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ROSAMAG ist ein Online-Lifestylemagazin, dass afrodeutsche Frauen und Freunde informiert, inspiriert und empowert. ROSAMAG porträtiert die facettenreichen Lebenswelten der modernen schwarzen Frau. Von natürlichen Pflegetipps für Afrolocken, inspirierenden Interviews, mitreißenden Kommentaren und beflügelnden Reportagen - Wir zelebrieren afrodeutsche Frauen! Wir möchten Vorbilder schaffen und unsere Diversität zeigen.

    A Ball of Truth

    Fotocredit: Latifah Cengel

    „Ist Stricken ein Schwarzes Ding? Nur für den Fall, dass sich diese Frage überhaupt noch stellt – und ich hoffe doch, dem ist nicht so – Ja! Stricken ist ein Schwarzes Ding, weil es ein Ding ist, das Schwarze Menschen tun,“ schreibt unsere Autorin Monika Odum. In ihrer ersten Kolumne aus der neuen Reihe #FuckBlackExcellence beschäftigt sie sich mit den weichen Dingen des Lebens: dem Stricken und seiner Bedeutung für sie persönlich und für Schwarze Menschen weltweit.

    Den Faden aufnehmen

    Seit ein paar Jahren ist Stricken wieder en vogue und jede Person, die etwas auf sich und ihren Slouchy Beanie hält, hat so einen schon selbst gestrickt oder zumindest den Versuch unternommen und dabei ein UFO (Unfinished Object) produziert.
    Strickcafés waren in der Prä-Panorama-Panini-Pandemonium-Paradiesapfel-Ära, als wir alle noch ungeniert den Nähe-Distanz-Bereich unserer jeweiligen Gegenüber überschreiten konnten, ein kuscheliger Meeting Point in den größeren Städten und ziemlich beliebt. (Note: Ich vermisse das nicht. Seit „Roni“ hat niemand mehr den Versuch unternommen, meine Haare einer haptischen Prüfung zu unterziehen and I appreciate)

    Auf dem Land haben unsere Großmütter, Großtanten und Nachbar*innen schon seit ich denken kann konspirative Handarbeitscovens gehabt. In einem solchen durfte yours truly übrigens erfahren, dass Antirassismus keine Frage des Alters oder der sozialen Herkunft ist, sondern eine Frage der inneren Haltung. Ich habe meine Mutter dorthin begleitet – zugegeben, zunächst sehr unwillig und nölend – mich aber schnell von der Wolle, dem Nadelklappern und der Liebe der anwesenden Stricker*innen einwickeln lassen. Diese Strickmeetings hatten keinen flashy Namen, sondern hießen sehr profan „Handarbeitsgruppen“ und wurden nur im wöchentlichen Kirchenblättchen geteilt.

    Ja, ich bin so ländlich aufgewachsen und möchte an dieser Stelle allen meinen Diaspora-Landeiern, Country People und Farmer Fierce Friends zurufen: don’t be ashamed. Wir wissen vielleicht nicht auf Anhieb, wie ein U-Bahnnetz funktioniert und wie wir mit 14 in Clubs kommen, aber Scheiße noch mal, wir basteln einen provisorischen Grill aus einem Stück Weidezaun und einem Paar Rundstricknadeln in no time.

    Black Madonna und Zwischenräume

    Kurze Zeitreise…es waren die späten Siebziger, es gab noch Telefone mit Wählscheiben (in Grün oder creme), die Gesetzeslage war noch mehr an dem Wohlbefinden von White supremacy orientiert als heute (fragt nicht) und ich saß brummig, meine Strickliesel (googelt das) in den Händen haltend, neben meiner Mutter in der Handarbeitsgruppe.

    „Gib’ dat Klütt (der Kleinen) doch mal ein Paar richtige Nadeln, die langweilt sich doch“. Unsere Nachbarin, Tante S. sah mich und meine Kinderspielzeugmisere und zog mich an sich. Ich versank in ihrer warmen, nach Buttercreme, Haselnusskrokant und Tosca duftenden Umarmung und fühlte mich verstanden. Sie gab mir erst einen Kuss auf den Kopf, dann ein Stück Kuchen und dann ein paar Stricknadeln und ein Knäuel Wolle.
    Ich setzte mich auf ihren Schoß und lernte stricken. Meine Mutter und alle anderen Frauen gaben ihres dazu und so hatte ich den unglaublichen Luxus, mir aussuchen zu können, wessen Methode am besten zu mir passte. Keine der Anwesenden hatte Angst, dass ich mir mit den Nadeln die Augen ausstechen könnte, so selbstverständlich wie ich mit scharfen Messern hantieren durfte, so selbstverständlich wurde mir auch hier zugetraut, die Metallungetüme in den Griff zu bekommen.

    Die Frauen waren Kinder ihrer Zeit und dementsprechend rassistisch sozialisiert. Dennoch hatten sie sich in diesem Kreis einem Raum und eine Zeit geschaffen, in dem Platz war für einfach alles. Hier mussten sie weder Hausfrau noch Mutter noch Schwiegertochter noch gläubig oder gehorsam sein. Mit dem, was ihnen zur Verfügung stand, konnten sie hier ihrer Kreativität Ausdruck verleihen. Ich glaube, diese Möglichkeit, sich frei auszudrücken, Muster zu entwerfen, Kleidungsstücke zu fertigen, Interior zu gestalten und dabei den Kuchen zu essen, den sie zu dieser Gelegenheit einmal nur für sich gebacken hatten, ließ sie tiefer sehen. Hier wurden meine Haare nicht kritisiert, sondern bewundert und gemeinsam überlegt, wie sie denn mit den damals zugänglichen Mitteln am besten zu pflegen seien

    („Angela, nimm Öl und ein Ei, verquirl’ es und lass es einwirken. Dann nur ausspülen, zum Schluss mit Essigwasser. Und nass kämmen und flechten. Und lass’ sie nicht mit offen Haaren schlafen“. Hair game proper! Dass ich supergesundes hüftlanges Haar ohne Spliss und Knoten hatte, muss ich an dieser Stelle nicht erwähnen oder?)

    Hier war meine Hautfarbe nur insoweit von Belang, dass die Damen unisono zu dem Entschluss kamen, „dass die Muttergottes bei meiner Entstehung einen sehr guten Tag hatte“. Wenn ich von einer von ihnen berührt wurde, geschah dies ohne Agenda. Das fühlte ich einfach im Herzen. Sie fassten mich an, um mir die Marmelade vom Kinn zu wischen oder zu prüfen, ob ich auch nicht zu kalt „hatte“ oder zu verschwitzt war. Das mag heute wenig oder irrelevant erscheinen, damals war es das, was meine Kinderseele spüren musste, um gedeihen zu können. Stricken war für mich daher immer mit zu Hause sein, geliebt werden, gesehen werden und umsorgt werden verbunden.

    Moni Stricken

    Maschen fallen lassen…

    Dennoch verloren das Stricken und ich uns aus den Augen, weil ich … dazugehören wollte, zu den coolen Kindern und Stricken war sehr lange sehr uncool. Ist es bis heute bei einigen Personen noch. Generell ist mein Hang zu „altmodischen Dingen“ einigen Personen häufig zu „weiß“ oder „zu rückständig“ oder zu whatthefucksoever. Ich war mir lange Zeit selbst zu irgendwas, bis mir das zu blöd wurde und ich wieder zu stricken begann.

    …und wiederaufnehmen

    Es war alles wieder da. Das Zuhause – Gefühl und der Duft nach Buttercreme mit Krokant. Tosca und das Bild der Schwarzen Madonna, die im Handarbeitsstübchen des Pfarrgemeidehauses an der Wand hing und die Handarbeitsgruppe verehrte. Ich erlebte wieder die pure Freude, die entsteht, wenn die Nadeln leise klappern und durch deine Hände etwas entsteht, das wärmt, einzigartig ist etwas das perfekt ist oder auch nicht.
    Etwas, in das das Wissen vorangegangener Generationen eingewebt ist und deine eigene Trauer oder Freude des Momentes. Jedes selbst gestrickte Stück erzählt eine Geschichte und trägt einen Teil der Seele seiner Künstler*in in sich.

    Stricken kann beruhigen, ermutigen, verbinden (sprichwörtlich) und das Bewusstsein erweitern. Ich übertreibe nicht, denkt an alle die Geschichten, in denen die Protagonist*innen über die wiederholten Handlungen von Alltäglichem in Trance fällt und in eine andere Welt gelangt. No kidding here. Stricken ist ein Portal.

    Diaspora Pattern

    Ich dachte, in der Black Community stehe ich allein da mit meiner Leidenschaft. Heute weiß ich, das anzunehmen, war fast schon lächerlich. Harriet Tubman und Sojourner Truth waren zum Beispiel versierte Strickerinnen. Ich kann nicht sagen, wie oft ich das Bild von Sojourner Truth angesehen habe, das sie an einem Tisch sitzend mit Brille zeigt, bevor mir das Strickzeug in ihrem Schoß auffiel. Lange war ich zu beschäftigt damit mir einzureden, dass Stricken das Überbleibsel meiner romantisierten weißen Sozialisierung sei und es daher unsolidarisch meinen Geschwistern gegenüber sei, das gut zu finden. Wäre ich einfach dem Vibe treu geblieben, den mein Herz mir vorgesungen hat und der Stimme, die die scheinbaren Widersprüche in mir zu einem Ganzen zusammenfügt, dann wäre mir das Strickzeug schon eher aufgefallen. Auntie advice: Falls ihr auch so einen Traum im Herzen habt, euch aber nicht traut ihn zu leben, weil Ihr denkt, das würde euch weniger authentisch machen ….denkt noch mal nach. Authentizität ist etwas, was euer Herz euch sagt, nicht etwas, was ihr according to other peoples opinions kursieren müsst, um dazuzugehören oder „echt“ zu sein. „Echt“ sein zu wollen ist so eine uralte Wunde der Diaspora, die heilt, wenn ihr mit Mitgefühl auf Euer Herz hört. Es gibt keine Zufälle und eure Existenz ist schon mal gar keiner, Ihr Schönen.

    Knitting and the Black Wave

    Natürlich sind wir auch beim Stricken marginalisiert und zu Statist*innen degradiert.
    Natürlich sind wir auch hier wenig sichtbar oder sollte ich sagen: Wir waren es bis Januar 2019. Zu diesem Zeitpunkt wurden auf Instagram zum ersten Mal in größerem Rahmen die Themen Diversität und Inklusion in der Strickcommunity angesprochen. Adella von Lola Bean Yarns bezeichnet in Ihrem Interview mit dem PomPom Magazine (extrem!! lesenswert!!) die Zeit als die „Black Wave.“ Etwas später, nach George Floyds Ermordung, wurden dann erneut die Perspektive derjenigen erweitert, die sonst eher auf ihre Cable Knit Close Ups fixiert waren und von der realen Welt jenseits des Strickponyhofes nichts wissen wollten, um den Pseudofrieden nicht zu stören. Nun verhält es sich mit Pseudofrieden wie mit billiger Acrylwolle – sie ist vielleicht auf den ersten Blick nett anzusehen, sobald du aber näher mit ihr in Berührung kommst, sträubt es dir dauerhaft die Haare. Schwarze Stricker*innen berichten in vielen Interviews über ihre Existenz in der Strickcommunity vor und nach 2019 und im Grunde bildet sich in der Strickcommunity ab, was auch in anderen Bereichen passiert – die Sichtbarkeit wird größer. Ich hoffe, dass insbesondere Betriebe wie Lola Bean Yarn oder The Farmer’s Daughter davon profitieren können, denn ihre Farbgenialität und Kunst ist nicht von dieser Welt.

    Am Anfang war die Faser

    Schwarze Menschen waren schon immer hands on Fiber. Der Mutterkontinent hat legendäre Traditionen hinsichtlich Färberei, Couture, Stoffdruck und Weberei, das ist nichts Neues. Das Wissen um Garne, Stoffe, jedwede Rohstoffe, textiles Arbeiten haben im positiven wie im negativen Sinne Berühmtheit erlangt. Dabei fanden die Geschichten, die von unserer unzerstörbaren Kunst in all ihren Facetten erzählten, oft wenig Beachtung. Meist lag der Blick in Vergangenheit vor allem auf unserer Ausbeutung. Wir erleben hier gerade einen einzigartigen Wandel. In allerbester Tradition, die initiiert, die Community pflegt, orales Wissen weitergibt und zu Neuschöpfung ermutigt, entstehen Strick-Podcasts, Artikel, Local und Online Yarns Stores. Mein Eindruck ist, dass sich indigenes, ländliches Wissen irgendwie immer seinen Weg bahnt, sich mit neuem verbindet und Altes bewahrt. Dieses Wissen ist zudem in der Lage, das Umfeld, in dem Kunst geschieht mit zu transportieren und es zum Teil des eigenen Lebens zu machen.

    Das Stricken kann auch eine politische Komponente haben, wie The Yarn Mission zum Beispiel zeigt. The Yarn Mission ist ein Strickkollektiv, das sich als Antwort auf die Gewalt und Polizeibrutalität in Ferguson gegründet hat. Sie nutzen Strickkunst, um eine gesellschaftliche Änderung herbeizuführen, die Rassismus, Sexismus und andere Systeme der Unterdrückung beendet. Durch das Stricken an öffentlichen Plätzen (prä- Covid) wurden Gelegenheiten geschaffen, das Gespräch zu eröffnen, sichtbar zu werden und auf diese Weise Änderung zu bewirken. Ich bin mir sicher, dass Sojourner Truth und Harriet Tubman in Spirit zustimmend nicken. Die Macht, die ein solcher Ansatz hat, ist für mich immens. Das zeigt, dass es nicht immer unbedingt die Riesenaktionen, die etwas verändern, sondern das auch das Stete, Kleine, sich wiederholende Wandel bringt, beim Stricken und bei der Entstehung einer lebenswerten Welt für alle.

    Because Joy

    Und ganz ehrlich: Nicht alles muss immer eine politische Komponente haben. There, I said it. Manchmal wollen wir uns auch einfach nur treffen, stricken, uns austauschen, einfach zusammensitzen und uns beispielsweise in die neuesten Schöpfungen von @oceanbythesea verlieben. Folgt Ihr auf Instagram. Sie bietet Heaven in Fiber.

    Danke auch an:
    Ocean Rose von @oceanbythesea
    Adella Colvin von @lolabeanyarnco
    Safyyah von@drunkknitter
    GG vin @ggmadeit
    Shala von @blackpurlmagic
    Dafür, dass es Euch gibt.
    Knit on.

    Monika Odum

    Monika

    Monika (50) hat mit 14 beschlossen, Krankenschwester zu werden und ist dies bis heute. Wenn sie nicht gerade angehende Kolleg*innen unterrichtet oder auf der Intensivstation arbeitet, ist sie das love child von Mutter Erde, Umarmerin von Bäumen und eine witch (womxn in total control of herself). Ihr Lieblingswort ist „und“, denn sie glaubt an die Räume zwischen hier und dort. So heißt auch ihr Blog, The Space In Between, denn sie schreibt für ihr Leben gern. Sie liebt, als würde sie es so meinen, backt Brot, weil das Alchemie ist, redet mit Tieren, Pflanzen und den Elementen, weil sie es kann und ist ihr eigener sacred space. Meistens.

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