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    Eunice Beckmann – „Ich dachte, ich sei das einzige Mädchen, das Fußball spielt“

    Frauen werden im Sport oft zurückgestellt: Sie bekommen für die gleiche Leistung wie Männer meist weniger Geld und vor allem nicht das gleiche Maß an Aufmerksamkeit. Diese Tatsache reicht weit zurück: Bei den ersten Olympischen Spielen der Neuzeit im Jahr 1896 war die Teilnahme für Frauen untersagt. Zu dieser Zeit waren Mediziner der Auffassung, dass Sport die sogenannten weiblichen Fortpflanzungsorgane funktionsuntüchtig mache. Zum Glück sind diese Denkweisen Geschichte und Frauen aus dem Profisport nicht mehr wegzudenken. Doch Aufmerksamkeit und Wertschätzung für ihre Leistung bekommen Athletinnen noch immer nicht in dem Maße, in dem sie es verdienen.

    In ihrer Reihe: RosaMag x Sportgeflüster widmet sich unsere Redakteurin Amina Ndao deshalb Schwarzen Sportler*innen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Wie sah ihr Weg in den Leistungssport aus? Was ist ihre persönliche Motivation? Inwiefern engagieren sie sich über den Sport hinaus? Und welchen Herausforderungen mussten sie sich schon stellen? Heute im Porträt: die Fußballerin Eunice Beckmann.

    Der Fußball ist von klein auf Eunice Beckmanns Leidenschaft. Es gab keinen besonderen Moment, in dem ihre Liebe zu diesem Sport entfacht wurde, sagt Eunice, die inzwischen beim 1. FC Köln spielt. „Ich habe im Kindergarten angefangen und habe immer mit den Jungs gespielt. Ich war ständig auf dem Fußballplatz. Nach der Schule habe ich meine Schultasche einfach in die Ecke geschmissen, bin auf den Spielplatz und habe den ganzen Tag gezockt. Bis meine Mutter kam und mich nach Hause geholt hat, weil ich noch nichts gegessen und auch noch keine Hausaufgaben gemacht hatte.“ Irgendwann fällt Eunice einem Coach auf, der eine Fußballmannschaft für Kinder gründen will. Er geht auf ihre Eltern zu, denn er will Eunice unbedingt im Team haben. Zuerst sind die Eltern der Wuppertalerin nicht einverstanden. Die Vorstellung, dass ihre Tochter Fußballspielen will und dann noch in einer reinen Jungenmannschaft, gefällt ihnen nicht. Doch schließlich stimmen sie zu. Das erste Training absolviert Eunice in Jeans und Turnschuhen. „Meine Mutter hat dann eingesehen, dass es das falsche Outfit war. Am nächsten Tag gingen wir einkaufen. Ich habe Fußballschuhe bekommen, ein neues Trikot, Shorts und Stutzen“, erinnert sich Beckmann.

    „Ich dachte, ich sei das einzige Mädchen, das Fußball spielen kann“

    Fortan spielt Eunice Beckmann als Stürmerin beim Wuppertaler SV. Ihr körperbetontes Spiel und ihre Zweikampfstärke, sind Eigenschaften, die sie unter anderem dadurch entwickelt hat, dass sie bis sie 16 Jahre alt war, mit Jungs in einem Team spielte. „Bis ich mit elf Jahren in die Niederrhein-Auswahl gekommen bin, kannte ich kein einziges Mädchen, das auch Fußball spielt. Ich dachte wirklich, ich sei das einzige Mädchen, das Fußball spielen kann. Und so wollte ich immer die erste Frau sein, die bei den Männern in der Bundesliga spielt. Das war als kleines Kind mein Traum“, sagt Eunice und lacht. Die Vision bei den Männern zu spielen hat sich nicht erfüllt. Doch den Sprung in die Bundesliga schafft Eunice. Im Jahr 2009 gibt sie im Dress des FCR 2001 Duisburg (heute MSV Duisburg) ihr Debüt.

    Für die Stürmerin folgen daraufhin Stationen bei sieben Vereinen in fünf Ländern. Von Duisburg wechselt Eunice nach Leverkusen, spielt dann für ein Jahr in Schweden und kommt schließlich 2014 zum FC Bayern München. Dort holt sie 2015 und 2016 zweimal in Folge die Deutsche Meisterschaft. Danach geht es für die heute 28-Jährige in die USA zu den Boston Breakers. In der Schweiz beim FC Basel wird Eunice 2018 zur Torschützenkönigin, mit 25 Toren in 26 Spielen. Nach einem Jahr in Spanien, beim Madrid CFF, führt der Fußball Beckmann 2019 schließlich wieder zurück nach Deutschland, und in die Nähe ihrer Heimatstadt Wuppertal, zum 1. FC Köln.

     

    Foto: Jheytocool

    „Man kann alles schaffen, wenn man an die Leistungsgrenze geht“

    Eunice hat in ihrer Karriere schon viele Titel geholt. Der für sie persönlich größte Erfolg kann aber nicht in Form eines Pokals oder einer Medaille ausgezeichnet werden. Es ist der Moment, in dem sie es aus der Vereinslosigkeit zum FC Bayern München schafft. Bis Ende 2013 ist sie beim Linköpings FC in Schweden unter Vertrag, die Wuppertalerin fühlt sich dort aber nicht wohl, kann ihre Leistung nicht abrufen und geht zurück nach Deutschland. „Mir ging es wirklich nicht gut. Ich war einfach völlig down, wirklich wochenlang. Ich habe auch kurz überlegt, mit dem Fußball aufzuhören“, erinnert sich Eunice. Es ist Winterpause, sie ist vereinslos und die Chancen ein Angebot von einem neuen Verein zu bekommen, scheinen zu schwinden. Doch dann bekommt Beckmann die Einladung zu einem Probetraining beim FC Bayern München. Ohne sich große Erwartungen und Druck zu machen, fährt sie in die bayerische Hauptstadt. Dort überzeugt sie sowohl im Training als auch bei Testspielen und bekommt nach zehn Tagen ein Vertragsangebot. „Das war für mich persönlich ein Erfolg, von dem eigentlich gar nicht viele wissen. Aber es hat mir gezeigt, dass man alles schaffen kann, wenn man wirklich will und an die Leistungsgrenze geht“, bringt es Beckmann auf den Punkt.

    Frauenfußball und doofe Sprüche

    Im Oktober 2020 jährt sich die Verankerung des Frauenfußballs in der Satzung des Deutschen Fußball-Bundes zum 50. Mal. Trotz dieser langen Zeit, sträuben sich Vereine wie Borussia Dortmund noch immer dagegen ein Frauenteam zu gründen. Mit der Begründung, dass dies nicht in der Tradition des Vereins liege. Solche Aussagen zu hören ist für Eunice Beckmann sehr frustrierend, sie fragt sich: „Was ist denn die Tradition des Clubs? Keine Frauen im Stadion zu haben oder keinen Frauensport zu unterstützen? Das verstehe ich nicht wirklich. Ich finde die Aussage völlig absurd. Wir leben im 21. Jahrhundert, vieles hat sich verändert. Von daher kann man mal damit anfangen eine Frauenabteilung zu gründen, so viel Geld kostet das nicht. Es ist der Traum von sehr vielen Fußballerinnen mal bei Borussia Dortmund zu spielen. Diese Aussage ist für mich einfach schlecht.“

    Doofe Sprüche und Vorurteile gegenüber Frauen, die Fußball spielen gibt es zu hauf. „Das sind immer Leute, die sich vielleicht einmal irgendwo im Dorf irgendein Spiel angeschaut haben oder vor Jahrzehnten eine Frauen-WM. Die dann immer noch denken, der Frauenfußball ist total langsam, der Frauenfußball ist überhaupt nicht attraktiv anzusehen. Dabei stimmt das gar nicht. Der Frauenfußball hat sich extrem weiterentwickelt. Es gibt ganz viele krasse Athleten im Frauenfußball und technisch gesehen sind wir auf dem selben Niveau wie die Männer“, erklärt Eunice.

     

    Foto: Jheytocool

    Foto: Jheytocool

    „Der Frauenfußball muss mehr vermarktet werden“

    In den USA und Großbritannien wird viel richtig gemacht, wenn es um den Frauenfußball geht. Durchschnittlich 7.000 Zuschauende kommen zu einem Spiel in den USA, in Deutschland sind es dagegen nur etwa 700. An welchen Punkten kann man also ansetzen, um dem Frauenfußball auch in Deutschland mehr Sichtbarkeit und Wertschätzung zu geben? „Man sollte einfach mehr Werbung machen und zusehen, dass mehr Zuschauer ins Stadion kommen. Der Frauenfußball muss einfach mehr vermarktet werden, denn es ist ein attraktiver Sport.“, meint Beckmann. Vielleicht ist es auch der ewige Vergleich mit dem Männerfußball, der es dem Frauenfußball so schwer macht. Eunice Beckmann ist genervt von dieser Gegenüberstellung und stellt klar, dass von ihrer Seite auch keine Eifersucht oder Neid auf die erhöhte Aufmerksamkeit und bessere finanzielle Situation der Männer besteht. „Der Männerfußball ist einfach die Nummer eins in Deutschland und wenn man es mit anderen Sportarten vergleicht, geht es uns Frauen eigentlich sehr gut. Es ist einfach Männer- und Frauenfußball, deshalb heißt es Männer- und Frauenfußball“, schließt die Spielerin des 1. FC Köln ab.

    „Ich konnte mich nie wirklich mit meiner Hautfarbe identifizieren“

    Im Fußball und im normalen Leben erlebt Eunice als Schwarze Frau häufig Rassismus. Das Spektrum reicht von Vergleichen mit Schokolade, schlechten Witzen über ihre Hautfarbe bis hin zu Beleidigungen mit dem N-Wort. Eunice ist darkskin und auch wenn sie sich mit dem Thema Colourism nicht direkt auseinandergesetzt hat, ist sie davon betroffen. Als Jugendliche durchläuft sie eine Phase, in der sie heller sein will. Sie nutzt Bleichmittel, um ihre Haut aufzuhellen und so dem gängigen Schönheitsideal mehr zu entsprechen. Als ihre Haut fleckig wird, hört sie aber sofort damit auf. „Ich konnte mich nie wirklich mit meiner Hautfarbe identifizieren. Ich habe mich nie angeschaut und mir gedacht „Boah, coole Hautfarbe“. Bis mir wirklich viele Leute gesagt haben „Hey, deine Hautfarbe ist so schön und so smooth und so darkskin“. Und ich glaube, dadurch hat sich auch mein Selbstbewusstsein vollkommen gesteigert“, beschreibt Eunice. Vor allem die Erfahrung im Ausland und der engere Kontakt zu anderen Schwarze Menschen, haben Eunice geholfen zu lernen ihre Hautfarbe zu lieben.

    „Das einzige Ziel für uns wird der Wiederaufstieg sein“

    Die Saison 2019/20 endet für den 1. FC Köln und Eunice Beckmann mit dem Abstieg in die 2. Bundesliga. Das Team geht mit dem Ziel die Klasse zu halten in die Saison, holt in der Hinrunde aber nur 7 Punkte. Zum Start der Rückrunde kommt mit Sascha Glass ein neuer Coach zum Effzeh. Die Chemie passt, das Team will angreifen. Doch kurz darauf kommt mit Corona eine Zwangspause, in der es einige Wochen keine Möglichkeit für professionelles Mannschaftstraining gibt. Als der Spielbetrieb wieder aufgenommen wird, muss das Team rund um Eunice Beckmann acht Spiele in vier Wochen absolvieren. Eine straffe Taktung, die die Anfälligkeit für Verletzungen steigert. Am letzten Spieltag steht der 1. FC Köln als eines von drei Teams mit 17 Punkten da. Doch aufgrund der schlechten Tordifferenz steht die Elf als Absteiger fest. Eunice hat ein wenig Zeit gebraucht, um über den Abstieg hinweg zukommen: „Inzwischen habe ich damit eigentlich schon ziemlich gut abgeschlossen. Weil ich weiß, wie viel Potenzial im Verein steckt und was hier für den Frauenfußball getan wird. Wir haben ein gutes Team für die zweite Liga und das einzige Ziel für uns wird der Wiederaufstieg sein.“

    Erst kürzlich hat Eunice Beckmann ihren Vertrag beim 1. FC Köln um zwei Jahre verlängert. Sie fühlt sich wohl in der Domstadt und beim Effzeh, hat das Vertrauen und die Wertschätzung des Vereins. Die Wuppertalerin kann sich vorstellen, ihre Karriere eines Tages beim 1. FC Köln zu beenden. Was kommt dann, nach ihrem Leben als Fußballspielerin? „Ich will mich auf jeden Fall selbstständig machen, ich weiß nur noch nicht in welche Richtung. Es muss auch nichts mit Fußball zu tun haben.“, sagt Eunice. Sie will ihr eigenes Ding machen, in einem klassischen 9-to-5-Job sieht sie sich nicht. Ausprobiert hat sie das schon, denn sie hat eine Ausbildung zur Bürokauffrau absolviert. Neben dem Fußball engagiert Eunice sich in Ghana. Sie hat mit dem „Eunice Beckmann Scholarship“ ein Projekt ins Leben gerufen, dass derzeit drei Mädchen die Schule finanziert. Außerdem ist sie Teil der Kampagne „#WePlayStrong“ der UEFA und lässt Fans an ihrem Leben als Fußballerin über Youtube teilhaben. Damit setzt sie sich aktiv für mehr Sichtbarkeit des Frauenfußballs ein.

    Das komplette Interview könnt ihr auch als Podcast hören. Die Folge „Sportgeflüster“ mit Eunice Beckmann ist bei SpotifyApple Podcasts, Deezer, Podigee und überall sonst, wo es Podcasts gibt, zu finden.

    Amina-Ndao-Sportgeflüster

    Amina

    Amina Ndao liebt Dokumentationen und Geschichten, die das Leben schreibt. Als Sportjournalistin tingelte die Nürnbergerin schon durch die Fußballstadien Europas, um bewaffnet mit einem Mikrofon die Stimmen des Spiels einzufangen. Sie brennt dafür, Kommunikation zu gestalten und studiert aktuell im Master PR und Unternehmenskommunikation. Dem Sportjournalismus bleibt Amina aber weiterhin treu: Im Februar 2020 hat sie ihren eigenen Interview-Podcast namens “Sportgeflüster” ins Leben gerufen. Dieser widmet sich den Gesichtern und Geschichten des Sports. Für RosaMag porträtiert Amina Schwarze Athletinnen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz: Sie lässt die Herzen der Sportlerinnen sprechen, gibt Einblicke in ihre persönliche Motivation und inspiriert Lesende dazu, neue Sportarten auszuprobieren.

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