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    Aminata_Touré

    Ein Satz machte Aminata Touré zur jüngsten & ersten Schwarzen Politikerin in Schleswig-Holstein

    Bild: Jan Gemkow
    Im Gespräch mit Aminata Touré 

    Die Politik hat ein Problem. Eigentlich mehrere. Frauen, junge Menschen und darüber hinaus Personen mit einem sogenannten “Migrationshintergrund” sitzen kaum im Bundestag, im Landtag oder in den Kommunen. Über die Hälfte der Deutschen geht nicht mehr wählen und von den 709 im Bundestag sitzenden Abgeordnet*innen – ein neuer Rekord, nebenbei bemerkt – gibt es einen einzigen Schwarzen Politiker. Der SPD-Abgeordnete aus Halle, Dr. Karamba Diaby. Trotzdem hat sich Aminata Tourédazu entschlossen in die Politik zugehen. Aminata war mit 24 Jahren die jüngste Parlamentarierin in Schleswig-Holstein für Bündnis 90/ Die Grünen und die erste Schwarze. Sie ist die Sprecherin ihrer Fraktion für Flucht, Migration, Frauen und Gleichstellung, Kinder und Jugend  sowie Queerpolitik. Nach der Sommerpause könnte die 26-jährige noch dazu die jüngste Vizepräsidentin des Landtags in Kiel werden. 

    Aminata ist intelligent, charismatisch und selbstbewusst. Wie du und ich und irgendwie auch nicht. Sie ist greifbar und menschlich – anders, als das Abstrakte und der zäh wirkende politische Apparatus. Mit ihren Instagram Stories nimmt Aminata Touré uns in den Landtag mit, zeigt uns, dass Politik lebendig ist, macht es greifbar und transparent. Eigentlich sind die Parlamente geprägt von Menschen, die alle aus dem gleichen Habitus stammen, gleich aussehen – pure Monotonie. Ist Aminata Touré der Wandel nachdem wir uns sehnen? Ist sie die erste Politikerin mit der wir (ich) uns alle identifizieren können? Wir haben uns mit Aminata auf einen Kuchen in Kreuzberg getroffen und wollten sie kennenlernen und herausfinden, warum sie sich für diesen Weg entschied. Dabei fanden wir heraus, dass es an einem Satz lag, den ihre Mutter sagte. 

    Politik hatte schon von klein auf einen großen Einfluss auf das Leben von Aminata Touré und ihrer gesamten Familie. Sie wurde 1992 in Neumünster geboren. Ihre Eltern sind aus Mali geflohen. Die Angst, am nächsten Tag in ein Land zugehen, welches sie und ihre drei Schwestern lediglich aus Erzählungen kannten, begleitete Aminata Touré ganze 12 Jahre lang. Auf dem Weg zur Schule, beim Spielen, die gesamte Kindheit war davon geprägt. Kettenduldungen lagen an der Tagesordnung und daher wäre es eigentlich verständlich gewesen, wenn Aminata einen ganz anderen Weg gewählt hätte – weit weg vom politischen Apparatus, der Bürokratie, der Diskussionen. “Eigentlich hatte ich überhaupt keinen Bock mich mit Flüchtlingspolitik oder der Ausländerbehörde erneut auseinanderzusetzen,” erklärt Aminata, “Dann hab ich gedacht. Amina, eigentlich ist doch die Situation so: Du bist jetzt durch. Du bist sicher in Deutschland.

    Eigentlich wäre es doch auch spannend deine Perspektive in die Politik einzubringen und aus eigener Erfahrung darüber zu berichten”. Nach einem Praktikum beim Flüchtlingsbeauftragten der Grünen des Landes Schleswig-Holstein trat Aminta Touré der Partei 2012 bei. Sie studierte Politikwissenschaften, nicht um Politikerin zu werden, sondern weil sie beim Auswärtigen Amt arbeiten wollte. “Bis ich gemerkt habe, wie irre dieses Bild ist, das von einem gezeichnet wird ohne das Leute, die diese Erfahrungen teilen, auch wirklich sichtbar sind,” bezieht Aminata sich auf die Berichterstattungen und die Flüchtlingspolitik in Deutschland, “dann habe ich geguckt, welche Partei zu mir passt.” Eigentlich war sie schon bei dem Vorbereitungstreffen vom Auswärtigen Amt. Doch es kam ganz anders. 2017 zog sie als erste Schwarze und jüngste Abgeordnete für die Grünen in den Landtag von Schleswig-Holstein ein. 

    Landtagssitzung, Fraktionssitzung, Arbeitskreistreffen, Koalitionssitzung, Wahlkampf, dann Flüchtlingsunterkünfte und Frauenhäuser besuchen – mit den freien Sonntagen schafft Aminata es nicht immer. Einen klassischen Arbeitstag gibt es als Politikerin nicht. Das wollten wir herausfinden, so wie viele ihrer Freund*innen, Bekannte, sogar die Familie stellte ihr schon die Frage: “Ja, was machst du eigentlich den ganzen Tag?” Genau das ist der Knackpunkt für viele Politikfremde. Sie haben eine vage Vorstellung von dem Alltag, doch Aminata möchte das ändern. “Ich versuche den Leuten ein bisschen einen Eindruck zu vermitteln, was gewählte Abgeordnete eigentlich so machen. Wenn ihr uns ins Parlament wählt, habt ihr auch das Recht darauf zu wissen, was passiert da eigentlich,” so Aminata. 

    Es ist Freitagnachmittag. Ich sitze mit Aminata in einem Café in der Bergmannstraße. Einige Berliner*innen schwirren um uns herum, laufen entspannt ins Wochenende, machen Besorgungen. Mit ihrem gelben Blazer sowie Türkis lackierten Fingernägeln, sitzt Aminata mir gegenüber und rührt in ihrem Kräutertee. Auf ihrer Homepage, auf Facebook und mit ihren Instagram Stories nimmt sie die Nutzer*innen mit. “Ich versuche Politik transparent zu machen,” erklärt sie. Denn sobald Aminata Touré bei einer gemütlichen Runde sitzt und erzählt, dass sie Berufspolitikerin ist, beginnt eigentlich auch schon die Sprechstunde. “Es ist eigentlich nicht möglich, nicht über Politik zu sprechen. Jeder setzt sich irgendwie mit Politik auseinander,” erklärt Aminata und da hat sie Recht. Politik ist, ob ich meine Kinder in der Kita anmelde oder zuhause großziehe, wenn ich bei Sex and the City der konservativen Charlotte zustimme, statt der liberalen Miranda oder  es mich stört, sobald meine Nachbarwohnung am Boxhagener Platz in Berlin jedes Wochenende von einem neuen Stimmengewirr gefüllt wird, statt Raum für meine Freundin zu bieten, die nach bezahlbaren Wohnraum sucht – jede Lebensentscheidung, die wir treffen ist politisch. Trotzdem geht die Wahlbeteiligung seit 1990 zurück. Seitdem die Bundesrepublik wiedervereinigt ist. Macht Frieden die Menschen teilnahmslos oder träge? Doch ist es so friedlich in Deutschland? Das politische Klima rückt immer weiter nach rechts. Es springt aus dem Rahmen. Aber nicht nur hier, sondern in Europa – Global. 

    “Es ging mir nicht darum einfach nur Abgeordnete zu sein. Ich wollte Abgeordnete sein, um für diese Themen zu kämpfen,” Aminata Touré. 

    Was es wirklich bedeutet eine Schwarze Abgeordnete zu sein

    Aminata ist es gewohnt in Räumen zu sitzen, wo sie die einzige Schwarze Person ist. Über das Asylrecht zu diskutieren, gefüllt mit Menschen, die gar nicht weiter weg von dieser Thematik sein könnten. “Das ist mir nicht neu und die eine oder andere schräge Aussage, habe ich auch schon außerhalb des Plenarsaals gehört. Das war mir klar, bevor ich das Ganze gemacht habe,” wiegelt Aminata ab. Ob im Journalismus oder in der Politik – Umfragen zufolge, werden Menschen mit einem Migrationshintergrund als nicht objektiv genug wahrgenommen. “Emotionalität schließt nicht aus, rationale Entscheidung treffen zu können. Zumal, alle anderen Menschen auch von ihren Erfahrungen geprägt sind. Es ist ja nicht so,

    dass es ein offensichtliches Merkmal ist, dass ein weißer Mann nicht im Interesse von weißen Männern handelt,” so Aminata, die überwiegend positives Feedback als Politikerin erhält, unabhängig von der Schwarzen Community, sondern insgesamt von diversen Gruppen, die zu wenig Sichtbarkeit erhalten. “Und es ist völlig legitim und völlig richtig auch persönliche Erfahrungen von Menschen mit reinzubringen, weil unsere politischen Entscheidung eben Menschen betrifft. Wenn ich über Rassismus spreche, wenn ich über Menschen spreche, die Fluchterfahrung(en) gemacht haben, betrifft es sie,” erklärt Aminata und zeigt, wie wichtig es ist, Perspektiven im internen Betriebssystem der Politik einzubringen, die sonst kein Gehör finden. 

    “Du kannst alles machen, was du willst!”

    Aminata Touré ist groß, polarisiert, nimmt Raum ein und das ist richtig und wichtig. Natürlich erhält sie, wie jeder andere Schwarze Mensch, den Klischeestempel, weil sie von außen betrachtet die typischen Themen behandelt: Flüchtlings-, Frauen und Gleichstellungspolitik. Das ist ihr egal. Sie möchte nicht zu einer Leitfigur oder einem Symbol werden. Die Vorzeige-Integrierte werden. “Es ging mir nicht darum einfach nur Abgeordnete zu sein. Ich wollte Abgeordnete sein, um für diese Themen zu kämpfen,” erklärt sie. Der Druck als Politikerin, als junge Politikerin ist groß. Doch als junge, Schwarze Politikerin ist es immens. Trotzdem wirkt sie leicht, unaufgeregt und lässig. Es wird kälter und Aminata wirft sich ihren cremefarbenen Trenchcoat über. Sie ist völlig entspannt, so weit weg von ihrem Zuhause in Neumünster. Eigentlich kommt sie direkt von einem Bund-Länder-Treffen der grünen Bundestagsfraktion zu Migration und Flucht. Aber Aminata Touré wirkt nicht gehetzt, gestresst oder unter Druck.

    “Wenn du etwas Falsches macht, wird die gesamte Gruppe verantwortlich gemacht und wenn ich etwas Gutes mache, ist das eher ein Einzelfall,” erklärt Aminata und zeigt, dass der beliebt geäußerte Exotenbonus ein Hirngespinst ist von Menschen, die die Verantwortung einer Person, die Pionierarbeit leistet, gar nicht (er)kennen. Genau das tut sie: Aminta Touré geht einen neuen und kaum betretenen Weg für alle Schwarze Frauen und viele weitere Menschen, die ein Thema im politischen Diskurs sind, aber selbst nicht mitreden. Sie zeigt, dass genau diese Personen auch Räume betreten können, die bisher versperrt blieben. Diesen ganzen Pfad betrat sie, aufgrund eines Satzes ihrer Mama. “Du kannst alles werden, was du willst” – Mit dieser Aussage ahnte sie nicht, dass ihre Tochter 2017 in den Landtag ziehen würde. “Ich nahm meine Mutter beim Wort,” erklärt Aminata grinsend. Vielleicht sollten wir das alle tun. 

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