Schauspielerin Sarah Masuch: “Besetzer- und EntscheiderInnen haben meistens automatisch jemand Blondes im Sinn.”
Bild: Lily Erlinger
“In der Theaterszene herrschte damals ein Ton, der sich nicht im Geringsten um politische Korrektheit geschert hat. Nach dem Motto: die Kunst ist frei und darf alles. Auch das N-Wort,” erklärt uns die Schauspielerin, Sängerin, Sprecherin und Mutter aus Hamburg – Sarah Masuch. Wir haben mit Sarah über ihren Weg in diesen besonderen Beruf gesprochen, über ihre Hürden, Learnings und ein paar Tipps, falls in dir auch der Wunsch schlummert, in eine ähnliche Richtung zu gehen.
Wer warst du in deinem vorherigen Leben?
Keine Ahnung. Ein weißer Mann vielleicht? Und jetzt krieg ich einen Crashkurs zum Thema Weiblichkeit, Farbe und Intelligenz.
Wie würdest du dich selbst beschreiben?
Mir hat mal jemand gesagt, ich sähe aus wie eine Mischung aus der Sängerin Sade und Pippi Langstrumpf. Das passt vielleicht auch für innen. Bei mir trifft Humor auf Strenge, Kreativität auf Schüchternheit und ein direkter Ton auf ein sehr weiches Herz. Ich bringe gerne Leute zum Lachen, hab Flugangst, fühl mich auf der Tanzfläche wohl und liebe die Stille. Oder wie es auf meiner Agenturseite steht: Ok, sagte Gott, für jeden Widerspruch, den du in dir vereinst, kriegst du eine Sommersprosse.
Erzähl uns ein wenig mehr über deine Arbeit?
Ich habe am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg angefangen und war fünf Jahre lang Mitglied des Ensembles. In dieser Zeit habe ich viel mit der Regisseurin Ingrid Lausund zusammengearbeitet, die mit ihren, auf Basis von Improvisationen entstandenen, Stücken das Publikum begeistert hat. In ihrem Stück „Hysterikon“ konnte ich als „das Schwarze Mädchen“ zum ersten Mal meine eigene Erlebniswelt auf die Bühne bringen. Texte wie: „Meine Freunde waren in der Antifa, ich nie. Ich fand immer, ich müsste das nicht tun, ich bin ja schon schwarz, ich bin sozusagen ne wandelnde Lichterkette“ sind spontane Improimpulse meines jüngeren Ichs. Danach habe ich überwiegend für Film und Fernsehen gearbeitet, aber auch an kleineren Theatern in Hamburg und Berlin. Zum Beispiel an den Hamburger Kammerspielen in „Grandiose Verlierer“, wo ich eine Schwarze Maria Stuart im Wachsfigurenkabinett gespielt hatte und die Möglichkeit hatte von Jazz über Klassik und Pop alles zu singen, was mir Spaß macht. Am HAU3 in Berlin habe ich vor zwei Jahren mit Anke Engelke in einem Stück von Maryam Zaree auf der Bühne gestanden. „Kluge Gefühle“, eine intensive Auseinandersetzung mit den Gräueln des berüchtigten Evin Gefängnisses im Iran. Eine Zeit lang war ich auch Teil des Kabarettduos „Bleckonweit“, das Christine Prayon, inspiriert von Noah Sows Buch „Deutschland Schwarz Weiß“, gegründet hat. Zusammen haben wir es sogar ins Finale des Hamburger Comedypokals geschafft.
Bild: Lily Erlinger
Was ist deine Motivation dahinter?
Mir geht es beim Spielen um Authentizität und Ehrlichkeit. Ich will Menschen berühren und eine Verbindung herstellen. Etwas Echtes transportieren und Menschlichkeit zeigen und teilen.
Wie und warum hast du mit der Schauspielerei begonnen?
Ich hatte ein Studium der Germanistik und Spanischen Literaturwissenschaften angefangen und wollte mehr Kreativität. Eine Freundin hat mich zu einem Schauspielkurs mitgenommen und ich fing Feuer. Ich brach das Studium ab, um mich an staatlichen Schauspielschulen zu bewerben und bin so an der Bayerischen Theaterakademie in München gelandet.
Was sind die größten Herausforderungen, denen du dich stellen musstest?
Immer wieder den eigenen Zweifeln. Kann ich das, reicht das, wie geht das, warum tu ich mir das an? Und natürlich dem überfluteten Markt. Es gibt so viele talentierte Schauspielerinnen! In einer so großen Gemeinschaft zu denen zu gehören, die Arbeit haben, ist auf jeden Fall eine Herausforderung.
Hattest du als Schwarze Schauspielerin größere Hürden?
Ja und nein. Es war gut für mich, an einem so großen Haus wie dem Schauspielhaus anzufangen. In einer multikulturellen Stadt wie Hamburg konnte man dem Publikum Vielfalt zumuten. Ich habe in klassischen Stücken gespielt und meine Hautfarbe blieb unkommentiert. Aber ich habe seit Beginn meiner Ausbildung und später im Beruf viele Kommentare schlucken müssen, die weh getan haben. In der Theaterszene herrschte damals ein Ton, der sich nicht im Geringsten um politische Korrektheit geschert hat. Nach dem Motto: die Kunst ist frei und darf alles. Auch das N-Wort benutzen. Im Fernsehen ist das anders. Da drückt man sich korrekter aus, aber besetzt wird doch noch sehr weiß. Es tut sich zwar mittlerweile was, weil das Thema Diversity stärker ins Bewusstsein rückt, aber da ist noch viel Luft nach oben.
Wenn im Drehbuch nicht ausdrücklich steht, dass es sich um eine Person of Color handelt, haben Besetzer- und EntscheiderInnen meistens automatisch jemand Blondes im Sinn. Dabei wäre es viel lebensnaher, wenn nicht nur die extra dafür vorgesehenen Parts von Schauspielerinnen of Color gespielt würden. Es ist zwar positiv, dass AutorInnen uns mehr Rollen schreiben, aber das Problem ist, dass es sich dabei meistens um eine weiße Sicht auf nicht weiße Menschen handelt. Ich glaube zum Beispiel, dass mich niemand direkt für mein Leben besetzen würde. Verheiratet mit einem Rechtsanwalt, 2 Kinder, berufstätig, spielt Klavier und hat ein Faible für Mittelhochdeutsch. Würde ich dieses Profil einer Casterin vorlegen, bekäme ich wahrscheinlich noch nicht mal eine Einladung zum e-casting. Darum war es so wichtig, dass ich siebeneinhalb Jahre lang die Frau Doktor in der Lindenstraße gespielt habe. Auf diese Weise können sich Sehgewohnheiten ändern.
Welchen Rat würdest du Frauen geben, die ein ähnliches Vorhaben durchführen möchten?
Just do it. Wer den Wunsch hat, Schauspielerin zu werden, sollte lieber nicht so sehr auf Ratschläge hören. Denn die meisten Menschen werden ihr davon abraten. Es ist wie beim Kinderkriegen: Was es wirklich bedeutet, kann dir sowieso niemand vermitteln. Wahrscheinlich hätten sonst auch viel weniger Frauen den Mut, es zu wagen. Und so ist es auch mit der Kunst: Hör auf dein Herz und deinen Bauch, greif nach den Sternen und lass dir von niemandem erzählen, dass es nicht machbar sei.
Wir sind ja schon gut ins Jahr 2020 gestartet. Was steht bei dir an?
Für mich ist mit dem Jahresanfang meine Zeit als Dr. Brooks bei der Lindenstraße zu Ende gegangen und jetzt stehen die Zeichen auf Neuanfang. Da ich Widder bin, liegt mir das total. Ich mache wieder Musik und schreibe fleißig Bewerbungen. Außerdem arbeite ich an einem musikalischen Abend über Billie Holiday, deren Leben und direkter Ton mich faszinieren. Und dann hatte ich mich eigentlich darauf gefreut in diesem Jahr das Münchner Filmfest in vollen Zügen zu genießen, aber jetzt wurde es ja leider abgesagt. Jetzt hoffe ich sehr, dass das Hamburger Filmfest steht.
Wo und wie können wir uns mit dir austauschen?
Ich bin neu auf Instagram und freu mich über jeden Besuch auf @sarahmasuch ! Manchmal schwirrt mir zwar noch der Kopf von all den Bildern und Reizen auf diesem Kanal, aber ich bin auch begeistert von den Möglichkeiten, sich zu verbinden und den vielen inspirierenden Menschen, die ich da finde. Zum Beispiel eure Aktionen wie #wunderbar habe ich gefeiert. Und immer wieder tauchen Menschen aus der Vergangenheit auf, mit denen man dann endlich wieder in Kontakt kommt.
Ciani
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