Love is Blind Germany – Das große Interview mit Alberta, Sally und Shella
Fotocredit: Netflix
„Love is Blind“ zählt zu den erfolgreichsten Dating-Shows der Welt. Ursprünglich aus den USA, hat das Format mit Ablegern in Schweden, Großbritannien, Brasilien und Japan internationale Bekanntheit erlangt. Dieses Jahr feierte die Show endlich auch in Deutschland Premiere. Das Konzept: Singles lernen sich in sogenannten Pods kennen, wo sie auf eine Reihe von Dates gehen – mit einem entscheidenden Twist: Sie können sich nicht sehen. Erst wenn sie sich verloben, dürfen sie sich zum ersten Mal begegnen. Danach folgt der eigentliche Test: Die Paare verbringen ihre Honeymoon-Phase in einem Retreat, ziehen anschließend zusammen und erleben den Alltag außerhalb des Experiments. Am Ende steht die große Entscheidung: Traualtar – oder Trennung? Die erste deutsche Staffel hatte gleich drei Schwarze Teilnehmerinnen: Alberta, Sally und Shella. Wir haben mit ihnen über ihre Erfahrungen am Set, ihre Highlights und die kontroverse Reunion gesprochen.
Könnt ihr euch kurz in eigenen Worten vorstellen? Was sollten unsere Leser*innen über euch wissen?
Alberta: Ich bin Alberta, oder Alba, 27 Jahre alt und komme aus Essen. Ich bin aber im Saarland aufgewachsen. Ich hab gehört, dass viele Zuschauer das an meiner Sprache erkannt haben. Letztes Jahr habe ich mein Studium abgeschlossen und arbeite jetzt als Fraud-Managerin bei einer Bank.
Sally: Ich bin Sally, 27 Jahre alt, komme aus Hamburg und lebe seit drei Jahren in Berlin. Meine Wurzeln liegen, wie ich finde, im besten und schönsten westafrikanischen Land: Ghana. Darauf bin ich sehr stolz. Da ich in Deutschland geboren wurde, trage ich auch die deutsche Kultur in mir – zwei Welten, die völlig gegensätzlich sind. Ich bin Christin und wurde christlich erzogen. Mein Glaube ist mir sehr, sehr wichtig. Außerdem bin ich ein Corporate Girlie – ambitioniert, ehrgeizig und leidenschaftlich in meinem Beruf. Ich arbeite als Projektmanagerin im Marketing.
Shella: Sehr gerne! Ich heiße Shella, bin ein Ruhrpott-Girl aus Essen und ein sehr optimistischer Mensch. Ich bin lebensbejahend, empathisch, intuitiv und ambitioniert. Ich verfolge gerne meine Ziele – auch wenn es nicht immer sofort klappt. Ich bin introvertiert – was viele vielleicht überrascht – weil ich trotzdem nicht schüchtern bin. Es fällt mir leicht, auf Menschen zuzugehen, aber ich brauche auch viel Zeit für mich, um meine Energie wieder aufzuladen. Ich kann nicht ständig unter Leuten sein.
Alberta, was hat dich während deiner Zeit bei der Show am meisten überrascht?
Alberta: Um ehrlich zu sein, ich hätte nicht erwartet, dass das Ganze so intensiv wird. Ich wollte mal schauen, wie es wird, aber ich habe es unterschätzt. Die ersten zwei, drei Tage waren intensiv, aber mit der Zeit wurde es immer mehr. Es war einfach unglaublich– das kann man sich nicht vorstellen, wenn man es nicht selbst durchlebt hat. Es hat mich sehr überrascht, dass man wirklich für einen Menschen Emotionen aufbauen kann, obwohl man die Person nicht sieht.
Sally, was war dein persönliches Highlight bei Love is Blind Germany?
Sally: Mein persönliches Highlight war definitiv der Moment, als wir unsere persönlichen Gegenstände ausgetauscht haben. Bei mir war es die Kette mit dem Bibelvers, bei ihm das Armband seines Vaters. Zur Einordnung, da ich viele Kommentare gesehen habe: Ja, manche denken, das war gescriptet. Ich hätte das vielleicht auch gedacht, wenn ich es nicht selbst erlebt hätte – weil es wirklich so unglaublich war. Jeder von uns sollte ein persönliches Item mitbringen, das uns widerspiegelt oder eine besondere Bedeutung hat. Für mich war es die Kette, die ich von meinen Freundinnen geschenkt bekommen habe, mit dem Vers I can do all things through Christ who strengthens me. Dieser Vers hat mich schon durch viele Situationen begleitet und bedeutet mir sehr viel. Er hatte das Armband, auf dem ebenfalls I can do all things stand. Niemand wusste, wann dieser Austausch stattfinden würde oder wer welches Item bekommt – das hat die Produktion entschieden. Als der Moment kam und ich das Armband sah, während er meine Kette entdeckte, war ich völlig überwältigt. In der Show habe ich gesagt, dass ich jeden Abend gebetet habe, weil die Zeit so intensiv und ungewohnt war. Wir hatten keinen Kontakt zur Außenwelt, keine Handys – nichts. Und in diesem Moment dachte ich: „Okay, vielleicht ist das Gottes Weg, Humor zu zeigen.“ Von all den Bibelversen, die es gibt, hatten wir ausgerechnet denselben. Für mich war das ein krasses Zeichen, weiterzumachen.
Ich weiß nicht, ob ich mich ohne diesen Moment wirklich verlobt hätte.
Shella, wie kam es dazu, dass du an Love is Blind Germany teilgenommen hast?
Shella: Damals, während der Lockdown-Zeit, habe ich mir die erste amerikanische Staffel angeschaut und fand das Konzept super. Ich war also von Anfang an ein echtes Fangirl, weil man gesehen hat, dass dieses Experiment funktionieren kann. Zu dem Zeitpunkt war ich Single und habe die Werbeanzeige auf Instagram mehrmals gesehen. Irgendwann dachte ich mir: „Okay, why not?“ Nach meiner Bewerbung begann der Casting-Prozess, der sehr intensiv war.
Online wurde viel darüber diskutiert, dass endlich mehrere Schwarze Frauen in einem Netflix-Dating-Format mehr Screen Time bekommen haben. Alberta, hast du dir Gedanken über die Reaktionen gemacht?
Alberta: Hundertprozentig! Vor Love is Blind gab es ja bereits den deutschen Ableger von Too Hot to Handle. Dort war sehr umstritten, dass Netflix die Schwarzen Kandidatinnen bewusst weniger gezeigt hat und sie scheinbar nur für Diversität gecastet wurden. Natürlich habe ich mir deshalb Gedanken gemacht, mich aber trotzdem nicht abschrecken lassen. Umso überraschter war ich dann, als ich am Flughafen zwei weitere Schwarze Frauen gesehen habe. Wir alle fragten uns, ob wir nur für die Diversitätsquote dabei waren. Dass wir dann sogar zu dritt waren, hatte wirklich niemand erwartet.
Sally, du hast von Anfang an betont, dass Glaube für dich eine große Rolle spielt. War es ein Pluspunkt für dich, dass Medina nicht nur Christ ist, sondern auch aus Afrika stammt?
Sally: Safe, ich finde, das wurde leider nicht wirklich gezeigt. Generell wurden die Dates zwischen mir und Medina in den Pods kaum gezeigt. Es wirkte mehr so: „Okay, der Glaube verbindet euch, ihr feiert gerne Geburtstage, und jetzt seid ihr verlobt.“ Aber wir haben stundenlang geredet, auch über unsere Erziehung. Wir sind beide Schwarz und haben afrikanische Eltern – da gibt es viele Gemeinsamkeiten. Außerdem haben wir denselben Humor, was uns zusätzlich verbunden hat. Unsere Herkunft und unser christlicher Glaube waren definitiv Themen, über die wir gebondet haben. Ich fand es beeindruckend, wie viele Ähnlichkeiten wir hatten. Das hätte ich nie erwartet. Im Casting-Prozess gab es auch einen Workshop, in dem die Produktion herausfinden wollte, wer wir sind und was wir in einem Partner suchen. Mir wurde gesagt, dass sie sicherstellen, dass jeder mindestens zwei oder drei potenzielle Matches hat. Aber dass Medina und ich auf dem Papier so ein starkes Match waren – afrikanischer Background, in Deutschland geboren, christlich –, das war schon besonders. Es war echt eine beeindruckende Erfahrung.
Shella, du hast in der Show offen über deine Herkunft gesprochen, was viele Menschen überrascht hat. War es dir wichtig, dass ein potenzieller Partner weiß: „Hey, hier sitzt eine Schwarze Frau“?
Shella: Was die Zuschauer*innen natürlich nicht wissen können, ist, dass wir alle über unsere Herkunft gesprochen haben. Viele interpretieren es so, als hätte ich es mit Absicht gesagt, aber ich war nicht die Einzige. Vielleicht stimmt das teilweise, aber eher unbewusst.
Ich hänge sehr an Togo, ich hänge sehr an meinen Wurzeln.
Im echten Leben ist es mir auch wichtig, diesen Standpunkt klarzumachen. Klar, du siehst dein Gegenüber nicht, du weißt nicht, wie er reagiert – aber ich wollte trotzdem herausfiltern: Kann er mit Togo etwas anfangen? Ich habe schon sehr häufig erlebt, dass Menschen keinerlei Wissen oder Interesse an Afrika haben. So eine Person wollte ich nicht weiter daten – zum Beispiel jemanden, der denkt, Afrika sei ein Land. Dass Pascal direkt wusste, wo Togo ist, hat mich beeindruckt. Das fand ich cool.
Alberta, beim Wiedersehen außerhalb der Pods hast du Fabio ein klares „Nein“ gegeben. Warst du nicht neugierig, was aus euch hätte werden können?
Alberta: Das war eine bewusste Entscheidung – auch aufgrund meiner Vergangenheit. Da habe ich für mich klare Grenzen gesetzt.
Für mich war klar: Ich möchte keine Nummer zwei sein.
Natürlich habe ich mich nach dem ersten Treffen gefragt: Was wäre, wenn? – weil wir uns mega gut verstanden haben. Aber es war schließlich nicht meine Schuld, dass es nicht funktioniert hat. Fabio hatte seine Chance und er hat sie nicht genutzt.
Sally, wie hast du die Zeit am Set als Schwarze Frau erlebt? Hast du dich dort wohlgefühlt?
Sally: Also, ich würde sagen, ich habe mich im Umgang komplett wohlgefühlt. Die Produktion war super, und wir hatten unsere „Babysitter“, die uns begleitet und überall hingefahren haben. Da gab es für mich als Schwarze Frau nichts zu beanstanden. Eine Sache, bei der ich von Anfang an Bedenken hatte, war das Styling – insbesondere Hair & Make-up. Was die Kleidung angeht, haben wir unsere eigenen Sachen mitgebracht und uns meistens selbst im Hotel für die Pods vorbereitet. Bei besonderen Momenten wie dem Marketing-Dreh, dem Reveal oder der Hochzeit wurden Hair & Make-up jedoch von der Produktion gestellt. Da ich beim Styling sehr picky bin und bereits schlechte Erfahrungen mit Stylist*innen gemacht habe, die sich mit Schwarzen Frauen – insbesondere unseren Haaren und Hauttönen – nicht auskannten, habe ich darauf bestanden, mich selbst zu stylen oder jemanden mitzubringen. Meine Schwester ist selbst Make-up-Artistin. Ich vertraue ihr blind. Es war mir bei Momenten wie der Hochzeit oder der Reunion besonders wichtig, dass sie mich schminkt. Das war manchmal ein kleiner Kampf, aber am Ende konnte ich mich mit der Produktion immer einigen.
Shella, hast du noch Kontakt zu anderen Teilnehmer*innen der Show? Wie ist der Zusammenhalt unter euch?
Shella: Vor allem mit den Mädels habe ich noch guten Kontakt. Wir sehen uns nachher auch alle – also die meisten, nicht alle leider. Gerade in den letzten Wochen haben wir viel Zeit miteinander verbracht. Die Menschen im Internet sind teilweise skrupellos. Jede*r von uns bekommt sein Fett weg – das ist leider so. Dass wir da diesen Zusammenhalt haben und uns austauschen können, ist eine große Hilfe.
Alberta, die Reunion wurde in den sozialen Medien kontrovers diskutiert, besonders die sexistische Moderation wurde stark kritisiert. Wie hast du das erlebt?
Alberta: Also, ich fand es schade, in welche Richtung sich das entwickelt hat. Ob das bewusst oder unbewusst passiert ist, sei mal dahingestellt. Aber ich fand es wirklich schade, dass man sich so stark auf Hanni fokussiert hat. Selbst wenn man eine Kandidatin gezielt ins Visier nehmen möchte: Fragen wie „Wie lange brauchst du, um dich fertig zu machen – für die Männer?“ sind einfach problematisch. Warum stellt man solche Fragen nur einer einzigen Person und nicht allen? Das finde ich ehrlich gesagt schwierig, und ich denke, Netflix sollte sich dazu äußern. Ich möchte niemandem etwas unterstellen, aber was da vermittelt wurde, fand ich einfach nicht gut. Damit kann ich mich nicht identifizieren, weil es genauso gut jede*n von uns hätte treffen können.
Shella, wie war es bei der Reunion alle wiederzusehen?
Shella: Für mich war es sehr emotional, muss ich sagen. Nicht unbedingt in einer negativen Richtung, auch wenn das vielleicht teilweise so rüberkam. Bestimmte Szenen wurden mir definitiv nicht gerecht. Ich hatte Pascal über ein Jahr nicht mehr gesehen, wir hatten keinen Kontakt mehr. Bei der Reunion wollte ich ihm einfach die zwei, drei Fragen stellen, die noch ich hatte. Das war dann auch der Fall. Wir haben uns super verstanden und in der Pause auch noch mal geredet. Es war für mich persönlich nochmal ein guter Abschluss.
Was steht bei euch als Nächstes an?
Shella: In ein Dating-Format werde ich auf jeden Fall nicht mehr gehen. Für mich kam nur Love is Blind infrage – alle anderen Formate sehe ich überhaupt nicht für mich. Im November habe ich meinen Master in Gesundheitsmanagement abgeschlossen. Das ist auch der Bereich, in dem ich mich langfristig sehe und an Projekten arbeite. Aktuell möchte ich mich aber auch noch auf das fokussieren, was mir ebenfalls Spaß macht: das Modeln.
Sally: Erst mal muss ich alles noch einmal richtig sacken lassen. Dieses ganze Experiment hatte verschiedene Phasen: Zuerst die Drehphase, dann die Zeit dazwischen, in der man weiß, dass noch etwas kommt, aber nicht genau, wie es aussehen wird. Und schließlich die Release-Phase. Ich habe das Gefühl, jetzt erst kann ich dieses Kapitel wirklich abschließen und meine Learnings daraus ziehen. Ich habe unglaublich viel gelernt – sowohl Positives als auch herausfordernde Erfahrungen. Dafür bin ich sehr dankbar. Jetzt kann ich schauen, wie ich weitermache. Natürlich habe ich durch die Show eine gewisse Reichweite und Plattform bekommen, aber es ist mir wichtig, authentisch zu bleiben. Schon vor Love is Blind war es mir eine Herzensangelegenheit, Menschen eine Stimme zu geben, die oft keine haben. Als Person mit Migrationshintergrund weiß ich, wie schwer es gerade für Schwarze in Deutschland sein kann – sei es für Mädchen oder die Community allgemein. Oft werden wir missverstanden, und ich möchte meine Stimme nutzen, um zu helfen. Das mache ich zum Beispiel mit Aidia Pitch, einem Startup-Accelerator, der Black-Owned-Businesses unterstützt. Vielleicht mache ich irgendwann auch etwas Eigenes, um vor allem Schwarzen Mädchen zu helfen und sie zu empowern – sie liegen mir besonders am Herzen.
Alberta: Ein TV-Format? Erst mal nicht. Es war definitiv eine coole Erfahrung, aber ich sehe mich aktuell nicht noch einmal im Fernsehen. Das kann sich vielleicht ändern – aber gerade? Keine Ahnung. Eins steht fest: Keine Dating-Formate mehr – auf keinen Fall! Ich möchte mein Business weiter ausbauen, aber auch mit Social Media weitermachen. Nicht nur schöne Bilder posten, sondern als ‚Big Sis‘ echten Mehrwert bieten. Dabei möchte ich mich aber selbst nicht verlieren – da bin ich ehrlich. Nach der Ausstrahlung kam von heute auf morgen sehr viel Aufmerksamkeit auf mich zu. Das kann ziemlich erdrückend sein. Deshalb will ich schauen, dass ich für mich eine Routine finde, die mir guttut.
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