Rosellas im Interview: Naomi Afia Güneş – Schneider
Naomi Afia Güneş – Schneider ist Modemacherin und Aktivistin aus Wien. Außerdem ist sie sichtbare Muslima und stolz darauf. Ihre Existenz musste sie nach ihren Umzug von Hamburg nach Wien verteidigen. Mit sieben Jahren bekam sie ihre erste Nähmaschine, die in Wien wieder zum Einsatz kam. Da sie viele Komplimente für ihre selbstgenähte Kleidung bekam, beschloss sie ihre Leidenschaft zum Beruf zu machen. Aber Kleidung ist mehr als feines Garn. Alles was unter ihre Nadel kommt, ist ein Statement. Was sie zu sagen hat, lest ihr im Interview mit dieser außergewöhnlichen jungen Frau.
***Bestaune und kaufe Naomis Werke von 28.03. – 30.03.2019 beim Pop – Up Shop in der Königsklostergasse 5, 1060 Wien und im April bei der ‚Contemporary Muslim Fashions‘ Austellung im Museum Angewandte Kunst in Frankfurt***
Was machst du?
Momentan bin ich dabei mein Label Naomi Afia zu gründen.
Ich habe letztes Jahr das Kolleg für Modedesign abgeschlossen und meinen Bachelor in Publizistik gemacht. Interessehalber studiere ich berufsbegleitend Islamische Theologie, mit dem Hintergrund mir das Wissen anzueignen.
Egal was ich mache, sei es in der Mode oder der Theologie, es wird alles davon beeinflusst was ich erlebt habe.
Was inspiriert dich?
Mich inspirieren Erfahrungen. Meine eigenen und die von anderen Menschen, vor allem von Black/ People of Color. Die Ausgangspunkte meiner Arbeit sind die verschiedenen Identitäts-Aspekte die ich als schwarze Frau und sichtbare Muslimin in mir vereine. Ganz oft inspirieren mich auch historische und aktuelle Vorreiterinnen und Vorreiter. Einfach andere Leute, die coole Dinge machen, Statements setzen und politisch sind.
Warum hast du mit dem Nähen angefangen?
Ich habe wieder mit dem Nähen begonnen, als ich vor fünf Jahren von Hamburg nach Wien gezogen bin. In Hamburg habe ich zum Islam konvertiert. Mit der Zeit habe ich begonnen als sichtbare Muslima aufzutreten. In Hamburg war es als sichtbare Muslima wirklich egal was ich anhatte.
In Wien hat es gleich in der ersten Woche zwei bis drei Übergriffe wegen meiner Kleider gegeben. Im Sommer trage ich meistens weite und lange Gewänder, wie man sie in meiner Kollektion findet. Ich habe dann begonnen die Gewänder kürzer zu schneidern und habe mir Hosen zugelegt. Notgedrungen habe ich also wieder angefangen zu nähen.
Für mein Publizistikstudium musste ich in PR Krisenmanagement ein Referat vorbereiten. Zu der Zeit war der Zusammensturz der Fabrik in Bangladesch, in der Primark seine Waren produziert, ein großes Thema. Das hat mich wachgerüttelt. Wir wollen möglichst billig konsumieren auf Kosten anderer.
Seit dem heißt es für mich: Fast Fashion adieu! Ich kaufe nur noch Dinge wie Socken bei großen Modehäusern. Den Rest nähe ich selbst, tausche ich oder kaufe Secondhand.
Ich finde es sehr schade, dass wir als Muslime darauf achten, dass unser Fleisch Halal ist, aber bei anderen Dingen nicht so das Bewusstsein dafür da ist, wo die Sachen herkommen die wir konsumieren.
Erzähl etwas über dein Label:
Mein Label ist gerade in der Gründungsphase, ich hoffe dass ich Inshallah bis zum Sommer mein Label offiziell gründen werde.
Als ich begonnen habe meine Kleidung selbst zu nähen, habe ich sehr positive Reaktionen von Freundinnen und Bekannten bekommen, die meine Sachen gleich kaufen wollten.
Für mich waren meine Kleider, trotz unsauberer Nähte, okay. Aber guten Gewissens, hätte ich die Teile so nicht verkaufen wollen. Ich habe mich dann spontan am Modekolleg beworben und ein paar Monate später dann meine zweijährige Ausbildung begonnen. Es war echt eine krasse Zeit. Vollzeitausbildung und die letzten Prüfungen meines Publizistik Studiums haben mich ziemlich ausgelaugt. Ich bin aber total happy, dass ich das durchgezogen habe.
Was genau machst du?
Ich kümmere mich um die Entwürfe, die Schnittkonstruktion, den Einkauf. Stoffdesign mache ich auch sehr gerne, ich liebe es mit Batik und Drucktechniken die Stoffe zusätzlich noch zu bearbeiten. Und natürlich nähe ich auch selbst. Nur die Fotos werden von tollen Fotografinnen und Fotografen geschossen. Es ist echt viel Arbeit und ich habe das Label noch nicht mal wirklich gegründet. Das alles mache ich von zuhause aus.
Was möchtest du mit deiner Mode erreichen?
Ich möchte eine Alternative zu Fast Fashion und dem was wir sonst so kennen bieten. Dabei ist mir nicht nur die Kleidung an sich wichtig, sondern auch die Statements, die ich damit setzte. Die Menschen die für mich Modeln sollen ein Teil der Kollektion sein.
Ich sehe den Bedarf an Modest Fashion die gerecht hergestellt wird. An dem Punkt möchte ich ansetzen mit gewissen Kriterien, die ich an meine Kleidungsstücke habe. Wie etwa Schnitt, Optik und dass ich mit gutem Gewissen etwas verkaufen kann, was meine Kundinnen und Kunden kaufen können.
Meine Mode ist ein klares Statement gegen die klassischen Bilder die wir aus der Mode kennen. Mode ist für mich durch und durch politisch, auch wenn das nicht alle Modemacherinnen und Modemacher so von sich behaupten würden.
In der ersten Kollektion hat zum Beispiel eine Woman of Color ‚Ode to Blackness‘ gesungen. Es war mir sehr wichtig das mit zu transportieren, was für mich die Inspiration dieser Kollektion war. In dem Fall, Gedichte und Texte Schwarzer Frauen und Women of Color.
Wie schaffst du es all deinen Verpflichtungen in deinem Leben gerecht zu werden und die Balance zu halten?
Ehrlich gesagt, funktioniert das nicht immer gut. Ich habe ein Problem mit Zeitmanagement, obwohl es nicht so wirkt. Ich mache alles auf den letzten Drücker.
Die letzte Kollektion habe ich 10 Tage vor dem Shooting genäht, obwohl ich ein halbes Jahr dafür Zeit hatte. Am Besten kann ich einfach unter Zeitdruck arbeiten, das macht es mir leider schwer da dann eine Balance zu finden.
Grundsätzlich sind es Regelmäßigkeit, das Gebet oder Unterrichtseinheiten in Theologie, die mir Struktur geben. Und: Guter Schlaf ist das wichtigste.
Welchen Herausforderungen müssen sich junge Schwarze Frauen in unserer Gesellschaft stellen?
Ich empfinde, dass unsere Existenz und unser selbstbewusstes Auftreten, wenn wir machen, was uns glücklich macht, ein Kampf im Alltag ist. Auf so vielen Ebenen der Gesellschaft erleben Schwarze Frauen Hürden. Das Bildungswesen zum Beispiel ist extrem oft traumatisch oder verletzend für Black/ People of Color. Exotisierung, Sexismus, Rassismus. Verschiedene Aspekte die zusammentreffen und den Alltag oft erschweren.
Mir hat es sehr gut getan mich mit anderen Afro-Deutschen Kids zu vernetzen. Das hat mir total geholfen. Durch Social Media gibt es heute noch mehr Vernetzung. Schwarze Frauen in allen möglichen Bereichen sind sichtbar. Und es gibt Schwarze Vorbilder, etwas das wir damals als Kinder nicht hatten.
Wo kann man die Kollektion kaufen?
Ich arbeite von zuhause aus und habe finanziell kein riesen Startkapital. Zuhause kann ich auch nicht den Stoffvorrat für eine Kollektion mit 30 Teilen lagern. Daher nähe ich die Kollektionen als Musterstücke. Das heißt, ich stelle sie aus, mache Fotos und präsentiere die Kollektion immer wieder.
Man kann die Teile dann bei mir bestellen. Einfach über Social Media oder per E-Mail anfragen.
Was steht bei dir so an?
Von 28.03. – 30.03.2019 habe ich ein kleines Pop-up Event mit zwei anderen Wiener Designerinnen in Wien.
Im April bin ich Teil der ‚Contemporary Muslim Fashions‘ Ausstellung in Frankfurt. Ich freue mich total darüber dabei sein zu können. Auf der Ausstellung präsentiere ich zwei Outfits aus meiner ersten Kollektion. Die Ausstellung ist von 04.03. – 15.09.2019 im Museum Angewandte Kunst in Frankfurt zu sehen.
Auf der Zugehörigen Tagung werde ich auch über Nachhaltigkeit in der Mode sprechen.
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