“Unsere Geschichten sollten nicht untergehen,” im Gespräch mit Bianca über ihre Rassismuserfahrungen an der Schauspielschule
Bild: Anna Tafel
Wegschauen, statt Hingucken. Sitzenbleiben, statt Aufstehen. Von alldem war Bianca müde. Über zwei Jahre studierte sie an der Schauspielschule der Keller. Die Ausgrenzungs- und rassistischen Erfahrungen, die sie dabei sammeln musste, sind schockierend. Von den Dozent*innen, Kolleg*innen und der Leitung gab es nur ein Schweigen oder ein geflüstertes, du hast recht. Nun bricht Bianca damit. Dafür sind wir ihr dankbar. Für uns ist Bianca eine der stärksten Frauen. Sie möchte weitere BIPoC ermutigen: “Wir sollten keine Angst mehr haben den Mund aufzumachen, weil wir denken es gibt sowieso keine Konsequenzen.” Wie Bianca zu diesem Schritt gekommen ist, erfahrt ihr in unserem Gespräch mit ihr.
Design: Ana Jovanovic @analysiker
Stell dich doch einmal kurz vor:
Ich heiße Bianca, bin 27 von Beruf Künstlerin und in Köln geboren und aufgewachsen. Ich liebe Kuchen über alles, ich interessiere mich sehr für Astronomie und kann überhaupt nicht pfeifen.
Wie kamst du an die Schauspielschule der Keller?
Ich hatte mich schon immer für Musik und Schauspiel interessiert und habe mit 24 dann mit Theaterspielen angefangen.
Bin über ehemalige Kollegen an Vorsprechen gekommen und habe vor meiner Ausbildung in zwei Produktionen mitgespielt und habe dadurch gemerkt, dass will ich professionell machen. Dann habe ich angefangen, mich an Schulen zu bewerben.
Natürlich kann man auch ohne Ausbildung Schauspieler*in werden, aber als Person of Color haben wir es sowieso schwer. Ich wollte eine Qualifikation vorlegen können, um den Leuten zu zeigen wir sind auch Menschen, die studieren und lernen wollen.
Damit wollte ich es mir und auch anderen Schauspieler*innen beweisen, wir sind genauso gut wie weiße Schauspieler*innen obwohl wir weniger gezeigt und gecastet werden. Bevor ich in der Keller war, habe ich bereits ein Jahr an einer anderen Schule verbracht, war dort aber irgendwie nicht ganz zufrieden. Die Schule der Keller ist in Köln sehr etabliert und ich kannte auch das zugehörige Theater, und im Sommer 2017 habe ich mich beworben und wurde zum Vorsprechen eingeladen. Normalerweise gibt es Gruppentermine aber die konnte ich leider nicht wahrnehmen und konnte ein Einzel Vorsprechen mit der ehemaligen Leiterin und zwei Dozent*innen bekommen. Die Atmosphäre war erstmal sehr neutral, das Komitee hat keine Miene verzogen. Aber ich hatte noch nicht den Eindruck, dass die Leute unbedingt unfreundlich sind. Anfang September 2017 habe ich dann dort meine Ausbildung begonnen.
Was hattest du für Erwartungen an die Schule?
Die Schule hat Deutschlandweit einen Namen in der Theaterwelt und sie hat eigentlich einen sehr guten Ruf. Ich hatte die Erwartung, dass ich die Schauspielkunst und alles was dazu gehört erlerne. Der Onlineauftritt der Schule war eigentlich der Grund, warum ich unbedingt dorthin wollte. Sie bieten unter anderem Workshops an und Schüler*innen haben eventuell sogar eine Anstellung am hauseigenen Theater. Einer der Dozenten ist außerdem im Casting Bereich für Film, Fernsehen und Hörfunk tätig. Dazu kommt, dass die Schule auch mit anderen Theaterschulen kooperiert und ein großes Netzwerk hat.
Ich dachte, ich könnte mehr Erfahrungen im Bereich TV und Film sammeln, da ich bisher nur im Theaterbereich gearbeitet hatte. Es gab hin und wieder auch Kamera Workshops, die im Unterricht integriert waren und ich war tatsächlich sehr hoffnungsvoll.
Ich wollte nach der Ausbildung einfach mitnehmen, was ich mitnehmen kann und nach dem ersten Jahr war mir leider klar: Ich kämpfe mich durch und entferne mich danach komplett von der Schule und ihrem Netzwerk.
Make-Up & Styling: Ana Jovanovic @analysiker
Wann ging es los, mit den rassistischen Bemerkungen/Kommentaren?
Es ging schon im ersten Jahr, recht am Anfang, los. Im Unterricht ‚Grundlagen der Schauspielerei‘ hatten wir eine Aufwärmübung, und die Dozentin hat einen Kommentar gemacht: ‚Richtig laut stampfen, mit Power, wie die Afrikaner‘
Das war einfach direkt ein ganz seltsamer Moment und es ging so schnell, das ich gar nicht reagieren konnte. Man fragt sich in solchen Situationen immer: ‚(..)hat diese Person das wirklich gerade so lapidar gesagt?‘
Das Verhältnis zwischen Schüler*in und Dozent*innen ist eigentlich sehr eng an dieser Schule. Je enger es wurde, desto weniger wurden meine Sorgen ernst genommen.
Richtig schlimm war ein bestimmter Dozent, den ich in meinem Text Dozent X genannt habe, wir haben in der Prüfungsvorbereitung immer in Schülerpaaren mit dem Dozenten zusammengearbeitet und er hat in diesem Unterricht eigentlich jedes Mal einen Kommentar gemacht. Immer bevor wir eine Szene geprobt hatten, hat er irgendwelche rassistisch-motivierten Witze über mein Aussehen, Geschlecht und meinen Namen gemacht. Dieser Dozent hat das Vertrauen, das wir durch die enge Arbeit aufgebaut haben und auch seine Machtposition missbraucht.
Zum Beispiel, haben wir um eine Szene zu wählen, verschiedene Stücke gesammelt und diese dann, gemeinsam mit dem Dozenten, verschiedene Texte gelesen.
In dem Verlauf fielen immer wieder Kommentare im Sinne von: „Man würde ja gar nicht denken, dass ihr so gut zusammenpasst weil die Bianca ja so exotisch ist“, oder in einer Szene in der die Partnerin von Edward Snowden vorkommt, die als Stripperin arbeitet, hat er den Kommentar abgegeben: „Das passt ja sehr gut zu dir, das kannst du bestimmt gut spielen“.
Dazu kamen immer wieder das absichtliche falsch aussprechen meines Nachnamens, obwohl wir uns geduzt haben.
Wie haben deine Kommilitonen*innen/Dozenten*innen reagiert?
Im ersten Jahr hat mich einmal eine Mitschülerin nach einem unangenehmen Kommentar zur Seite genommen und mir ihr Verständnis zugesichert. Das hilft natürlich nicht.
In dem Moment laut zu werden und mir beizustehen hätte geholfen, aber nachträglich mir leise etwas zu flüstern, das war für ihr eigenes Gewissen. Sie hat ihre Privilegien in diesem Moment nicht genutzt.
In einem Gespräch mit einem anderen Mitschüler habe ich gesagt bekommen, ich würde dir helfen aber ich kann nicht, weil dann werde Ich in der nächsten Prüfung anders behandelt und bewertet. Daran merkt man noch einmal, dass es kein gesundes Dozent*innen, Schüler*innen Verhältnis gibt, obwohl es so eng ist.
Ich habe mich das erste Mal im zweiten Jahr beschwert: Wir sollten für eine Veranstaltung der Schule ‚Max&Moritz‘ lesen, ein Schüler hatte eine Strophe in der das N-Wort vorkommt zugeteilt bekommen und er wollte das gerne zensieren oder eine andere Strophe bekommen. Ich habe ihm dann natürlich direkt zugesprochen, und noch einmal betont das eine Zensierung richtig wäre.
Die Dozentin hat sich geweigert, sie fände es wichtig zu unterstreichen, dass es nicht in Ordnung ist wie der Autor es geschrieben hat. Sie hat, aber überhaupt nicht auf unsere Argumente gehört oder mich als Betroffene miteinbezogen.
Als eine andere Mitschülerin der Dozentin auch noch zugesprochen hat, bin ich einfach still geblieben.
Die Begründung fand ich auch schlimm. Ich muss das N-Wort nicht auf eine Bühne stellen um zu zeigen, dass es nicht in Ordnung ist.
Die gleiche Dozentin hat zusätzlich jede Frisur meinerseits kommentiert, besonders, wenn ich Braids hatte, es hieß immer: „Bianca schneid deine Haare ab, das ist zu schwer für deinen Kopf und Nacken und wir können dein Gesicht nicht sehen.“ Andere Schüler mit langen Haaren haben natürlich keine Kommentare bekommen.
Nachdem ich dann irgendwann meine Braids aufgemacht, und meine Haare geschnitten habe, wurden sehr viele trotzdem Kommentare zu meinem Afro von Dozent*innen und Komoliton*innen gemacht. Irgendwann habe ich sie komplett abrasiert, und wurde von einer weiteren Dozentin als ‚Roberto Blanco bezeichnet und von allen Umstehenden ausgelacht.
Zusammenfassend: Mich hat niemand so richtig ernst genommen.
Vor ein paar Tagen habe ich dann eine E-Mail von der Schulleitung bekommen in der stand, unter anderem, dass sie es schade finden, dass ich den Weg der Öffentlichkeit gewählt habe. Sie hätten es mit Personal und Schüler*innen aufgearbeitet und würden die Vorwürfe ernst nehmen.
Das Wort Vorwurf viel mehr als einmal, aber von einer Entschuldigung war nichts zu sehen. Es wurde mir ein Gespräch angeboten, aber dazu möchte ich erst einmal noch keinen Kommentar geben.
Ich will aber trotzdem weiter offen für mich und andere Kämpfen, wir sollten als BIPOC keine Angst mehr haben den Mund aufzumachen, weil wir denken es gibt sowieso keine Konsequenzen.
Mir ist es wichtig anderen Leuten die ähnliches durchgemacht haben zu zeigen, dass sie wichtig sind, ihre Erfahrungen valide sind und sie viele Menschen haben die hinter ihnen stehen. Wir haben 2020, wir sind nicht mehr leise und kehren alles unter den Teppich. Wir stehen füreinander ein.
Besagte E-Mail der Schule
Wie kam es dazu, dass du die Schule verlassen hast?
Im Juli 2019 hatte ich am Ende des zweiten Jahres meine Zwischenprüfung. Die Dozenten*innen prüfen uns in verschiedenen Kursen und ziehen sich dann zur Beratung zurück.
Mir wurde dann ziemlich schnell mitgeteilt, dass ich durchgefallen bin und, dass ich die Prüfung auch nicht wiederholen darf, da es für mich ja keine Zukunft in der Branche gebe.
Ich muss ehrlich sagen, Ich glaube nicht, dass ich die schlechteste war soweit ich mich selbst beurteilen kann.
Besonders was Anwesenheit, Fleiß und Probebereitschaft angeht, war ich auf keinen Fall schlecht, und dann anhand eines Prüfungsergebnisses mir meine gesamte Zukunft abzusprechen, ist nicht in Ordnung.
In der E-Mail die ich bekommen habe, wurde mir auch ein Gespräch über das Prüfungsergebnis angeboten, aber darum geht es mir nicht.
Den Rassismus, den ich erlebt habe, erwähnt niemand. Nach zwei Jahren plötzlich zu sagen, ach der* die* Schüler*in, da sehe ich keine Zukunft, das ergibt doch keinen Sinn.
Als BIPOC muss man immer das doppelte leisten, um die Hälfte zu erhalten.
Ich habe nach meinem Text sogar eine Sprachnachricht von einer ehemaligen Schülerin erhalten, diese ist eine Person of Color. Darin heißt es: „Ich verstehe dich, aber…“, dieses Absprechen meiner Erfahrungen ist nicht in Ordnung.
Wie können wir dich Supporten?
Ihr könnt gerne meine Geschichte verbreiten und das wünsche ich mir auch. Schickt sie an andere Schauspielschulen, Aktivist*innen, Theater und Verbände.
Mir ist es wichtig, dass unsere Geschichten nicht untergehen. Sei es meine oder die von anderen, wir sollten das nicht mehr Totschweigen und in Institutionen sollte ein Umfeld herrschen, in dem kein Rassismus stattfinden bzw. eine Bezugsperson da ist an die man sich wenden kann und wo reflektiert wird.
Es soll für solche Vorkommnisse endlich konsequente Folgen geben, dafür sollte kein Platz in diesem Land sein. Natürlich möchte ich nicht, dass Menschen, die Angst haben sich zu äußern oder sich aus Selbstschutz noch nicht trauen über ihre Erfahrungen zu sprechen, sich gezwungen fühlen.
Wir brauchen außerdem mehr Liebe und Zusammenhalt in der Schwarzen Community, besonders für schwarze Frauen.
Wo siehst du dich selbst in 10 Jahren?
In 10 Jahren möchte ich glücklich sein. Ich hoffe ich kann auf viele schöne Erfahrungen und Projekte zurückblicken, sei es Musik, Schauspiel oder Moderation. Ich möchte für BIPOC und gerade denen von uns die der LGBTQ+* Community angehören Safe Spaces schaffen, denn diese sind rar in Deutschland. Unsere Existenz als Schwarze Menschen ist grundsätzlich irgendwie politisch, deswegen würde ich gerne auch weiterhin aktivistische Arbeit machen.
Aber am meisten wünsche ich mir, mich einfach in eine Hängematte zu legen und zu entspannen, und zwar nicht von all dem Stress den wir als Schwarze Menschen und auch als Frauen erleben, sondern einfach, weil ich entspannen möchte.
Und solange wir uns nicht entspannen können, werde ich weiterkämpfen.
Latifah
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