich eine Balance zu finden zwischen der Arbeit , dem Ich Sein, Lebensfreude, dem Verreisen und Freund:innenschaften. Das ist manchmal superschwierig, weil ich sehr viel in der Welt unterwegs bin.
Du bist nach deinem Studium nach Nigeria gezogen, wie kam es dazu?
Ich bin 2003 mit zehn Jahren von Nigeria nach Deutschland gezogen. 2015 bin ich dann das erste Mal wieder zurückgekehrt zum Urlaub machen. Ich war zwei Wochen da und total begeistert.
Nach meiner Rückkehr nach Deutschland und einer Trennung hatte ich eine Phase, in der ich eine Woche zuhause war und überhaupt nichts angestellt habe. Ich bin dann auf eine Stellenanzeige für einen Bibliothekar:innenjob in Lagos gestoßen und habe mich beworben. Die Bewerbung war erfolgreich. Am 01.01.2016 bin ich nach Lagos gezogen.
Meine Eltern fanden es anfangs komisch, dass ich zurückwollte. Die konnten das nicht verstehen. Mir war aber schon immer klar, dass ich irgendwann wieder eine Zeit nach Nigeria gehen würde. Für mich war es der richtige Schritt zum richtigen Zeitpunkt.
In einem Interview hast du mal gesagt: „Bevor ich nach Nigeria gezogen bin, hätte ich gerne ein paar realistischere Informationen gehabt. Ehrliche Erfahrungen darüber, wie es in Nigeria ist, wie es ist, wenn man wieder zurückkommt.“ Auf was für Erfahrungen beziehst du dich?
Es ist hart und du musst dich durchkämpfen, vor allem, wenn du noch keine Leute kennst und nicht in der Musik- oder Fashionindustrie arbeitest oder deine Familie keinen bekannten Namen hat.
Auf YouTube sind beispielsweise viele Auswander:innen, die nach Nigeria gezogen sind, um ein Business aufzubauen. Menschen, die in diesen Industrien arbeiten und von der Familie her das Backup hatten. In diesen Videos wird es oft so dargestellt, als ob du nach Lagos kommst und das Ganze trotz Schwierigkeiten schon irgendwie meistern wirst. Wenn du sehr viel Geld hast, funktioniert das auch.
Es ist nicht so, als hätte ich gar kein Geld gehabt, aber wenn du vor Ort beispielsweise mit dem Bus fahren musst, bereitet dich keine:r darauf vor, dass es chaotisch werden kann. Trotzdem würde ich es immer wieder empfehlen. Man muss nur die richtigen Vorbereitungen treffen.
Wenn du heute einer Schwarzen Person aus der Diaspora, die nach Nigeria ziehen möchte, einen Tipp geben müsstest, welcher wäre das?
Du musst bereit sein, dich durchzukämpfen. Hol’ deine Streetmentality raus. Ehrlicherweise würde ich auch sagen: Hab’ am Anfang dein Rückflugticket parat. Es kann hart werden. Die Sicherheit, dass du auch wieder zurückgehen kannst, hilft immens. Hoffentlich wirst du es niemals brauchen.
Welche Vorbereitungen sollten getroffen werden?
Reach Out! Freund:innen, Familie, melde dich bei ihnen, wenn du Menschen vor Ort kennst. Lies dir Erfahrungsberichte durch, informier’ dich über Social Media, was gerade läuft und woran du dich beteiligen möchtest.
Einfach nur hinfliegen, macht nur Sinn, wenn du reisen möchtest, aber wenn du dir tatsächlich etwas Längerfristiges vorstellen kannst, ist es wichtig, dass du vor Ort eine Aufgabe hast. Vor allem, wenn du bei deiner Familie wohnst. Lagos ist keine Stadt, in der du den ganzen Tag zuhause rumloungen kannst. Wenn du eine Woche Zuhause bist und nichts machst, werden das nicht alle in Ordnung finden.
Wie kann die Diaspora Menschen auf dem Kontinent weiter unterstützen?
Empowern, empowern, empowern, voneinander lernen und versuchen, die Ressourcen und das Wissen, das man aus Deutschland hat, dort umzusetzen und den Menschen weiterzugeben.
Start-ups gründen aber dabei nie vergessen, in welchem Land auf dem Kontinent du dich befindest. Das, was du in Lagos umsetzen kannst, kannst du nicht unbedingt in Accra umsetzen. Es ist sehr wichtig, das nicht zu vergessen.
Du hast kürzlich deinen Podcast gelauncht: ValidThoughts. Wie kam es dazu?
Mein Podcast ist zurzeit mein Baby, mein Herz, mein Alles. Kurz vor Ende meines Studiums hatte ich mal ein paar Schwarze Freund:innen zu mir eingeladen. Wir haben uns über unsere Identität, unsere Herkunft, unsere Struggle und unsere Gemeinsamkeiten gesprochen. Da kam die Idee, was zu starten. Ich wollte auch schon immer meine Erfahrungen niederschreiben.
Am nächsten Tag habe ich mir eine Webseite, eine Domain gekauft, ValidThoughts, aber erstmal nichts damit gemacht. 2017 fing ich dann an, selbst Podcasts zu hören. Ich fand es toll, dass man sich in diesem Format ausdrücken kann, ohne dass man gesehen werden muss. Ich habe dann angefangen, Gespräche aufzunehmen, mich aber nie getraut, die auch zu veröffentlichen. Dieses Jahr hat sich das geändert.
Welche Themen sprichst du an?
Am Anfang wollte ich Gespräche mit Frauen führen, die von ihrem Heimatland woanders hingezogen sind und eine neue Sprache lernen mussten. Die Idee hat sich inzwischen weiterentwickelt.
Der Podcast beschäftigt sich hauptsächlich mit dem Gefühl von Heimat, Zugehörigkeit und Sprache. Wir sprechen mittlerweile aber verschiedene Themen an. Ich hatte letztens beispielsweise ein Gespräch mit Männern darüber, wie es ist, die deutsche Datingwelt als People of Color zu navigieren. Es gibt eine Folge dazu, wie man mit Partner:innenwechsel oder generell mit seiner Sexualität umgeht. Es sind oft Themen, die mich beschäftigen und die ich gerne mit anderen besprechen möchte.
Und warum das Medium Podcast?
Ich hab mich für den Podcast entschieden, weil Menschen wesentlich offener sind, wenn keine Kamera dabei ist. Sie trauen sich dann, Gefühle und Gedanken, ihre Valid Thoughts, auszusprechen.
Was möchtest du mit ValidThoughts erreichen?
Mir geht es darum, einen Weg zu finden, meine Geschichte und die meiner Freund:innen und meiner Familie und vieler weiterer Menschen da draußen zu erzählen. Mir ist wichtig, ein Archiv zu schaffen, auf das man in der Zukunft zurückblicken kann. Was haben BIPoC damals gemacht? Was waren Ihre Sorgen? Womit haben Sie sich beschäftigt? Der Podcast soll eine Referenz sein.
Außerdem möchte ich Schwarze Menschen und PoC dazu ermutigen, ihren Weg zu gehen und sich auch auszuprobieren. Als ich den Bachelor gemacht habe, hätte ich niemals gedacht, dass ich 2020 in Indien leben würde. Ich hätte niemals gedacht, dass das mein Leben sein würde, auch wenn ich schon immer reisen und die Welt sehen wollte.
Du lebst und arbeitest inzwischen in Delhi. Wie kam es dazu?
Ich bin letztes Jahr im Juli für die Arbeit von Lagos nach Delhi gezogen. Für mich ist der Begriff Heimat eher relativ. Home is where my bed is. Delhi ist für mich gerade mein Zuhause, weil das die einzige Stadt ist, in der ich gerade eine Wohnung habe, die mir gehört und wo ich weiß, wo all meine Sachen sind.
Wie ist diese Erfahrung für dich?
Es ist superinteressant in Indien zu leben. Ich habe das Gefühl, ich bin jetzt wieder zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort.
Ich bin gerne in Delhi. Ich freue mich, das Land weiter zu bereisen und kennenzulernen. Anfangs wurde ich viel gefragt, ob ich Dinge erlebt habe, die mich schockiert haben, als ich zuerst dorthin gezogen bin. Wenn ich direkt aus Deutschland dorthin gegangen wäre, wäre das vielleicht der Fall gewesen. Dadurch, dass ich aber erst drei Jahre in Nigeria und dann nach Indien gezogen bin, ist das für mich viel einfacher zu verdauen. So schnell kann mich nichts umhauen.
Wie ist das Leben für Schwarze Menschen in Indien?
Die Erfahrungen von Schwarzen Menschen, die ich dort kennengelernt habe, sind teilweise schon krass. Inder:innen sind aufgrund des Systems dort auch untereinander sehr diskriminierend. Dadurch, dass ich mit der Arbeit dort bin, bekomme ich davon aber nicht alles mit.
Eine krasse Erfahrung habe ich gemacht, als ich mit ein paar Schwarzen Freund:innen feiern war. Wir haben uns ein Uber bestellt und eine halbe Ewigkeit auf das Auto gewartet. Als er dann endlich kam und uns gesehen hat, meinte der Fahrer sofort, dass er uns nicht fährt. Das war ein Schock.
Gerade befindest du dich ja in Deutschland.
Ich bin seit ein paar Wochen wieder in Deutschland. Ich bin vor allem wegen COVID-19 zurückgekehrt und weil ich im Sommer sowieso oft eine Zeit hier verbringe.
Vermisst du das Leben im Ausland?
Ja, sehr. Ich wäre jetzt gerade am liebsten in Nigeria. Auch wenn Indien im Moment meine Heimat ist und ich mich dort sehr wohlfühle, ist mein Default Lagos.
Safurats Podcast ValidThoughts könnt ihr euch hier anhören.
Celia
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