Was bedeutet Grüner Kolonialismus?
Fast alle Rohstoffe, die für grüne Technologien benötigt werden, sind konfliktbehaftet. Ökonomisch, ökologisch sowie Menschenrechte werden im globalen Süden für einen schnittigen E-Roller, der durch Berlin-Mitte cruist einfach mal aus dem dreifach verglasten Fenster geworfen. Dieses Phänomen wird als Grüner Kolonialismus bezeichnet. Die Mittel heiligen den Zweck. Eine nachhaltige Batterie für ein Menschenleben. Fridays for Future für Just a Few Futures. Wir haben uns das genauer angeschaut.
Klimagerechtigkeit ist das Ziel, grüner Kolonialismus das Problem
Stell dir vor, du wirst zu einer Party eingeladen. Du kommst einige Stunden zu spät, weil du noch eine Packung Eiswürfel mitbringen solltest. Dann endlich angekommen, möchtest du es dir bequem machen, greifst nach einem Bier und eine empörte Person nimmt es dir weg und sagt: Wir trinken schon so lange! Du schaust dich um und stellst fest, dass es den Gästen nicht gut geht. Der Gastgeber gibt dir sogar noch die Mitschuld. Diese Veranstaltung soll wohl schon die gesamte Welt negativ beeinflusst haben. Du kannst dann beim Aufräumen helfen. Nein, du bist dem ganzen Dreck von den Partygästen schutzlos ausgeliefert. Doch was bei diesem sehr behäbigen Vergleich fehlt, ist der Fakt, dass die Party auf deine Kosten veranstaltet wurde. Und die deiner Vorväter sowie Vormütter und deren davor und davor, – schon einige Jahrhunderte also. Auf der ganzen Welt sind die Auswirkungen des Klimawandels für die Menschen am stärksten spürbar, die für die Verursachung des Problems am wenigsten verantwortlich sind. Die Gemeinschaften im globalen Süden – wie auch die einkommensschwachen Gemeinschaften im industrialisierten Norden. Sie tragen die Last des übermäßigen Verbrauchs der Ressourcen unseres Planeten durch die reichen Länder. Das ist Fakt. Deshalb fordern immer mehr Stimmen Klimagerechtigkeit. Letzteres bedeutet, die Klimakrise anzugehen und gleichzeitig Fortschritte auf dem Weg zu mehr Gerechtigkeit und zum Schutz sowie zur Verwirklichung der Menschenrechte zu erzielen. Doch dabei lautet das Credo: Die Mittel heiligen den Zweck.
Fast alle Rohstoffe, die für grüne Technologien benötigt werden, sind konfliktbehaftet.
Die Limitierung von Wohlstand
Es ist schon eine krude Nummer. Die Klimakrise ist die Ausgeburt der Ungleichheit, die in Hunderten von Jahren Kolonialismus wurzelt, der unproportionalen Wohlstandsverteilung sowie dem stoischen Festhalten, dass Wirtschaftswachstum der ultimative Indikator von Fortschritt sei. Doch die Party ist nicht vorbei. Die jüngste Form des westlichen Kolonialismus hat eine neuen Anstrich: Grün. Dieser erzwingt Klimagerechtigkeit, praktiziert allerdings grünen Kolonialismus. Dabei werden die Ressourcen und Arbeitskräfte des globalen Südens ausgebeutet und gleichzeitig aktiv an der Industrialisierung gehindert. Nicht jede*r soll eben eine fette Party schmeißen können. Gleichzeitig sind es auch die Menschen, die am wenigsten Zugang zu Ressourcen und Technologien haben, um sich den Folgen der Klimakrise anzupassen oder schützen zu können. Grüner Kolonialismus geht nocht weiter. Er umfasst, dass die Rohstoffe für all die nachhaltigen und innovativen Technologien für den globalen Norden, im Süden angefertigt werden. Menschenrechte, ökonomische und nachhaltige Aspekte werden hierbei natürlich aus den dreifach verglasten Fenstern geworfen.
Neue Technologien, alte Probleme
Während grüne Technologien in der Nutzungsphase im Vergleich zu herkömmlichen Technologien ohne Rohstoffe auskommen, haben sie in ihrer Herstellung einen deutlich höheren Rohstoffbedarf. Windkraft, Solarenergie und Elektromobilität sind unabdingbar in dem Plan, die globale Erderwärmung auf unter zwei Grad Celsius zu beschränken. Kobalt aus der Demokratischen Republik Kongo, wo Menschen für Akkus sterben, Seltene Erden aus China oder Lithium aus Südamerika, die bereits seit Längerem im Fokus der Öffentlichkeit stehen, die Gewinnung von Graphit sowie von Grundmetallen wie Eisen, Kupfer und Aluminium verursachen eine Reihe von sozialen und ökologischen Problemen in den Abbauländern in Indien und weiten Teilen Guineas. Facing Finance kommt in ihrer Studie “Neue Technologie, alte Probleme” zu dem Schluss, dass fast alle Rohstoffe, die für grüne Technologien benötigt werden, konfliktbehaftet sind. Auf dieses Ergebnis kam auch die Studie „Human Rights in Wind Turbine Supply Chains.” Sie untersuchten die größten Hersteller*innen von Windkraftanlagen in Bezug auf ihre Lieferkettenverantwortung und entdeckten, dass diese es versäumen, sowohl wesentliche Risiken in ihren Rohstofflieferketten zu identifizieren, als auch entsprechende Regelungen zu erlassen, damit Menschenrechte in der Beschaffung der Rohstoffe eingehalten werden. All das für die Umwelt, versteht sich.
Lösungen für die Umweltkrise kommen nicht in Form einer Batterie – sie kommen in Form von Gerechtigkeit, Wiedergutmachung und Gleichheit.
Die Lösung ist eine Dekolonialisierung der Wirtschaft
Der Klimawandel unterscheidet nicht zwischen Verursacher*in und Verschmutzer*in. Leider. Wenn es so wäre, würde der Diskurs ganz anders verlaufen. Wenn beispielsweise CO2-Schulden vererbbar wären, wie Malcolm Ohanwe es auf Bento fordert. Was natürlich ein spannendes, aber romantisierendes Gedankenspiel ist. Grüne Technologien sind auf bestimmte Minerale und Metalle angewiesen, deren Gewinnung häufig mit Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzung im Zusammenhang stehen. Ist das der Preis für die Rettung des Klimas? Oder wird uns das einfach nur so verkauft? Endet Gerechtigkeit beim eigenen nachhaltigen, autarken, solarenergie betriebenen sowie plastikfreien Eigenheim? Es ist eine never-ending Story. Das ultimative Wirtschaftswachstum hat uns nun in diese Situation gebracht, diejenigen, die darunter litten, müssen es heute ausbaden und so weiter und so weiter, die nachhaltigen Ideen sind wieder der selbe Salat nur in grün. Was wir wirklich brauchen ist eine Dekolonialisierung der Wirtschaft.
Ciani
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