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Black & Queer? Das gibt’s bei uns nicht!

Jenner Hendrixx ist Influencerin, Model, Zugbegleiterin, Rapperin, TikTok-Star und seit diesem Jahr auch Autorin. In ihrem Essay in „Schwarz wird großgeschrieben“, schreibt sie über ihr Aufwachsen als Schwarze trans Frau in Deutschland. Sie spricht von der Diskriminierung, die sie durch weiße, sowohl Schwarze Menschen erlebte und darüber, wie sie ihren eigenen Weg fand. Einen Auszug aus Jenners Kapitel „Black & Queer? Das gibt’s bei uns nicht!“ stellen wir euch hier vor.

Ich bin durch meine extrovertierte Art aufgefallen. Nicht immer positiv. Damals hatte ich noch nicht die Möglichkeit, meinen Weg als Frau zu gehen. Ich konnte noch keine weiblichen Hormone nehmen. Dadurch wurde ich von der Gesellschaft als männlich gelesen. Außer von meinen Freund*innen natürlich. Die wussten schon immer, dass ich Beyoncé bin! Mit meinen schlanken 1,75 Meter und den kurzen schwarzen Haaren lief ich mit einer hautengen Röhrenjeans oder Leggings durch die Altstadt Spandau in Berlin. Meine Boss Bitch Attitude durfte natürlich nicht fehlen! Meine Freundinnen waren nur Mädels, so alt wie ich. Meine Girls! Wir lästerten über die Jungs aus meiner Schule, weinten zusammen, weil unser Crush uns nicht wollte – der alltägliche Struggle wie in jeder Pubertät. Die Jungs beneideten mich, weil ich fast jedes Mädchen kannte. Manche Mädchen mochten mich nicht. Sie fühlten sich durch mich bedroht. Ich konnte meine Meinung äußern, sie nicht.

»Ihr könnt mich verprügeln und so stark hassen, wie ihr wollt, aber meinen Style könnt ihr niemals toppen, bitches!«

Mein Bezirk war ein »sozialer Brennpunkt«. Gleichzeitig aber nicht dafür bekannt, besonders divers aufgestellt zu sein. Dementsprechend waren dann auch die Blicke, wenn ich durch die Altstadt lief oder die Schule betrat. Sie rollten mit ihren Augen, schauten mich abwertend, teilweise aggressiv an. Dabei ging mir nur ein Satz durch den Kopf: »Ihr könnt mich verprügeln und so stark hassen, wie ihr wollt, aber meinen Style könnt ihr niemals toppen, bitches!«

Sobald ich meine Schule betrat, hatte ich meine Kopfhörer griffbereit und Destiny’s Child hauchten mir »Lose my Breath« in die Ohren. Ich fühlte mich wie Beyoncé. Unbesiegbar. Bis plötzlich die beliebte Mädels-Clique aus unserem Kiez auf mich zukam. Ich nannte sie: die Bitches aus Girls Club. Die Clique bestand aus drei Schwarzen Mädchen. Sie hatten alle gebleichte Haut – lang lebe Carolight – und ihre Kunsthaarperücke glänzte so sehr, dass sie sogar aus weiter Entfernung Unfälle verursachten. Sie sahen es als ihre Aufgabe, zu bestimmen, ob du Teil der Black Community bist und wie du als Schwarze Person zu sein hast.

Sie waren nicht nur unter uns Schwarzen beliebt. In der weißen Schulhierarchie waren sie auch ganz weit oben. Das lag daran, dass sie nicht zu Schwarz waren. Ein wenig spicy, aber nicht zu viel. Sie waren vorzeigbar und versprühten einen leichten Hauch »Exotik«. Sie waren weiß und Schwarz. Somit kam die Clique der gesellschaftlichen Norm am nächsten. Daraus zogen sie ihre Macht. Mit ihren schlanken Körpern, ihren mixed Hautfarben und ihren glatten Haaren sahen sie sich als Autorität.

Jedes Mal, wenn ich ihnen auf dem Schulflur begegnete, wurde aus der Beyoncé in mir ganz schnell eine Michelle Williams. Mein Selbstbewusstsein und meine Stärke verschwanden. Sie machten mich in meinem eigenen Film zur Nebenrolle. Nur war das mein echtes Leben. Sie begutachteten mich. Ihr Blick ging von oben nach unten und dann riefen sie mir hinterher: »Du bist nicht Schwarz!« Oder: »Deine Familie muss ja mega stolz auf dich sein.« Und wenn sie ganz gut drauf waren und sich am Morgen nicht an ihrem Glätteisen verbrannt hatten, kam ein: »Du bist eine Schande für die Black Community.« Sie machten mir die Schulzeit zur Hölle.

Jenner Hendrixx

Letztes Jahr sprach unser:e Redakteur:in Latifah mit Jenner unter anderem über ihre TikTok-Karriere.

Die Girls Clique veränderte meine Sicht aufs Schwarzsein. Je öfter sie mir hinterherriefen, desto mehr wünschte ich mir, nicht Schwarz zu sein. So wie bei jeder anderen cis-Person kam der alltägliche Rassismus obendrauf. Schüler*innen riefen mir das N-Wort hinterher oder sangen: »Wer hat das Gras weggeraucht, der N****, wer rammt dir den Sch*anz in den Bauch, der N****.« Ich war 13 Jahre alt. Schwarz und trans. Du kriegst es von allen Seiten ab. Auf der einen Seite von anderen Schwarzen Menschen, die dich diskriminieren, weil du ihrer Norm nicht entsprichst, und auf der anderen Seite wirst du von der Gesamtgesellschaft nicht akzeptiert und rassistisch behandelt. Eine ganz normale Pubertät.

Ich war schon immer eine Frau. Für mich. Für die anderen nicht – auch nicht für meine Familie.

Der Gang zur Kirche war damals noch anstrengender. Jeden Sonntag dasselbe. Alle brezelten sich auf und holten das Beste aus sich heraus. Die Kirche war nie zum Beten, sondern zum Tratschen da oder um Gerüchte zu verbreiten und vor allem, um anzugeben. Es war die Met Gala für alle Schwarzen Familien in meiner Gegend. Sobald man den Raum betreten hatte, sah man sie alle mit ihren Markentaschen, Gürteln, ihrem glänzenden Goldschmuck, gehüllt in die teuersten afrikanischen Textilien auf ihren Stühlen sitzen. Das Ziel war es, die anderen zu übertrumpfen. Da konnte ich mit meinen Leggings nicht mithalten.

Ich war schon immer eine Frau. Für mich. Für die anderen nicht – auch nicht für meine Familie. Dabei war es offensichtlich, dass ich dem weiblichen Geschlecht angehöre. Das wurde unter den Teppich gekehrt. Also musste ich jeden Sonntag ein Kostüm anziehen. Mein Kompromiss war, dass ich den Billie-Eilish-Style rockte. Ich ging mit weiter Kleidung zur Kirche. Wie in jeder anderen Kirche wurde gebetet, gesungen und aus der Bibel gelesen. Das waren jetzt nicht diese fancy Kirchen wie aus Filmen. Meist wurden Räume mit knapp 30 nebeneinander stehenden Stühlen angemietet. Vorne wurde das Pult für den Priester aufgestellt und daneben die Musikanlagen mit Gitarrenverstärker, Schlagzeug und Mikrofonen. In der Kirche waren hauptsächlich Schwarze Personen. Nicht dass andere nicht willkommen gewesen wären, aber es war nun einmal so.

In der Kirche gab es natürlich auch Cliquen. Die Elite war die Familie des Priesters. Sie bleichten ihre Gesichter und dachten, man sehe es gar nicht. Sie tratschten gerne. Ich gab jedes Mal mein Bestes, um nicht aufzufallen. Das klappte nicht immer. Dann hieß es: »Du tanzt ja wie eine Frau! Bist du schwul?« Obwohl ich mich immer zurückhielt. Ich bewegte meine Hüften kaum. Trotzdem hatten sie immer irgendetwas an mir auszusetzen. Sie waren mir alle fremd. Weder war ich mit ihnen verwandt noch auf eine andere Weise verbunden. Trotzdem dachten sie, sie könnten mir sagen, ich solle mich maskuliner benehmen und bewegen. Es gehört sich nicht, so zu sein, wie ich mich gab.

Die Leute aus der Kirche und die Bitches aus Girls Club hatten eines gemeinsam: Sie wollten mich verändern. Sie akzeptieren mich nicht. Einerseits war es Neid. Ich lebte mein Leben so, wie ich wollte. Sie nicht. Vielleicht lag es auch an dem Schmerz, den sie selbst spürten. Als Schwarze Person erlebt man so viel Hass. Wollten sie ihn an mich weitergeben? Als Unterdrückte unterdrücken…

 

In „Schwarz wird großgeschrieben“, könnt ihr nicht nur die Fortsetzung von Jenners Geschichte lesen, sondern auch in die Lebensrealitäten von 19 weiteren Schwarzen FLINTA* eintauchen. Das gibts auf der Webseite des &Töchter Verlags.

Schwarz wird großgeschrieben

Jenner Hendrixx

Jenner

Jenner Hendrixx (she/her), geboren 1996, Influencerin, Model und Zugbegleiterin, macht sich auf Social Media für die LGBTQ+ und Black Community stark. Früh merkte sie, dass sie im falschen Körper geboren ist. Mit 15 Jahren zog sie von zu Hause aus, um ihren Weg als trans Frau zu gehen. Mit 18 Jahren begann sie eine Hormontherapie, mit 22 Jahren folgte die geschlechtsangleichende Operation. Mit Videos und Interviews will sie andere Menschen erreichen, die in derselben Situation sind, wie sie es mal war, um sie zu empowern. Außerdem ist sie bei der Modelagentur uns* unter Vertrag.

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