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    Rote Elefanten, Colorism und Sommerhitze

    Als Elefanten im Raum würde Winnie Akeri das Thema Colorism in Schwarzen Communities beschreiben. Eigentlich ist das Problem offensichtlich und doch bleibt es oft unausgesprochen, wird verschwiegen oder sogar geleugnet. In der neuen Folge vom RosaMag – Podcast “In jeder Beziehung” spricht Winnie deshalb mit Sozialpädagogin Emilene Wopana Mudimu über eine Diskriminierungsform, die auch innerhalb Schwarzer Gemeinschaften die Strukturen bestimmt: Wer wird gesehen und wem wird zugehört? Winnie und Emilene unterhalten sich über die Ursprünge von Colorism und seiner Wirkkraft in Deutschland und weltweit. Außerdem überlegen sie gemeinsam, was getan werden muss, um Colorism effektiv zu bekämpfen.

    Wir haben das Interview für euch auf RosaMag zusammengefasst. Das Gespräch zwischen Emilene und Winnie könnt ihr überall, wo es Podcasts gibt, in voller Länge hören.

    Winnie: Wie würdest du Colorism definieren?

    Emilene: Colorism beschreibt die strukturelle Diskriminierung von Menschen, die darker skinned sind in Schwarzen – aber auch in anderen POC Communities. Je dunkler, je schwärzer die Haut ist, desto weniger werden die jeweiligen Menschen präferiert in verschiedenen Bereichen der Gemeinschaft und desto weniger Privilegien sind vorhanden. Das bedeutet auch, dass eine hellere Haut und Nähe zum westlichen weißen Schönheitsideal gewisse Privilegien mit sich bringt. Colorism beschreibt Strukturen, die wir internalisiert haben. Strukturen, mit denen wir aufgewachsen sind und die wir lange nicht dekonstruiert, sondern als gegeben gesehen haben, obwohl sie aus rassistischen, westlichen und kolonialen Dynamiken entstanden sind.

    Winnie: Wo hat Colorism seinen Ursprung?

    Emilene: In afrikanischen sowie afro – diasporischen Gemeinschaften wurde Weißsein seit dem Kolonialismus immer auch mit Dominanz verbunden. Weiße Kolonialherren kolonialisierten Schwarze Gemeinschaften. Es gab sehr viele Fälle von Missbrauch an Schwarzen FLINTA*. Daraus entstanden Menschen, die mixed waren. Während dark skinned Personen im Hintergrund standen und Arbeiten durchführten, die mit sehr viel körperlichem Schmerz und Leid verbunden waren, wurden mixed Menschen in anderen Bereichen der Gesellschaft eingesetzt. Kolonialherren behandelten sie besser, weil sie eine hellere Hautfarbe hatten. Ich vergleiche diese unterschiedlichen Positionen ungern, weil beide Gruppen sehr stark betroffen waren vom Kolonialismus und der Gewalt, die damit einherging. Nichtsdestotrotz wurden durch diesen kolonialen Kontext Bilder geprägt, die bis heute Schwarze Gemeinschaften beeinflussen.

    Winnie: Dabei geht es nicht nur um die Hautfarbe, sondern auch die Gesichtszüge: Wie breit die Nase ist, die Fülle der Lippen oder auch die Haarstruktur. Es gilt: Je weiter die Menschen abweichen vom europäischen Schönheitsideal, desto mehr werden sie in der weißen Mehrheitsgesellschaft und auch in der Community selbst benachteiligt. Du hast gerade mixed Personen angesprochen. Light skinned Schwarze Menschen haben oft einen europäischen und einen afro-diasporischen Elternteil.

    Emilene: Es gibt aber auch light skinned Menschen, bei denen beide Eltern Schwarz sind. Das sehen wir vor allem im lateinamerikanischen Kontext wie in Brasilien zum Beispiel. Viele Menschen haben denselben afro-diasporischen Hintergrund, aber unterschiedliche Hauttöne. Colorism ist dort als System viel prägnanter etabliert als im europäischen Kontext und bestimmt die Machtverhältnisse.

    Winnie: Kann man Rassismus und Colorism miteinander vergleichen?

    Emilene: Rassismus ist das System, das unsere Gesellschaft definiert. Ohne diesen Rassismus könnte das kapitalistische System, in dem wir leben, gar nicht bestehen. Colorism ist ein Ausdruck davon, was passieren kann, wenn Rassismus in PoC Communities und in afro-diasporischen Communities Dynamiken und Strukturen annimmt. Deshalb würde ich beides gar nicht vergleichen, sondern eher miteinander verwurzeln. Bei Colorism geht es nicht nur um den Hautton, sondern um das, was diesem Hautton gesellschaftlich zugesprochen wird: bestimmte Machtstrukturen, ein bestimmtes Ansehen, bestimmte Positionen.

    Winnie: Warum fällt es uns innerhalb unserer Communities so schwer, über Colorism zu sprechen?

    Emilene: Gute Frage. Ich glaube, dass es dafür global unterschiedliche Gründe gibt. Schwarze Geschichte hat in Deutschland einen anderen Ursprung als in den USA oder in Lateinamerika. Die Schwarze Bewegung in Deutschland wurde von Schwarzen FLINTA* gegründet, von denen viele aus binationalen Familien kamen. Aus dieser Perspektive verarbeiteten und thematisierten sie ihre Identität. Wir müssen aber auch Schwarze Menschen sichtbar machen, die keine deutschen Vorfahr*innen haben, die von woanders hierher migriert sind und einen sehr starken afrikanischen Bezug haben. In Deutschland liegt da nicht der Hauptfokus, da viele Diskurse vor allem von light skinned Personen geführt werden. Wenn man sich die Geschichte der Entstehung der Schwarzen Frauenbewegung in Deutschland anschaut, ist diese Entwicklung vielleicht verständlich. Nichtsdestotrotz werden dadurch am Ende bestimmte Gruppen außen vor gelassen. Hinzu kommt, dass wir uns als afrodiasporische Gemeinschaften beim Thema Colorism selbst reflektieren müssen.

    Winnie: Es ist immer einfacher, auf andere Menschen zu zeigen. Über rassistische Polizist*innen zu sprechen fällt leichter, als sich selbst einzugestehen, dass man seine eigene dunkle Hautschattierung nicht mag. Oder auf der andern Seite einfacher als sich selbst einzugestehen, dass man als light skinned Personen Colorism ignoriert, nicht wahrnimmt oder Vorbehalte gegenüber dark skinned Personen hat.

    Winnie: Für diese Episode haben wir auch Stimmen aus der Community zusammengetragen. Dark skinned Frauen berichten uns darin von ihren Erfahrungen mit Colorism:

    Sprachmemo: “Colorism verbinde ich seit dem ersten Tag mit der Frage “Boah, du bist aber ganz schön Schwarz, oder?”. Wenn ich Leuten Urlaubsbilder gezeigt habe, kam auch oft der Spruch: “Du bist zu Schwarz.” Sowohl in Europa als auch in Afrika bekam ich diesen Satz zu hören. Eigentlich ist das The Story of my life, dass selbst Menschen in Afrika mir erzählen, ich sei zu Schwarz. Ganz explizit in Gambia. Ich hab das lange nicht erwähnt und neutral gehalten, weil ich das Land nicht verraten wollte. In Deutschland höre ich das hauptsächlich von weißen Menschen oder Türk*innen oder Asiat*innen, aber auch von Schwarzen Leuten habe ich schon gehört, ich sei zu Schwarz.

    Emilene: Das ist ein gutes Beispiel dafür, wie dominant Weißsein auch global ist. Rassismus, wie wir ihn beispielsweise hier im deutschen westlichen Kontext kennen, hat im Kongo, wo ich geboren bin, keine so große Relevanz. Dort erfahre ich keinen Alltagsrassismus oder werde angestarrt aufgrund meiner Hautfarbe. Es gibt dort aber Colorism und Colorism wird nicht als Ausdruck von Rassismus wahrgenommen. Sondern eher nach dem Motto: “Wir haben Menschen schon immer als zu dunkel oder Schwarz gelabelt. Das haben wir schon immer so gesagt.” Es ist interessant zu sehen, wie selbstverständlich diese Strukturen auch innerhalb der Community wirken.

    Sprachmemo: “Als ich angefangen habe zu daten, war ich 18,19 Jahre alt. Wenn ich weiße Männer gedatet habe, hatte ich nie das Gefühl, dass es eine Rolle gespielt hat, ob ich dark oder light skinned bin. Wahrscheinlich weil sie sich nicht mit der Thematik auskannten. Dementsprechend fiel es mir da nicht auf. Bei Schwarzen Männern oder People of Color ist mir aufgefallen, dass zum Beispiel meine Light skinned Schwestern in ihren Augen sehr viel attraktiver waren und sie dementsprechend auch öfters angesprochen wurden. Das hat mich schon unsicher gemacht, vor allem als ich jünger war. Damals dachte ich, dass es höchstwahrscheinlich einfacher wäre Typen kennenzulernen, wenn ich light skinned wäre.”

    Winnie: Beliebtheit und Bevorzugung sind da wichtige Stichworte. Wer als schön angesehen wird, zeigt sich ja wirklich schon sehr früh in der Schule oder sogar im Kindergarten.

    Emilene: Colorism kann Menschen in ihrem Aufwachsen und in ihrem Selbstbild beeinflussen. Kindheit und Jugend sind entwicklungstechnisch eh schon schwierige Phasen im Leben. Dazu kommen dann noch Rassismus und Colorism, mit denen dark skinned Schwarze Menschen sich auseinandersetzen müssen und schmerzliche Erfahrungen machen. Das ist nicht einfach, deshalb ist es umso wichtiger, das Thema sichtbarer zu machen und vor allem jungen Menschen die Möglichkeit zu geben, sich anders damit auseinanderzusetzen, als wir es zum Beispiel getan haben, als wir Kinder und Jugendliche waren.

    Winnie: Ein anderes zentrales Thema: Colorism und Dating. Studien aus den USA besagen beispielsweise, dass dark skinned Frauen weniger heiraten oder erst später im Leben, mit über 30 Jahren, im Gegensatz zu light skinned Frauen.

    Emilene: Dating Präferenzen sind ein schwieriges Thema mit sehr vielen unterschiedlich Facetten. Die meisten fangen an zu daten, wenn sie Jugendliche oder junge Erwachsene sind. Diese Zeit kann super stark prägen. Sowohl bei männlich positionierten Menschen, die vor allem light skinned FLINTA* daten, aber eben auch bei dark skinned FLINTA*, denen das Gefühl vermittelt wird, sie seien nicht begehrenswert. Diese Strukturen können nur verändert werden, in dem wir uns damit auseinandersetzen. Wir müssen zugeben, dass wir bestimmte Strukturen internalisiert haben und dass wir diese ansprechen und abbauen müssen. Wenn du dein ganzes Leben lang nur light skinned Personen präferierst, wirst du dein Verhalten nicht von heute auf morgen ändern. Das ist ein aktiver Prozess, auf den du dich einlassen musst.

    Sprachmemo: Wenn ich mir die Rassismus-Debatte in Deutschland angucke, dann sieht man immer wieder dieselben Gesichter, die natürlich sehr wichtige und gute Sachen sagen. Dadurch wird aber dann immer nur eine bestimmte Stimme repräsentiert, die entweder biracial oder light skinned is. Es gibt aber auch Frauen, die dark skinned sind und diese Sachen sagen. Das wird dann aber nicht wahrgenommen. Strukturell hat das ganz klar was mit Colorism zu tun.

    Emilene: Rassismuskritik in Deutschland ist light skin dominiert. Social Media spielt da eine große Rolle. In den sozialen Medien haben wir als Schwarze Menschen Möglichkeiten, Diskurse anzustoßen und sie selbst zu bestimmen. Das ist ein großer Vorteil. Trotzdem reproduzieren wir auch hier Dominanzstrukturen. Wir leben in einer Gesellschaft, in der wir Accounts viel Deutungshoheit zusprechen, wenn sie eine große Reichweite haben. Das ist schwierig. Nicht, dass Menschen mit vielen Follower*innen diese nicht auch verdient hätten. Dahinter steckt ja auch viel Arbeit. Es gibt aber auch viele dark skinned Menschen, die Expertise haben und im Background Grassroots-Community-Arbeit machen. Menschen, die in sehr prekären Strukturen arbeiten, um Personen in unseren Communities unterstützen, die noch prekärer sind. Sie bleiben unsichtbar, sowohl in der Mehrheitsgesellschaft als auch innerhalb der Community, weil sie dark skinned sind und oftmals nicht dieselbe Reichweite haben wie light skinned Aktivist*innen. Diskurse leben aber davon, dass es unterschiedliche Positionierungen gibt. Sie leben davon, dass es immer wieder unterschiedliche Anstöße gibt. Auch bei Colorism. Im deutschen Kontext ist das ein total neues Thema und wird jetzt das erste Mal in verschiedenen Ebenen gedacht und durchstrahlt. Wir brauchen verschiedene Menschen, die sich intensiver damit auseinandersetzen, egal ob sie eine große Reichweite haben oder schon viel Deutungshoheit.

    Winnie: Wie können wir das Problem Colorism angehen? Wo fangen wir an?

    Emilene: Ich wünsche mir, dass wir uns zuallererst damit beschäftigen, welche Strukturen wir selbst internalisiert haben. Im nächsten Schritt brauchen wir eine öffentliche und ehrliche Auseinandersetzung mit dem Thema. Es wird momentan noch viel geschwiegen zu Colorism, obwohl es so präsent ist und jede*r eigentlich weiß, worum es geht. Wir müssen das Schweigen um Colorism brechen, unserer Community zu Liebe. Außerdem müssen wir Räume schaffen, in denen sowohl light – als auch dark skinned Menschen zusammenkommen können, um konstruktiv über das Thema zu reden, nicht nur im Internet. In der Social Media Welt bewegt man sich oft in der eigenen Bubble und kommt schnell in eine Wohlfühl Lage, in der man immer wieder mit denselben Menschen interagiert.Ich würde mir wünschen, dass wir uns stärker aus unseren Bubbles herausbewegen und uns mehr offline begegnen. Mein letzter und auch größter Wunsch ist aber tatsächlich, dass dieses Thema nicht mehr so viel Widerstand hervorruft, vor allem bei light skinned Geschwistern. Diskussionen um Colorism als persönlichen Angriff zu sehen, ist nicht förderlich. So können innerhalb der Community keine Diskurse entstehen. Es ist sehr verletzend, wenn du gegen Widerstand ankämpfen musst, obwohl deine Kritik aus Erfahrungen von Schmerz und Enttäuschung kommen. Ich wünsche mir von light skinned Personen mehr Bereitschaft zuzuhören. Mehr Selbstreflexion. Mehr Support für dark skinned Personen.

    Winnie: Ich möchte mich gerne nochmal an junge dark skinned FLINTA* wenden, die aufgrund des europäischen Schönheitsideals leiden oder auch Hänseleien und Mobbing in familiären Strukturen ertragen müssen. Junge Personen, die sich von Onkeln oder Aunties anhören müssen, sie sollen sich heller machen und Bleaching Cremes verwenden. Denen würde ich gerne sagen, dass Colorism eine Lüge ist, die wir uns gegenseitig erzählen. Menschen, die light skinned und näher am europäischen Schönheitsideal sind nicht schöner oder klüger. Es klingt etwas abgedroschen, aber ich wünsche mir mehr Selbstliebe für dark skinned Personen und dass wir uns selbst so annehmen, wie wir sind. Personen, die sich weigern Colorism als systemischen Problem anzuerkennen, denen muss ich sagen: Das Problem geht dadurch nicht weg. Niemand spricht Menschen, die aus binationalen Beziehungen entstanden sind, das Schwarzsein ab oder den Schmerz oder den Rassismus, den sie in Deutschland erleben. Fakt ist aber, je dunkler man ist, desto mehr Rassismus erlebt man in dieser Welt.

    winnieFOTO

    Winnie

    Winnie Akeri (Sie/Ihr) ist Tochter südsudanesischer Migrant*innen und wurde in Saarbrücken geboren. Nach der Schule studierte sie Soziologie und Politikwissenschaften. Hauptberuflich berät sie Geflüchtete und Migrant*innen zu arbeitsrechtlichen Fragestellungen. Seit 2018 ist sie im Vorstand der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland Bund e.V. (ISD) und seit 2020 bei Rosamag aktiv. Sie beschäftigt sich mit den Themen, Migration, Gender und Anti-Schwarzer Rassismus und Colorism. Winnie tanzt am liebsten zu Afrobeatz, Coupé Decalé und Soukous. Sie liebt Karaoke, isst am liebsten Nudelauflauf mit Speck und Schokoladen Eis.

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