Malick Bauer und Ivy Quainoo wollen keine Stereotype spielen
Im Gespräch mit Malick Bauer und Ivy Quainoo
Ihr habt den Buzz die letzten Wochen bestimmt schon mitbekommen. Gerade ist auf Disney+ die neue Serie „Sam – Ein Sachse“ erschienen. Die Serie zeichnet den unglaublichen Lebensweg von Samuel Meffire nach, dem ersten Schwarzen Polizisten Ostdeutschlands, der später in die Kriminalität abrutschte und heute als Sozialarbeiter arbeitet.
Wir haben uns mit Hauptdarsteller Malick Bauer und Ivy Quainoo in Berlin getroffen. Im Interview sprechen die beiden über die deutsche Schauspiellandschaft post Black Lives Matter 2020. Außerdem erzählen sie, warum es wichtig ist, dass Diversität nicht nur vor, sondern auch hinter der Kamera gelebt wird und warum „Sam- Ein Sachse“ zwar ein wichtiger Meilenstein, aber noch lange nicht genug ist.
Wie seid ihr zu „Sam – Ein Sachse“ gekommen?
Ivy: Ich habe von meinem Agenten von dem Projekt gehört und bin dann den normalen Castingprozess durchgegangen, erst mit Video Audition und dann später auch in Person. Ich fand die Rolle der Jenny sehr anziehend. Sie ist ein starker, aber auch sehr menschlicher Charakter. Auch die Dynamik zwischen den drei Frauen, Yvonne , Sabine und Jenny, einer weißen, einer mixed und einer dark skin Frau, fand ich sehr interessant.
Und bei dir Malick?
Malick: Das war ein Glücksfall. Ich habe Tyron Ricketts 2019 auf der Curl Con kennengelernt. Ich wollte ihm Respekt zollen und mich bedanken, dafür was er für mich und andere Schauspieler:innen meiner Generation getan hat. Ich profitiere mindestens indirekt von seiner Arbeit. Er meinte dann zu mir, ich würde wie der Mann aussehen, dessen Lebensgeschichte er mit Jörg Winger versucht zu erzählen, schon seit 2005: Samuel Meffire. Das war der Startschuss. Anfangs hatten wir aber noch keine Partner*innen, die sich dem Projekt annehmen wollten, bis 2020 durch BLM die Rassismusdebatte auch in Deutschland angekommen ist. Dann kamen die mutigen Menschen von Disney.
Eine Produktion wie diese wäre vor Black Lives Matter nicht möglich gewesen. Wie hat sich eure Arbeit in den letzten drei Jahren verändert?
Ivy: Ich habe in New York Schauspiel studiert. Als ich 2018 zurückkam, habe ich mich bei verschiedenen Agenturen beworben. Bei einem Gespräch hat mir ein Typ dann mal die Datenbank mit meiner Konkurrenz gezeigt: Nur mixed und light skin Frauen. Seit Black Lives Matter ist viel mehr Interesse da. Mir werden spannende Rollen angeboten, weniger Klischees. Es ist traurig, wie es dazu gekommen ist, aber ich versuche, das Beste daraus zu machen.
Malick: Ich habe vorher vor allem im Theater gearbeitet. Dort war man, was Diversität angeht, schon ein bisschen weiter als im Film. Gleichzeitig war es für mich vielleicht auch etwas einfacher. Colorism is a thing. Ich bin ein Mann und light skin. Das muss ich immer markieren. Denn es macht einen Unterschied. Das ist nicht meine Meinung, sondern leider die Meinung dieses Medienstandorts. Trotzdem habe ich im Kamera- Kontext vor allem Anfragen als „der oder das Andere“ bekommen, primär GIs. Schwarz und deutsch durfte ich nicht sein. Das war immer konträr.
Was lief bei „Sam – Ein Sachse“ anders?
Malick: Was diese Produktion so besonders macht, ist, dass Disney sich auch hinter der Kamera für Diversität eingesetzt hat. Außerhalb von den innovativen Creatorn Tyron Ricketts, Jörg Winger und Chris Silber, unseren tollen Regisseurinnen Soleen Yusef eine kurdische Gigantin und Sarah Blaßzkiewitz, eine begabte Schwarze ostdeutsche Frau – gab es auch Mentoring für junge, diverse Talente auf Entry Level. Die konnten dann von erfahreneren Kolleg*innen lernen. Das war sehr wertvoll. Es gibt viele hungrige junge Talente, man muss sie nur erheben. Der Step: Handwerk darf dabei nicht übersprungen werden.
Warum?
Ivy: Es ist fast ein kleines bisschen wichtiger, im ersten Schritt Diversität hinter den Kulissen zu schaffen als vor der Kamera. Dort sind die Menschen, die entscheiden. Sie wählen die Geschichten, die gespielt werden und auch die Schauspieler*innen.
Malick: Ich habe zum Beispiel auch in anderen Projekten mitgewirkt, wo primär weiße Menschen hinter den Kulissen gearbeitet haben. Sie besetzen dich, weil es auf einmal Förderungsgelder dafür gibt und dann wollen sie aber nicht zuhören, die Deutungshoheit behalten. Das ist eine ganz komische Situation, wo du dann als Künstler gleichzeitig immer dankbar sein sollst, aber es ist 2023! Ich bin Teil der glücklichst geborenen Generation von Schwarzen Schauspieler*innen, die endlich hier mehr oder weniger regulär arbeiten dürfen. Das Problem der Brüder und Schwestern vor uns war es, überhaupt in die Arbeit zu finden. Wir werden dafür kämpfen, dass sich die Situation weiter verbessert.
Ivy: Nur weil es „Sam – Ein Sachse“ gibt, heißt das nicht, dass wir uns jetzt ausruhen können.
Habt ihr Vorbilder in der deutschen Schauspielbranche, die euch den Weg bereitet haben?
Ivy: Auf jeden Fall Liz Baffoe und Florence Kasumba.
Malick: Theodor Wonja Michael, Tyron Ricketts, Günther Kaufmann, Michael Klammer, der auch mitspielt. Das sind Menschen, auf deren Schultern wir jetzt stehen. Wir sind sehr begabt, aber nicht begabter als die, die vor uns da waren. Unsere Generation hat heute mehr Möglichkeiten, sich zu verwirklichen. Hier muss ich auch die Rolle von Jörg Winger betonen, der seit Jahren einen Track Record of Inclusion hat. Der hat Tyron schon 2006 zu SOKO Leipzig geholt, als es hieß, Deutschland sei noch nicht bereit für einen Schwarzen deutschen Protagonisten.
Ivy: Es ist schön, dass du überhaupt so viele Namen nennen kannst, die dich in der deutschen Filmwelt inspiriert haben. Ich habe persönlich nie nach Deutschland, sondern immer ins Ausland geschaut, weil Schwarzen Schauspielerinnen hier gar keine Plattform geboten wurde. Ich hatte vor allem britische und amerikanische Vorbilder. Hoffentlich ändert sich das in naher Zukunft.
Malick: Schwarzsein muss Teil des deutschen Narratives werden, weil es das auch schon immer war. Es wird nur immer wieder verschleiert.
Seht ihr euch als Vorbilder für die nächste Generation?
Ivy: Als Schwarze Künstlerin in Deutschland ist man erstmal ein bisschen mehr mit sich selbst beschäftigt und auf sich fokussiert, weil man Schiss hat, dass Schwarzsein nächstes Jahr wieder aus dem Trend ist. Am Ende des Tages mache ich diese Arbeit natürlich auch für die Zukunft.
Malick: Es gibt einen internationalen Rechtsruck, der anerkannt werden muss. Wir dürfen nicht so tun, als ob alles abgesichert ist.
Ivy: Je größer die Debatte und das Gespräch über Rassismus- und Genderfragen wird, umso größer wird leider auch die Gegenbewegung.
Habt ihr Angst, dass sich die Fronten in den nächsten Wochen und Monaten weiter verhärten?
Malick: Angst ist das falsche Wort. Aber natürlich sieht man zum Beispiel die Kommentare unter unserem Trailer. Da gibt es diverse Energien. In der heutigen neuen Generation habe ich mir aber die Resilienz der alten Generation beibehalten. This is the sweetest time for people that look like us. Wir können jetzt nicht den Staffelstab fallen lassen. Wir müssen da weitermachen, wo andere aufgehört haben. Wie meine Figur in der Serie: immer weiterkämpfen.
Ivy: There’s work to be done.
Wenn ihr euch das nächste Projekt aussuchen könntet, welches wäre das dann?
Ivy: Ich möchte an Projekten arbeiten, bei denen ich aus mir herauskomme und an denen ich wachse. Ich könnte mir zum Beispiel vorstellen, einmal Nina Simone zu spielen.
Malick: Ich möchte keine Stereotype spielen, sondern dreidimensionale Charaktere. Das Gute und das Schlechte: Ich will komplexe Figuren spielen, die menschlich sind und die nicht nur auf ihr Schwarzsein reduziert werden. „Sam“ ist ein Meilenstein. Hoffentlich bewegen wir die Entscheider*innen damit dazu, die nächste Serie zu machen. Ich will mit „Sam – Ein Sachse“ beweisen, dass gute Geschichten universell sind und jede politische Position Protagonist sein kann.
Celia
Celia Parbey ist Berlinerin und Afrikawissenschaftlerin. Sie arbeitet als Redakteurin bei ZEIT ONLINE und frei für verschiedene Online- und Printmagazine. Außerdem ist sie Chefredakteurin vom RosaMag, einem Online- Lifestylemagazin für Schwarze FLINTA* im deutschsprachigen Raum. Sie schreibt zu den Themen: Koloniale Kontinuitäten, Intersektionalität, Feminismus und Rassismus.
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