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Rassismus in Freundschaften

Rassismus ist mächtig. Er wurde erschaffen, um Menschen zu teilen und das funktioniert weiterhin. Er beeinflusst Beziehungen, spaltet Freundschaften, aber kann sie auch stärken und näher zusammenbringen. Wir haben mit unterschiedlichen Schwarze Frauen über ihre Erfahrungen gesprochen und uns überlegt, was die Lösung ist. 

“Du bist ja ziemlich hübsch“

Sarah war mit ihren Freunde*innen auf einem interkulturellen Fest in Hannover unterwegs. Es waren auch viele Schwarze Menschen vor Ort. Einer ihrer Freundinnen, die sie bereits seit über 15 Jahren kennt, drehte sich überrascht zu ihr um und sagte: “Du bist ja ziemlich hübsch, im Gegensatz zu den anderen Leuten, die hier herumlaufen!” Sarah war schockiert: “Es war so random. Wie sollte ich in so einer Situation reagieren?” Letzteres höre ich in allen Gesprächen immer wieder. Die Überforderung, in einem geschützten Freundeskreis eine solche Aussage zu erhalten und in die Rolle einer Entscheidung gedrängt zu werden, die man daraufhin tragen muss. Wenn man es nicht anspricht, könnte es sich wiederholen, sogar schlimmer werden. Doch wenn man es tut, gibt es nur zwei Reaktionsmöglichkeiten: Ablehnung oder Verständnis.

“Sag nicht das N-Wort vor mir!”

Als Schwarze Person in einer weiß dominierten, rassistisch sozialisierten Gesellschaft groß zu werden, ist komplex. Diese Realisierung ist ein schmerzhafter Prozess. Die Metamorphose hin zur Wokeness, sich der gesellschaftlichen Strukturen bewusst zu werden, das Vokabular und die Theorien von klugen Schwarzen Intellektuellen zu lernen, verändert – nachhaltig. Das passt in manchen zuvor geführten Beziehungen nicht mehr hinein, wie das bei Juni aus Berlin der Fall war. “Rassismus ist überall,” stellte Juni fest, als sie sich in einer Hausarbeit dem Thema intensiv widmete. Dadurch begann eine Veränderung, für die ihre damalige beste Freundin nicht so viel Verständnis hatte. Sie stritten sich in einer Nacht, als Junis Freundin das N-Wort verwendete, woraufhin Juni ihr erklärte: “Sag das nicht vor mir.” Sie starrten sich lange an und ihre Freundin antwortete: “Sag du mir nicht, was ich zu sagen habe.” In diesem Moment endete ihre Freundschaft. Bei Sarah endete sie zu ihrem Kumpel mit dem Start ihres Blogs Melanindeutsche. “Als ich ihm erzählte, dass ich gern in England studieren möchte, um einfach mal in einer Schwarzen Gemeinschaft zu leben, war seine Reaktion: Du bist rassistisch. Ich soll keine weißen Menschen abhaben, wegen dieser Aussage.”

“Wenn ich nicht schwul wäre und du schwarz, dann könnten wir zusammenkommen”

“Wenn eine Freundschaft wieder darauf hinausläuft, dass ich diskutieren muss und mich in meiner privaten Umgebung nicht sicher fühle, dann würde ich das nicht mehr machen,” schlussfolgert Juni und ist überzeugt, dass Beziehungen mit People of Color weitaus leichter seien, als mit Biodeutschen. Als sie mit einem Queeren Kumpel auf einer Couch saß und sie heftig lachten, sagte er zu ihr: “Hach Juni, wenn ich nicht schwul wäre und du nicht schwarz, dann könnten wir zusammenkommen!” Sie war sprachlos und ignorierte diese Aussage. “Wenn man solch ein Thema anspricht und sagt, dass man sich diskriminiert fühlt, spielt man mit sehr offenen Karten. Die meisten reagieren nicht so super. Er hatte am Ende alles verdreht und mir erklärt, dass es ihm leid tut, dass ich solche Probleme entwickle.” Sarah und Juni sind sich einig: Es ist wichtig Schwarze Freundschaften zu pflegen, um in einem geschützten Raum zu sein. Doch ist das die Lösung? Nur noch mit Schwarzen Menschen abzuhängen?

“Wenn ich nicht schwul wäre und du schwarz, dann könnten wir zusammenkommen”

“Wenn eine Freundschaft wieder darauf hinausläuft, dass ich diskutieren muss und mich in meiner privaten Umgebung nicht sicher fühle, dann würde ich das nicht mehr machen,” schlussfolgert Juni und ist überzeugt, dass Beziehungen mit People of Color weitaus leichter seien, als mit Biodeutschen. Als sie mit einem Queeren Kumpel auf einer Couch saß und sie heftig lachten, sagte er zu ihr: “Hach Juni, wenn ich nicht schwul wäre und du nicht schwarz, dann könnten wir zusammenkommen!” Sie war sprachlos und ignorierte diese Aussage. “Wenn man solch ein Thema anspricht und sagt, dass man sich diskriminiert fühlt, spielt man mit sehr offenen Karten. Die meisten reagieren nicht so super. Er hatte am Ende alles verdreht und mir erklärt, dass es ihm leid tut, dass ich solche Probleme entwickle.” Sarah und Juni sind sich einig: Es ist wichtig Schwarze Freundschaften zu pflegen, um in einem geschützten Raum zu sein. Doch ist das die Lösung? Nur noch mit Schwarzen Menschen abzuhängen?

Eins zu null für Rassismus

Auch ich hatte mit zwei meiner engsten Freundinnen vor einem halben Jahr eine Auseinandersetzung. Beide können sich nicht mehr so recht an die Situationen erinnern, weil sie für sie nicht so wichtig waren. Wir diskutierten über den Klassiker: “Woher kommst du?” Schlussendlich lautete die Aussage: Ich soll nicht so empfindlich sein und ich mache mich doch letztlich selbst zum Opfer, hab dich nicht so, sei ein wenig positiver. Als ich alleine gegen zwei Personen redete, die mich lieben und ich von ihnen ein ”Also, ich sehe darin kein Problem” und teilweise ein “Nö!” hörte, war ich so tief verletzt, so müde und traurig. Nachdem all meine Energie in diese Unterhaltung floss, lehnte ich mich zurück und dachte: Das schaffe ich nicht. Rassismus ist zu mächtig. Eins zu null für Rassismus! Ich war ausgeknockt.

Heißt das nun, man kann nur mit von Rassismus betroffenen Menschen befreundet sein?

Eine gute Freundschaft ist abhängig davon, ob man einander zuhören – möchte. Empathie, Reflexion und die Fähigkeit sich in andere Menschen hineinzuversetzen, hilft. Es gibt keine Universallösung, wie man effektiv mit rassistischen Strukturen in Freundschaften umgeht. Bis heute habe ich Beziehungen, wo wir dieses Thema umfahren, um nicht davon aufgesaugt zu werden. Ist diese Freundschaft dadurch schlechter? Vielleicht. Ist sie dadurch nicht echt. Nein. Nur wird sie niemals eine tiefere Verbindung einnehmen.

Um Interviewpartnerinnen zu finden, haben wir einen Aufruf auf unserem Instagram Channel gestartet. Was ich daran ausgesprochen faszinierend finde ist: Bei der Verknüpfung Freundschaft und Rassismus kamen nur schmerzhafte Geschichten heraus. Es folgte keine, wo man der Freundin oder dem Freund “Exit Racism” zu schob oder Alice Hasters Buch mit dem Satz: Bitte les dir das durch und es zu einer tieferen Verbindung führte. Genau das passierte mit einer der beiden Freundinnen mit denen ich die heftige “Woher kommst du”-Unterhaltung führte. Eins-eins für die Freundschaft also. Heute versteht sie rassistische Strukturen und wie ich mich damit fühle. Bei der anderen Freundin sieht das anders aus. Doch sie lehrte mich auch, dass ich Verständnis für Menschen haben muss, die den ganzen anti-rassistischen Sprech noch nicht drauf haben. Sie sind keine Rassist*innen, sondern wir alle, auch Schwarze Menschen, sind in rassistischen Strukturen aufgewachsen. Das loszuwerden, ist schwer, schmerzhaft und schwierig.

Als ich Juni aus Berlin fragte, ob sie nun überzeugt ist, dass man keine Freundschaften zu weißen Menschen aufbauen kann, erzählt sie mir die folgende Geschichte: Als es auf Junis Arbeit einen Vortrag zum Thema Rassismus von der Antidiskriminierungsbeauftragten der Regierung gehalten wurde, drehte sich ihre Arbeitskollegin zu ihr um und fragte: “Ist das Thema Rassismus so extrem?” “Ich habe keine Lust mehr, Leuten Dinge zu erklären und mich zu entblößen. Ich möchte nicht in diese Opferhaltung gehen, weil sie so viel Projektionsfläche bietet,” so Juni müde. “Sie sind einfach auf einem ganz anderen Planeten!”

Ohne Schubläden zu denken, ist chaotisch

Ohne Rassismus aufzuwachsen, bedeutet auch, dass man sich damit nicht auseinandersetzen muss. Schwarze Menschen müssen das. Ob sie das wollen oder nicht. Gleichzeitig empfinde ich diese Position als eine große Stärke. Ich sehe dadurch soziale Konstrukte glasklar vor mir. Und ja, für meine weiß gelesenen Freunde*innen sind sie teilweise so gläsern, dass sie sie übersehen. Doch ich kann ihnen dabei helfen, sie zu entdecken. Das erfordert ordentlich Kraft. Manchmal lohnt es sich und manchmal steckt man so viel Energie hinein, öffnet sich und wird dabei verletzt. Was ich aus den Gesprächen realisiere, ist: Rassistische Erfahrungen in Freundschaften schmerzen nachhaltig, sodass sie Narben hinterlassen. Das führt dazu, dass sie teilweise einen Schutzwall aufbauen, der Schubläden trägt. In diesen steckt der Glaubenssatz, dass nicht von Rassismus betroffene Menschen, rassistische Strukturen niemals verstehen können. Doch ich bin überzeugt, dass sie es können, die Frage ist eher, ob sie es wollen. Denn eine Welt ohne diese großen gläsernen Brocken, die Realisierung, dass die Welt nicht weiß oder schwarz ist oder das man seine eigenen Gedanken nicht in Schubläden ordentlich verstauen kann, sondern sie immer wieder umsortieren muss, um die Welt zu begreifen, ist hart. Für einige Menschen lohnt sich der Aufwand nicht. Aber wenn sie es trotz all dieser Widrigkeiten tun, dann heißt es zwei-zu-eins für die Freundschaft.

Ciani-Sophia Hoeder

Ciani

Ein Online-Lifestylemagazin für afrodeutsche Frauen schaffen. Genau das hat sich die 29-jährige Berlinerin in den Kopf gesetzt. Nun ist Cianis Traum wahr geworden. RosaMag informiert, inspiriert und empowert Schwarze Frauen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz.

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