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    Alltagsrassismus in der Medizin

    Einsames leiden: Alltagsrassismus in der Medizin

    Bilder von Emily

    “Dafür, dass du Krebs hast, siehst du gut aus. Du bist ja nicht so blass,” diesen Satz hörte Emily in einer Selbsthilfegruppe für Krebserkrankte. Sie ging nie wieder hin. Emily hatte im Verlauf ihrer Brustkrebserkrankung immer das Gefühl, sie wäre anders. Das hängt vermutlich damit zusammen, dass in der deutschen Medizin die Norm männlich, weiß, mitteleuropäisch, jung und keine Behinderung hat. Es häufen sich Studien und Beiträge, in denen über die Problematik der mangelnden klinischen Untersuchungen an Frauen gesprochen wird. Doch wie sieht es aus, wenn du eine Frau und noch dazu Afrodeutsche bist? Wie rassistisch ist die deutsche Medizin?

    “Chemotherapien schlagen bei Ausländern nicht so richtig an”

    “Ich habe den Knoten selbst ertastet,” erklärt Emily. Danach ging es zur Frauenärztin, zum Brustzentrum und dann begann die Chemotherapie. Bei einer Chemotherapie werden dem Körper sogenannte Zytostatika zugeführt. Dabei handelt es sich um Medikamente, die Krebszellen daran hindern sollen, sich weiterhin unkontrolliert zu teilen. Brustkrebs ist immer noch die häufigste Krebserkrankung bei Frauen in den Industrieländern. In den USA gibt es einige Studien, die zeigen, dass Schwarze Frauen häufiger an Brustkrebs erkranken und darüber hinaus, eher an den Folgen sterben. In Deutschland gibt es keine Zahlen dazu, weil ethnische Zählungen nach dem Holocaust in der Bundesrepublik untersagt sind. “Der Tumor wurde unter der Therapie größer”, erklärt Emily, als sie im Schnelldurchlauf, über ihre Behandlung spricht. Ende letzten September wurde die letzte Operation durchgeführt, aktuell befindet sie sich in medizinischer Rehabilitation, in der Reha. Genug Zeit, um ihre Erfahrungen zu rekapitulieren. Zu beginn hatte ihr Tumor einen Durchmesser von 2,8 cm, nach der Chemo war er vier cm groß. Mir wurde das vom Arzt nicht gesagt, dieses erfuhr ich erst, als ich den Pathologiebericht las und stutzig wurde wegen der vier Zentimeter. Daraufhin suchte ich einen Pathologen auf der mir bestätigte, das die Chemo null Response hatte und somit unwirksam war,” so Emily. Eine Ärztin sagte ihr, das sie die Beobachtung gemacht hatte, das wenn Chemotherapien nicht anschlagen, es meistens bei Ausländer*innen sei. “Sie hatte sich natürlich falsch ausgedrückt und meinte nicht-weiße Menschen. Das kann doch nicht möglich sein, dachte ich in diesem Moment.” Beweise für diese These gibt es nicht. Trotzdem konfrontierte Emily ihren behandelnden Arzt, der die Information, dass die Chemo unwirksam war, woraufhin dieser antwortete, dass diese Information doch eh nichts genützt hätte. “Daraufhin wechselte ich das Krankenhaus.”

    “Sie sind zu hell für eine Afrodeutsche Frau!”

    Fakt ist, dass Menschen mit einem höheren Melaningehalt zur Keloidbildung tendieren, welches  die Mehrheit aller People of Color umfasst. Keloide sind Narben, die über den Wundrand hinaus wuchern. Das verwunderte Emilys behandelnden Arzt sehr. Bei einem weiteren Nachsorgetermin stellte man Emily  eine weitere Ärztin an ihre Seite. “Nachdem ich mich obenrum frei gemacht hatte, sagte sie: Ah ja nun gut, sie sind ja eh jetzt leicht von der Sonne gebräunt, da kann ich ja nicht sehen, ob das von der Bestrahlung kommt oder von ihrem Sonnenbaden,” so Emily. Bei der Strahlentherapie kann, wie bei einem Sonnenbrand, die Haut empfindlich werden und sich leicht röten. Nach drei bis vier Wochen kann die Haut trocken werden und sich schälen, was manchmal mit Juckreiz verbunden ist. Danach wird sie wegen vermehrter Pigmentbildung oft dunkler. Emilys Ärztin dachte, dass sie sich sonnen würde und deshalb dunkler sei. “Ich war erstmal völlig perplex und sagte ihr dann, das ich mich nicht oben ohne sonnen würde. Daraufhin habe ich dann gesagt, das es eventuell daran liegen könnte, dass ich ein Schwarzes Elternteil habe. Anstatt zu sagen, ach so okay, sagte sie mir, dass ich dafür doch zu hell wäre und anders aussehen müsste.”

    Alltagsrassismus in der Medizin

    Ein Bild von Emily vor der Diagnose.

    Von kolonialistischen Glaubenssätze bis hin zum Morbus Mediterraneus Phänomen

    Als Brustkrebspatientin hat man eine Bandbreite an Sorgen. Hinzukommen Schmerzen, diverse Behandlungen, Kinder, die man versorgen muss, einen Beruf, dem man weiterhin nachgeht sowie Angst. Davor, wie die Behandlung verläuft, ob es gut oder schlecht ausgeht. Für Schwarze Patientinnen kommt Alltagsrassismus noch hinzu. In den USA gibt es Studien, die zeigen, dass Ärzt*innen glauben, dass Schwarze Menschen robuster sind, was tiefe kolonialistische Glaubenssätze widerspiegelt. In Deutschland kommt das “Morbus Mediterraneus” Phänomen hinzu, dass People of Color als Patien*innen, als sehr “jammernd” und aufgrund ihres “Temperaments” mit ihrer Schmerz Schilderung “übertreiben.” Frauen sterben häufiger an Herzinfarkten, warten doppelt so lange in der Notaufnahme bis sie behandelt werden, als Männer. “Ich finde Menschen, in solchen Funktionen, sollten  sensibler sein,” so Emily über ihre Erfahrungen ,da sie mir ja damit gesagt hat, das ich nicht richtig bin und auch wenn ich weiss, dass es ihrer Stereotype nicht entspreche, machte es mich sehr wütend und traurig. Und ich hatte das Gefühl mal wieder aus der Norm zu fallen.”

    Alltagsrassismus in der Medizin

    Bild von Emily.

    Von der Einsamkeit aus der Norm zu fallen

    Die Krankenkassen übernehmen die Kosten für das Zweithaar, also für eine Perücke. Doch in den bezuschussten Läden, in denen Emily war, gab es keine Afro Haar Perücke. Auf Anfrage bei der Krankenkasse wurde Emily darauf hingewiesen, dass sie die Kosten für eine solche Perücke aus dem Afroshop selber tragen muss. Die DKMS gibt Schminkkurse: “In dem Kurs, in dem ich war, waren die Farbpalette des Make-ups auf helle Hauttöne begrenzt. Es gab für mich gefühlt keine Diversität,” so Emily. Sie hat die Erfahrungen gemacht, dass sobald man diese Themen anspricht, sie kein Gehör findet. Sie musste kämpfen, für jeden kleinen Schritt und das obwohl sie krank war. Ihre Energie in vermeintlichen Safe Spaces zu tanken, wie in einer Selbsthilfegruppe, verschlimmerte ihr Gefühl, nicht dazuzugehören. “Über die gesamte Therapiezeit habe ich viel erlebt, das mir zu Denken gegeben hat. Seitdem beschäftige ich mich mehr mit dem Thema: Wer bin ich und wie sehen Menschen mich von außen. Das hat mich sehr stark verändert.” Emily hat sich jemanden gewünscht, der oder die sie versteht. Denn ein Gefühl war so allgegenwärtig und prägend: Emily fühlte sich einsam. Das ist die treibende Motivation, weshalb sie ein Gespräch mit uns gesucht hat. “Ich würde mich über Gespräche mit Menschen freuen, die ähnliche Erfahrungen gesammelt haben.” Die Norm ist marode gering, wenn wir realisieren, dass jede vierte Person in Deutschland einen Migrationshintergrund hat und je jünger die Generation, desto größer ist dieser. Die Wahrheit ist: Emilys Geschichte ist kein Einzelfall und von Jahr zu Jahr wird es weitere solcher Vorfälle geben. Somit braucht es neue Kompetenzen in der Medizin und eine Inventur, wenn es um die Frage geht: Was wird unterrichtet, worauf wird vorbereitet und wie zeitgemäß ist unsere Definition von der Norm?

    Ciani-Sophia Hoeder

    Ciani

    Ein Online-Lifestylemagazin für afrodeutsche Frauen schaffen. Genau das hat sich die 29-jährige Berlinerin in den Kopf gesetzt. Nun ist Cianis Traum wahr geworden. RosaMag informiert, inspiriert und empowert Schwarze Frauen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz.

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    COMMENTS
    • Monika

      REPLY

      ❤️❤️❤️Astrid❤️❤️❤️ Es tut mir unendlich leid, dass Du diese Erfahrungen gemacht hast. Ich bin seit dreißig Jahren Krankenschwester auf einer Intensivstation und kann nur bestätigen, dass die Medizin rassistisch und ignorant ist. Wir müssen unsere eigenen Plätze der Gesundheit schaffen, denn jemand anderes wird es nicht tun. Wie auch immer ich helfen kann, lasst es mich wissen.❤️

      13. März 2020
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