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    Djamila Böhm – „Ohne Ziele würde es mir schwerfallen, mich zu motivieren“

    Im Gespräch mit der 400 m-Hürdenläuferin Djamila Böhm

    Frauen werden im Sport oft zurückgestellt: Sie bekommen für die gleiche Leistung wie Männer meist weniger Geld und vor allem nicht das gleiche Maß an Aufmerksamkeit. Diese Tatsache reicht weit zurück: Bei den ersten Olympischen Spielen der Neuzeit im Jahr 1896 war die Teilnahme für Frauen untersagt. Zu dieser Zeit waren Mediziner der Auffassung, dass Sport die sogennanten weiblichen Fortpflanzungsorgane funktionsuntüchtig mache. Zum Glück sind diese Denkweisen Geschichte und Frauen aus dem Profisport nicht mehr wegzudenken. Doch Aufmerksamkeit und Wertschätzung für ihre Leistung bekommen Athletinnen noch immer nicht in dem Maße, in dem sie es verdienen.

    In ihrer Reihe: RosaMag x Sportgeflüster widmet sich unsere Redakteurin Amina deshalb Schwarzen Sportler:innen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Wie sah ihr Weg in den Leistungssport aus? Was ist ihre persönliche Motivation? Inwiefern engagieren sie sich über den Sport hinaus? Und welchen Herausforderungen mussten sie sich schon stellen? Diesmal mit der 400-Meter-Hürdenläuferin Djamila Böhm.

    Die Leichtathletik war nicht Djamila Böhms erste Wahl. Zu ihrer großen Leidenschaft, dem 400-Meter-Hürdenlauf, kommt sie über Umwege. Jahrelang steht bei der heute 26-Jährigen der Basketball im Mittelpunkt. Über die Mutter einer Freundin kommt sie zu der Ballsportart und wird direkt in das beste Team des Vereins gesteckt. Ihre große Stärke ist ihre Schnelligkeit. Djamila ist sehr athletisch. Ihr Trainer sieht viel Potenzial in ihr. Vier Jahre lang spielt sie beim TV Bensberg (heute Bergische Löwen), wird mit ihrem Team sogar Westdeutscher Meister und tritt bei den deutschen Meisterschaften an. Ihr gefällt der Mannschaftssport. Vielleicht wäre sie sogar beim Basketball geblieben, wäre da nicht das Sommercamp an der Sporthochschule gewesen: „Ich wurde dort und generell im Alltag öfter angesprochen und gefragt, ob ich nicht mal Leichtathletik probieren will, weil ich so einen super Laufstil hätte. Aber ich wollte eigentlich gerne einen Teamsport machen und dadurch fiel es mir am Anfang ein bisschen schwer“, erinnert sie sich. Djamila lacht viel und gerne, sie ist zielstrebig und sie will im Sport erfolgreich sein. In der Leichtathletik schätzt die Düsseldorferin ihre Chance das zu schaffen höher ein als beim Basketball. „Ich wollte unbedingt sehr gut sein und ich habe mir gedacht, dass ich in der Leichtathletik mehr erreichen kann. Das war dann eigentlich der Grund, weshalb ich die Sportart gewechselt habe“, erklärt die in Köln geborene Sportlerin.

    Foto: Andy Astfalck

    „Wenn du den Lauf geschafft hast, ist es ein richtiger Endorphin-Kick“

    Die Leichtathletik ist ein breites Feld mit vielen verschiedenen Möglichkeiten sich zu spezialisieren. Djamila entscheidet sich zügig für die 400 m-Hürden. Eine Disziplin, die nicht unbedingt die beliebteste unter den Leichtathlet:innen ist. Denn der 400 m-Langsprint ist auch ohne Hürden schon anspruchsvoll und braucht viel Durchhaltevermögen. Von den Sportler:innen wird gefordert über die eigenen Grenzen hinaus zu gehen. Die zehn Hürden über 400 Meter fordern zusätzlich noch ein hohes Maß an Koordination. „Mein damaliger Trainer beim TuS Köln Rechtsrheinisch hat mich verschiedene Sachen ausprobieren lassen. Und als ich dann Hürden gelaufen bin, hat er zu mir gesagt: ‚Das ist deine Disziplin, das kannst du am besten, das machen wir!‘. So wurde das eigentlich für mich entschieden, bevor ich wusste, was ich mir da antue“, erklärt Djamila und lacht. Der Sport ist zeitaufwendig, die 26-Jährige trainiert in intensiven Trainingsphasen gut neun Einheiten in der Woche. Aber auch wenn sie sich eine Disziplin ausgesucht hat, die von ihr jeden Tag ein anspruchsvolles Training abverlangt, ist sie sehr glücklich mit ihrer Wahl. „400 m-Hürden ist das, was ich am liebsten mache. Da kann so viel passieren, da ist alles mit drin. Und wenn du den Lauf dann geschafft hast, fühlst du dich supergut, das ist ein richtiger Endorphin-Kick“, schwärmt Djamila.

    „Ohne Ziele würde es mir schwerfallen, mich zu motivieren“

    Motivation ist ein großes Thema im Leistungssport. Ohne das richtige Mindset scheint es unmöglich, sich jeden Tag an die Grenzen der Leistung zu begeben, stetig daran zu arbeiten, besser zu werden und sich von Rückschlägen nicht unterkriegen zu lassen. Wie schafft es Djamila sich zu motivieren und jeden Tag ihr bestes zu geben? „Einmal natürlich, weil es mir Spaß macht. Ich freue mich selbst auf die harten Einheiten. Da kommt die Motivation von innen heraus. Und natürlich ist auch der Wettkampfgedanke im Hinterkopf: Wenn ich das jetzt schaffe, bringt mich das noch einen Schritt weiter zu einer neuen Bestzeit und zu einem super Lauf“, erklärt die Düsseldorferin. Die Zielsetzung ist dabei ein entscheidender Punkt, meint Djamila: „Ohne Ziele würde es mir total schwerfallen. Dann würde es auch bei mir kritisch werden, mich zu motivieren.“

    „Es wurde behauptet, ich würde mir selbst zu viel Druck machen“

    Djamila hat Erfahrung mit Rückschlägen gesammelt. Sich nicht demotivieren zu lassen, auch in schlechten Zeiten, damit musste sie umgehen lernen. 2013 steht ihre Leichtathletik-Karriere plötzlich auf der Kippe: „Meine damalige Bestzeit lag bei 60,66 Sekunden. Damit war ich für den Aufwand nicht zufrieden. Ich hätte eigentlich schneller laufen müssen. Zudem hatte ich auch das Problem, dass mir superschnell schlecht geworden ist und ich mich auch übergeben musste. Und das nicht, weil ich total am Limit gerannt bin, sondern schon bei der geringsten Anstrengung“, erinnert sich Djamila. „Für dieses Problem wurde damals keine Lösung gefunden. Es wurde behauptet, ich würde mir selbst zu viel Druck machen und es wäre Kopfsache. Was aber totaler Quatsch war und ich auch nicht geglaubt habe, weil ich eigentlich gerne unter Druck arbeite.“ Letztendlich führen die Magenprobleme so weit, dass Djamila der Leichtathletik vorerst den Rücken kehrt und pausiert. 

    Florian Kurrasch - Djamila Böhm

    Foto: Florian Kurrasch

    „Es lohnt sich auf jeden Fall weiterzukämpfen“

    Doch das Kapitel der Leichtathletik auf diese Art und Weise zu beenden, will Djamila nicht. Die Düsseldorferin nimmt sich ausreichend Zeit, um sich voll und ganz auf ihre Gesundheit zu konzentrieren. Im Jahr 2014 bestreitet sie keine Wettkämpfe und steht auch sonst nicht auf der Tartanbahn. Schließlich entschiedet sie sich dazu neue Wege mit einem neuen Trainer zu gehen. Gemeinsam mit Coach Sven Timmermann versucht sie, der Ursache für die Übelkeit auf die Schliche zu kommen. Ein Besuch beim Heilpraktiker bringt schließlich Klarheit: Es sind tatsächlich keine mentalen Probleme, die Djamila ausbremsen, sondern eine Nahrungsmittelunverträglichkeit. Dank einer konsequenten Ernährungsumstellung und dem zeitweisen Verzicht auf Milchprodukte und Gluten gelingt es ihr, das Problem in den Griff zu bekommen. „Ich kann es nur jedem ans Herz legen, sich nicht unterkriegen zu lassen, wenn es solche Probleme gibt. Es lohnt sich auf jeden Fall weiterzukämpfen“, fasst Djamila Böhm zusammen. Innerhalb von kürzester Zeit sind die Probleme Geschichte und Djamila feiert ein starkes Comeback. Ihre Leistung verbessert sich sprunghaft, die 100 Meter läuft sie plötzlich um eine Sekunde schneller. Ende 2015 schafft sie die 400 m-Hürden in 58,99 Sekunden. 2016 verbessert sie sich auf eine Zeit von 57,75 Sekunden und wird zudem deutsche U23-Meisterin der 400 m-Hürden.

    Olympia 2021 als größtes Ziel

    Djamilas größtes Ziel sind die Olympischen Spiele 2021 in Tokio. Eigentlich war dieses Highlight für 2020 geplant, aber durch die Corona-Pandemie wurde das Event ins kommende Jahr gelegt. Die Verschiebung und Absage sämtlicher Wettkämpfe im Frühjahr diesen Jahres und somit das Durcheinanderwirbeln aller Pläne, kam für Djamila sehr ungelegen: „Man war heiß, weil man super lange durchtrainiert hat. Ich persönlich hatte nicht mal eine Hallensaison. Ich war wirklich scharf darauf zu laufen, hatte Bock auf Wettkämpfe und auf schnelle Läufe in Spikes.“ Besonders darauf für Deutschland zu laufen, hätte sich Djamila sehr gefreut, da dies „natürlich auch noch mal einen großen Motivationsschub gibt.“, wie sie erklärt. Diese Erfahrung macht Djamila bereits während des World Cups 2018 und der Sommer-Universiade 2019 in Neapel. Dort belegt sie über 400m-Hürden sowie auch mit der 4-mal-400-Meter-Staffel den sechsten Platz. Aktuell liegt Djamila im bereinigten World Ranking auf Platz 41 – die besten 40 Athletinnen erhalten ein Ticket für Olympia 2021. Ihr Traum liegt also in greifbarer Nähe. Neben der Qualifikation für die Olympischen Spiele will Djamila unbedingt ihre Bestleistung steigern, die derzeit bei 56,54 Sekunden liegt. „Es ist mein Ziel die 400m-Hürden auf jeden Fall unter 56 Sekunden zu laufen, so dass endlich die 55 vor dem Komma steht. Meine Zubringerleistungen reichen alle dafür und deswegen ist es einfach an der Zeit, das jetzt endlich mal zu schaffen.“, resümiert sie. 

    „Es gibt auch Zeiten, in denen ich die Doppelbelastung ein bisschen verfluche“

    Djamilas bisher größter sportlicher Erfolg ist der Deutsche Meister Titel 2017, den sie mit einer Zeit von 56,92 Sekunden in Erfurt holt. Doch auch für ihre Karriere nach dem Sport arbeitet die gebürtige Kölnerin schon fleißig. Neben ihrem Vollzeitjob als Leichtathletin studiert Djamila. Ihren Bachelor legt sie 2018 ab, in Politikwissenschaften, Soziologie sowie in Medien- und Kommunikationswissenschaften an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf. Aktuell absolviert sie ihren Master an der Sporthochschule in Köln in den Fächern Sport, Medien und Kommunikationsforschung. Den Spagat zwischen dem Studium und dem Leistungssport erfolgreich zu meistern, ist eine Herausforderung. An der Sporthochschule Köln ist das für Djamila aber einfacher umzusetzen als zuvor an der Uni in Düsseldorf. „Trotzdem ist es manchmal schon hart. Ich versuche mir Hausarbeiten aber immer so zu legen, dass es vom Wettkampf- und Trainingsrhythmus her gut passt. Es kommt natürlich immer auf die Phase an. Manchmal ist es ganz gut zu handeln, aber es gibt auch Zeiten, in denen ich die Doppelbelastung ein bisschen verfluche, weil ich ganz knapp dran bin“, sagt Djamila.

    Andy Astfalck - Djamila Böhm

    Foto: Andy Astfalck

    Ein Podcast als Hobby 

    Ob beim Laufen, Abspülen oder Autofahren, Djamila hört sehr gerne Podcasts. Als sie ihrem Trainer Sven Timmermann im Frühjahr 2020 von einem ihrer Lieblingspodcasts erzählt, schlägt er vor, dass die beiden doch auch selbst einen Podcast starten könnten. „Wir haben dann einfach das Handy hingelegt, uns ein Thema überlegt und einfach drauflos geredet. Dann haben wir uns das angehört und befunden, dass man das hochladen könnte. Und so hat es eigentlich begonnen. Wir haben dann auch superpositives Feedback bekommen.“, erzählt Djamila und lacht. Der Sportpodcast heißt „Laberletik“ und behandelt vor allem aktuelle Themen in der Leichtathletik. Mittlerweile hat das Duo bereits acht Folgen veröffentlicht.

    „Ich bin sehr zufrieden, diese Saison mit dem deutschen Vize-Meistertitel versöhnlich abzuschließen”

    Nach ihrer Karriere als Sportlerin möchte Djamila als Auslandskorrespondentin zu arbeiten. Dafür sammelt sie als freie Redakteurin für die Lokalredaktion des Kölner Stadtanzeigers bereits erste Erfahrungen im Journalismus. Über den Sommer 2020 will Djamila eigentlich für ein Praktikum im ZDF-Auslandsstudio nach Paris gehen. Durch die Verschiebung der Olympischen Spiele und die Absage der Europameisterschaften in Paris passt dies zum angedachten Zeitpunkt leider nicht mehr in die Trainingsplanung der 26-Jährigen. Die Düsseldorferin plant spontan um und absolviert noch vor Beginn der deutschen Meisterschaften ein Praktikum bei der Deutschen Botschaft in Wien. Im August 2020 ist es dann soweit, die deutschen Meisterschaften finden in Braunschweig statt – wegen Corona allerdings ohne Zuschauer:innen. Djamila holt bei diesem Wettkampf mit einer starken Leistung und Jahresbestzeit von 56,63 Sekunden die Silbermedaille. „Durch die schwierigen Trainingsbedingungen und vor allem auch die fehlenden Wettkämpfe in diesem Jahr, bin ich sehr zufrieden, beim Saisonhöhepunkt trotzdem so nah an meine Bestzeit (56,54s) heran gelaufen zu sein und mit dem deutschen Vize-Meistertitel diese schwierige Saison versöhnlich abzuschließen“, fasst sie zusammen. Auch die durch Unsicherheit und viele Planänderungen geprägte Zeit der Pandemie hält Djamila nicht von ihrem Kurs ab: Sie ist flexibel und passt sich mit Erfolg an die Bedingungen an. Ihr Ziel hat sie dabei immer klar vor Augen und ihr Traum von den Olympischen Spielen in Tokio rückt dabei jeden Tag ein Stückchen näher. 

    Das komplette Interview mit Djamila Böhm könnt ihr auch als Podcast hören. Die Folge „Sportgeflüster” mit Djamila ist bei Spotify, Apple Podcasts, Podigee und überall sonst, wo es Podcasts gibt, zu finden. 

     

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    Amina

    Amina Ndao liebt Dokumentationen und Geschichten, die das Leben schreibt. Als Sportjournalistin tingelte die Nürnbergerin schon durch die Fußballstadien Europas, um bewaffnet mit einem Mikrofon die Stimmen des Spiels einzufangen. Sie brennt dafür, Kommunikation zu gestalten und studiert aktuell im Master PR und Unternehmenskommunikation. Dem Sportjournalismus bleibt Amina aber weiterhin treu: Im Februar 2020 hat sie ihren eigenen Interview-Podcast namens “Sportgeflüster” ins Leben gerufen. Dieser widmet sich den Gesichtern und Geschichten des Sports. Für RosaMag porträtiert Amina Schwarze Athletinnen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz: Sie lässt die Herzen der Sportlerinnen sprechen, gibt Einblicke in ihre persönliche Motivation und inspiriert Lesende dazu, neue Sportarten auszuprobieren.

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