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Cassandra

Cassandra Steen: „Rassismus und Sexismus sind überall in der Gesellschaft ein Problem, auch in der Musikbranche“

Fotocredit: Simon Stoeckl

Im Gespräch mit Sängerin Cassandra Steen

Mit ihrer Band Glashaus und Songs wie „Haltet die Welt an“ und „Wenn das Liebe ist“ wurde Cassandra Steen Anfang 2000 deutschlandweit bekannt. Gemeinsam nahm das Trio, bestehend aus der Stuttgarterin, Moses Pelham und Martin Haas, drei erfolgreiche Alben auf. Nach der vorläufigen Trennung machte Cassandra Steen als Solokünstlerin weiter. Ihrem Erfolg tat das keinen Abbruch. Lieder wie „Darum leben wir“, „Stadt“ und das dazugehörige Album konnten sich ganz oben in den deutschen Charts platzieren. 2011 veröffentlichte sie dann ihr drittes Soloalbum „Mir so nah“.

Trotz der Erfolge blickt die Sängerin manchmal wehmütig auf ihre mehr als zwanzigjährige Karriere zurück. Zu oft habe sie sich früher von anderen Menschen in eine Rolle reindrängen lassen. Heute ist das anders, wie die Künstlerin selbst erzählt. 

Im Gespräch mit RosaMag stellt die US-Amerikanerin ihr neuestes Album „Der Weihnachtsgedanke“ vor. Außerdem spricht Cassandra über den Rassismus, Sexismus und die kulturelle Aneignung in der deutschen Musikbranche und verrät, was sie anders machen würde, wenn sie die Chance hätte, noch mal neu anzufangen.

Cassandra, gerade hast du Der Weihnachtsgedanke veröffentlicht. Warum hast du dich für ein Weihnachtsalbum entschieden?

Ich liebe Weihnachten. Diese ruhige, liebevolle Zeit mit der Familie, in der man die Batterien wieder aufladen kann. Die Leute reagieren immer ganz verwundert, wenn ich ihnen das sage, weil sie das Fest in Deutschland oft mit Familienstreitereien verbinden. Bei den Amis gibt es aber vorher noch Thanksgiving. Da werden die Unstimmigkeiten schon abgehakt. An Weihnachten selbst herrscht dann Frieden und Ruhe. Man hat sich ausgequatscht, angeschrien und jetzt kann man wieder beieinander sitzen mit seinen Liebsten. Deswegen liebe ich Weihnachten. Da schließt sich der Kreis.

Du bist seit über 20 Jahren in der deutschen Musikbranche unterwegs, hast mit Glashaus und als Solokünstlerin große Erfolge gefeiert. Wie schaffst du es, dich immer wieder aufs Neue zu motivieren?

Immer wenn ich an einen Punkt komme, an dem ich zweifel, ob ich wirklich für diese Industrie gemacht bin, passiert etwas, das mein Herz schneller schlagen lässt und mich daran erinnert, warum ich überhaupt begonnen habe: aus einer tiefen Liebe zur Musik. Darum geht es mir. Das ist mein Ansporn.

Musik ist für mich aber mehr als nur Entertainment. Ich muss mich nicht plakativ auf sämtlichen Portalen anbieten, die nichts mit Musik zu tun haben, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Wenn ich meine Zeit damit verbringe, Dinge zu tun, die mich nicht wirklich interessieren, fällt die Musik zu kurz. Auch wenn es natürlich Entertainer:innen gibt, die erfolgreich Musik machen. Das Problem ist, dass viele Künstler:innen sich davon beeinflussen lassen und das nachahmen. Dabei stirbt die Magie, die Musik ausmacht.

Wie zeigt sich das?

Wenn ich heute das Radio anschalte, klingt alles gleich. Das ist furchtbar. Das soll nicht heißen, dass wir früher unbedingt bessere Musik machten, aber es war vielfältiger. Es gab mehr Menschen, die wussten, wie man musiziert und eigene Texte schreibt. Dafür hat es keine zehn Leute gebraucht. Heute ist das manchmal so ein Riesenaufmarsch ins Nichts, ganz viel heiße Luft.

Liegt das daran, dass Artists heute alle die gleiche Musik machen, oder bekommen die Künstler:innen, die etwas anderes machen, nicht die Chance, sich zu zeigen?

Das geht momentan in beide Richtungen. Künstler:innen, die sich anpassen, gehen genauso unter wie die, die sich nicht anpassen. Es macht keinen Sinn. Wenn du beschließt, in deiner Kunst Kompromisse einzugehen und dann damit Erfolg hast, bist du in einem Zwiespalt. Irgendwie gibt dir der Erfolg ja recht und bestärkt dich in dem Weg, den du gegangen bist. Das ist für Musiker:innen ein innerer, menschlicher Kampf.

Erinnerst du dich an einen Moment, der dich ins Business zurückgezogen hat, obwohl du eigentlich gar keine Lust mehr hattest?

Die Zusammenarbeit mit Disney für Küss den Frosch war auf jeden Fall eins meiner absoluten Highlights. Auch mit Kolleg:innen zusammenzuarbeiten und Musik zu machen, motiviert mich immer wieder aufs Neue. Das ist ein ganz anderer Austausch. Dabei kommst du der Musik als Künstler:in nochmal anders näher.

Cassandra-Steen

Fotocredit: Simon Stoeckl

Du bist und warst für viele Schwarze Mädchen auch ein Vorbild. War dir das in deiner Karriere immer bewusst?

Das war mir tatsächlich lange nicht so bewusst, weil ich diese Mädchen nie gesehen habe. Bis zu einem Konzert, bei dem welche in der ersten Reihe standen. Du siehst dann diese großen Augen, die dich nochmal ganz anders ansehen. Da ist es mir klar geworden. Da habe ich verstanden, dass ich aufpassen und darauf achten muss, dass ich authentisch und ein Vorbild bin. Für mich war das damals sehr schwierig.

Warum?

Die Suche nach mir selbst und meiner Musik verlief bei mir nicht so einfach. Man kann sich ja auch selbst gut Steine in den Weg legen. Ich dachte, ich müsste funktionieren, brav sein, bloß nicht auffallen. Menschen haben immer versucht, mich in etwas hineinzudrängen. Irgendwann habe ich aufgegeben, für das zu stehen, was ich wollte. Vielleicht habe ich es vergessen, vielleicht habe ich es auch unterdrückt. Das kann ich niemandem empfehlen, war aber mein Weg. Es hat seine Highlights gehabt, die für mich aber trotzdem kein Grund waren, so weiterzumachen. Heute halte ich meine Klappe nicht, würde eher fünf Minuten länger rumschreien, wenn ich weiß, dass ich eigentlich im Recht bin. Ich bin inzwischen selbstbewusster geworden, was mich und meine Musik angeht, auch wenn das Kompromissdenken immer noch manchmal mitschwingt. Dieses Wachstum kam aber mit der Zeit.

Hattest du es als Schwarze Frau in der Industrie da nochmal schwieriger?

Bei uns schwingt ja immer noch mehr mit. Dieses Gefühl, dass wir eigentlich nicht hierher gehören, die unterschwellige Bestätigung, dass wir nicht gut genug sind. Das gefällt mir nicht. Rassismus und Sexismus sind überall in der Gesellschaft ein Problem, auch in unserer Branche. Auch dort wird uns demonstriert, dass wir kein Anrecht haben auf Menschlichkeit. Ich renne nicht rum und sage, dass nur Schwarze Menschen singen können. Trotzdem auch Kultur macht Musik aus und sehr viel davon stammt von dem dunkelhäutigen Teil der Gesellschaft. Diese Credits werden einfach nicht gegeben. Es wird geklaut und abgeguckt. Du kannst eine “helle” Version von einem Lied haben und 500 dunkelhäutige Versionen, die auch besser klingen, besser wirken, noch authentischer sind. Letztere werden nie gehört. Das meine Damen und Herren ist Rassismus.

Fotocredit: MariaPoursanidou

Du hast gesagt, dass du inzwischen selbstbewusster bist, auch im Umgang mit dem Sexismus und Rassismus in der Branche?

Der Anspruch an mich selbst ist in der Richtung sehr hoch. Auch weil ich weiß, dass es viele Kinder verschiedener Nationalitäten in Deutschland gibt, die Vorbilder in der Branche brauchen in Bezug auf die Menschlichkeit und von mir aus in dem Fall auch die Weiblichkeit. Menschen, die wirklich unapologetic sind.

Das heißt nicht, dass ich mit der Axt irgendwo alles kaputt schlagen muss. Wenn dir aber jemand wehtun möchte, dann darfst du dich auch wehren. Egal, wie das von anderen aufgefasst wird oder mit welchem Stigma sie dich belegen. Auch wenn es dann beispielsweise heißt: ‘Typisch, dass ihr gleich körperlich angreift. Ihr seid halt so’.

Ruhig und besonnen hat uns auch nicht wirklich weiter gebracht.

Die Mischung machts. Weder das eine noch das andere Extrem wird helfen. Es liegt auch an uns zu wissen und uns daran zu erinnern, was richtig und was falsch ist. Wenn mir aber jemand ins Gesicht schlägt, dann schlag ich zurück, das ist überhaupt keine Frage. Da gibts keine Diskussion. In den USA wird das wahrscheinlich auch nötig sein. Ich meine entweder das oder wir werden umgebracht. Das zu verleugnen, übersteigt die Grenze der Ignoranz.

Als sogenannte Quotenschwarze darf man sich und sein Schwarzsein dann ja auch oft erklären.

Das ist eine Form von Ignoranz, von der ich in Interaktionen einfach ausgehen muss, weil jemand blaue oder grüne Augen hat und ich frage mich, warum? Rassismus passiert doch vor unser aller Augen. Vielleicht spreche ich nur für mich, aber ich muss nicht erst alles durchgehen, um es zu verstehen. Da hinterfrage ich dann die Menschlichkeit der Fragenden. Sie halten sich an irgendwelchen Geschichten oder Hoffnungen fest, anstatt die Realität so zu sehen, wie sie ist.

Wenn du deine Karriere nochmal zurückdrehen könntest und die Möglichkeit hättest, in der deutschen Musikbranche zu machen, worauf du wirklich Bock hast. Welchen Weg würdest du gehen?

Ich würde mehr nach meinem Herz gehen und weniger nach der der Arterie der Industrie. Wahrscheinlich würde ich mehr englischsprachige Musik machen oder das zumindest aufteilen. Es gibt genügend Leute, die mich aus englischsprachigen Ländern ansprechen und sagen: Wir verstehen zwar kein Wort, aber wir wissen, wer du bist und lieben die Musik. Ich wünsche mir, dass mehr Leute meine Musik auch in Worten verstehen können.

Cassandra Steen

Fotocredit: Simon Stoeckl

Wo kommt der Bezug zum Englischen bei dir her?

Für mich mein Großvater mein größter Bezugspunkt beim Aufwachsen und er ist US-Amerikaner. Wir haben immer englisches Fernsehen geschaut und lebten direkt neben einer Army Base. Er hat mich wahnsinnig beeinflusst, war mir am Nächsten. Mit ihm konnte ich mich identifizieren. Wir hatten die gleiche Hautfarbe. Er hatte die Afro Haare. Er kam aus einer ganz anderen Welt, der Zeit der Rassentrennung in den USA.

Was wir mit Number 45, mit Trump erlebt haben, war die 20/20 Edition von dem, was in der Zeit meines Großvaters abging. In den USA wird immer vergessen, warum wir überhaupt dort sind, wie wir da hinkamen. Nach dem Motto: Wer hat Angst vorm Schwarzen Mann?

Wir haben uns nicht hierher verschleppt. Wir haben nicht andere Völker ausgerottet. Wir haben diese Welt nicht fast dem Erdboden gleichgemacht. Da sind andere, hellere Hautfarben für zuständig. Das ist von denen auch ganz stolz geschichtlich abgelegt worden inklusive der Rechtfertigungen für ihr Handeln. Es gibt aber keine Rechtfertigung, Menschen auf ihre Sexualität oder auf ihre Hautfarbe zu reduzieren

Hast du einen Tipp für junge Schwarze Künstler:innen, wie sie die Industrie meistern können, ohne sich dabei zu verlieren?

Seid zu euch selbst so liebevoll, wie ihr sein könnt, egal, wer oder was euch begegnet. Sich in diese Branche zu integrieren, ohne sich dabei zu verlieren, ist schwierig. Es ist sehr wichtig für sich zu wissen, wer man ist, aber auch nicht das Gefühl zu haben, das ständig beweisen zu müssen. Man muss sich selbst dermaßen auf dem Schirm haben, dass man von außen nichts erwartet. Ihr habt wirklich alles, was ihr innerlich braucht. Es klingt kitschig, aber dieses Innere nach außen zu tragen, das ist die Herausforderung, ein Leben lang.

Wenn ihr könnt, stabilisiert euch finanziell! Ihr habt es leichter, wenn ihr unabhängig von der Branche seid. Meist bedeutet das aber nebenbei noch einer anderen Arbeit nachzugehen. Dabei kann die Kunst auch verloren gehen.

Auch sich selbst Grenzen zu setzen ist wichtig, damit man immer weiß bis hierhin und nicht weiter. Und sich selbst fragen, ob sich das Ganze lohnt. Kompromisse musst du wahrscheinlich sowieso machen, um irgendwo anzukommen. Dinge, die dich von anderen abheben, die du anders machst, könntest du in dem Prozess verlieren. Die meisten haben es verloren und eifern andern zu sehr nach, um Erfolg zu haben. Es ist unglaublich schwer, sich nicht beeinflussen zu lassen. Da braucht es viel Durchhaltevermögen.

Celia-Parbey

Celia

Celia macht derzeit ihren Master an der Humboldt Universität zu Berlin und arbeitet nebenbei als freie Autorin für verschiedene Online- und Printmagazine. Bei RosaMag kümmert sie sich um das Ressort Menschen und interviewt dafür spannende Schwarze Persönlichkeiten aus Deutschland und der Welt.

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