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    Unter Schwarzen: Sind “Safe Spaces” heilend, selektiv, beides oder nichts?

    “Veranstaltung in Köln gestern: Kein Einlass für Weiße!,” so lautete der Betreff einer Email in meinem Postfach. Und das an einem Sonntag. Die Zeilen implizieren es bereits. Es handelte sich um eine weiße Person. Ein Mann machte sich, anlässlich des Black History Month mit seiner Frau auf den Weg zu einem Community Event in Köln. Das Paar wusste, basierend auf der Einladung, dass es eine Veranstaltung für Schwarze Menschen ist und erfuhr vor der Tür erneut, dass sie nicht rein können. Dieser Space war für Schwarze Menschen vorbehalten. Das Paar ist sauer. Deshalb diese Nachricht an mich. Ich sollte diesem sehr erregten Menschen erklären, was es also mit Safe Spaces auf sich hat. Und das sofort. 

    Was sind “Safe Spaces”?

    Als Schwarze Person in einer weiß-dominierten Gesellschaft ist man selten “unter Schwarzen”. Von außen betrachtet, erhält man die Frage: Aber warum ist die Hautfarbe relevant? Diese Frage impliziert, dass die fragende Person noch keine Ausgrenzungserfahrungen erlebt hat. Was schön für den Menschen ist, aber das macht es gleichzeitig zu einer Herausforderung, eben diesen zu erklären, warum es mal gut ist, ausatmen zu können, ohne eine große politische, anti-rassistische, intersektionale Diskussion und Aufklärung führen zu müssen. Das machen die meisten Schwarzen Personen, den gesamten Tag. Auf der Arbeit, auf dem Weg zur Arbeit, in einer Bar, im Club, im Urlaub – ständig. Hinter dem Konzept der Safe Spaces steht also die Idee, eine inklusive Umgebung, frei von diskriminierenden Äußerungen, zu schaffen. Frei von Mikroaggression und triggernden Formulierungen. Einfach ein Mensch zu sein, entkoppelt von der eigenen Hautfarbe. Ich würde schon soweit gehen und sogar sagen, dass “Safe Spaces” ein Urlaub vom Rassismus sind. In Theorie versteht sich.

    Wie und wo entstand das Konzept des “Safe Space”?

    Laut dem Buch “Mapping Gay L.A.” von der  Wissenschaftlerin und Aktivistin Moira Kenney, begann das Konzept der Safe Spaces in der Queeren-Szene in den 60er Jahren in den USA. Da die Sodomiegesetze immer noch in Kraft waren, welches bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts alle Sexualpraktiken von gleichgeschlechtlichen Paaren bestrafte, bedeutete ein Safe Space, dass man überhaupt unter Schwulen, Lesben und oder Transpersonen sein, sich austauschen, sprechen, Energie tanken und etwas trinken konnte – zumindest bis die Polizei auftauchte. Diese Bars waren weder „sicher“ im Sinne von risikofrei noch „sicher“ im Sinne von reserviert. Ein “Safe Space” war ein Ort, an dem die Menschen praktischen Widerstand gegen politische und soziale Repressionen erleben konnten. Doch die Begrifflichkeit wurde erst ab den 60er und 70er Jahren in der Frauenbewegung konsequent verwendet. Ein “Safe Space” bedeutete in diesem Kontext, eine Distanz zu Männern sowie patriarchalischen Denken und es war gleichzeitig eine Bezeichnung für eine „bewusstseinsbildende“ Gruppe. Ein „Safe Space“, schreibt  Moira Kenney, „war in der Frauenbewegung eher ein Mittel, als ein Zweck und nicht nur ein physischer Raum, sondern ein Bereich, der durch das Zusammenkommen von Frauen auf der Suche nach Gemeinschaft geschaffen wurde.” Dabei betont  beispielsweise die Gründerin der Organisation “Radical Women”, dass auch innerhalb der Gruppe Meinungsverschiedenheiten herrschten. Es gab eine Hingabe an ein gemeinsames politisches Projekt. Diejenigen, die versuchten, die Bewegung – bewusst oder unbewusst – zu untergraben, wurden draußen gehalten.

    “Without community there is not liberation…” –Audre Lorde  

    Warum sind “Safe Spaces” aktuell so kontrovers?

    Frauenhäuser, Jugendhäuser, Black Church, Moscheen oder Synagogen – all das sind organisch entstandene “Safe Spaces”. Sie müssen keine Regeln aufsetzen oder erklären, dass sie ein Safe Space sind. Ab den 2000ern begann das Konzept in linken Räumen aufzutauchen. So verwendete auch Occupy Wall Street die Begrifflichkeit für Konsens statt für einen Diskursbereich mit diversen Standpunkten für Menschen, die in der weißen hetero-normativen Welt wenig Raum erhalten. Dann folgten Universitäten und von da an, stellte man sich die Frage: Torpedieren Safe Spaces die Meinungsfreiheit? In Yale kam es zu Diskussionen über die Redefreiheit basierend auf der Kritik von Studierenden gegenüber einer E-Mail von Lehrkräften über Halloween-Kostüme und der Benennung von kultureller Aneignung. Proteste an der University of Missouri lösten auch eine Kontroverse über den Schritt, den Präsidenten zu verdrängen, obwohl Schwarze Student*innen auf schwerwiegende rassistische Vorfälle auf dem Campus reagierten, aus. In Großbritannien werden konservative Sprecher*innen daran gehindert eine Vorlesung oder als Gast an Unis zu sein. Das führte dazu, dass die damalige Premierministerin Theresa May eine Gefahr der Meinungsfreiheit sieht, wenn Gegenmeinungen keinen Raum erhalten. In den USA gibt es dafür sogar einen Begriff und zwar “Coddling”, die Verhätschelung, die Millenials und Gen Zs (über dieses Label lässt sich auch streiten) verweichlichen soll, wenn sie Begriffe, Professor*innen und Gäste, als problematisch, triggernd oder rassistisch benennen. Wenn auf Universitäten nicht über “unbequeme” Themen gesprochen werden, wie sollen dann junge Akademiker*innen überhaupt in der wahren Welt bestehen können? Lautet die These.

    Warum braucht es Safe Spaces überhaupt?

    Die hart propagierte “Meinungsfreiheit” ist nicht so frei, wie manch eine*r behauptet. Denn die “Meinung” wird von einer homogenen Gruppe dominiert. Daher ist es nachvollziehbar, dass diejenigen, die sich über “Political Correctness”, das “Coddling”-Phänomen und, oder, auch über “Safe Spaces” echauffieren, eben auch diejenigen sind, die bis dato “Meinungsfreiheit”, also die Meinungen von mehreren unterschiedlichen Menschen, die sich dann auch noch tatsächlich frei äußern dürfen, nicht erlebt haben. Öffentliche Diskurse werden weiterhin von weißen Männern dominiert. Für mich ist das Konzept eines “Safe Space” in Form eines Afrohaar-Workshops logisch, einfach weil ich die real existierenden Grenzen in unserer Gesellschaft erlebt habe und es weiterhin tue. Für den wütenden Herren, der mir seine E-Mail geschickt hat nicht, weil er es einfach gewohnt ist, jeden Raum zu betreten und es ihn nun wurmt, in den einzigen Raum nicht hinein zu dürfen. Ihm gehört die Welt, wieso also nicht dieser Workshop?

    In seiner Argumentation implizit dieser dann das N-Wort und erklärte mir, dass sich Schwarze Menschen in Deutschland überhaupt glücklich schätzen sollten, überhaupt eine Veranstaltung betreiben zu dürfen. Was alles problematisch an sich ist, aber dann stellte ich mir doch die Frage: Verweichlichen Safe Spaces mich? Allein die Interaktion mit dieser Person, war so energieraubend, so anstrengend, dass ich diesem nicht antworten wollte, doch er trollte durch die RosaMag Social-Media-Kanäle mit seiner reversiven Rassismus Idee, dass ich ihn blocken und letztendlich antworten musste. Doch dann kam Hanau. Auf zehn Menschen mit einem sichtbaren Migrationsvordergrund wurde in einem vermeintlichen “Safe Space”, in einer Shishabar, geschossen. Dann dachte ich darüber nach, wie viel Energie dieser weiße Mann investiert, einen Raum einzureißen, indem parallel rechtsextreme Menschen, People of Color hier in Deutschland töten.

    “Wenn man versucht sich vor Rassismus zu schützen, ist das kein Rassismus,” erklärte Joy Apata, als wir gemeinsam darüber diskutierten.

    Natürlich brauchen wir “Safe Spaces”. Doch diese sind nicht so sicher, wie wir hoffen. Doch wie verhält es sich bei unterschiedlicher Marginalisierung, Stichwort: Intersektionalität.

    Deutschland und seine vermeintlichen Safe Spaces

    Auch in Deutschland ist die Kontroverse rund um “Safe Spaces” angekommen: 2015 berichtete die Jungle World über den Ausschluss einer Transperson aus der Fachschaftsinitiative Gender Studies an der Humboldt-Universität Berlin. Ausgelöst durch einen Konflikt bei einer Lehrveranstaltung von Lann Hornscheidt. Laut dem Tagesspiegel, beklagte eine Person of Color* in Hornscheidts Seminar Rassismus, worauf die Transperson erwiderte, dass die Person of Color* dazu in diesem Seminar nicht berechtigt sei, da dies ein “Safe Space” für weiße Transpersonen sei. Die Fachschaftsinitiative jedoch bewertete dieses Verhalten als rassistisch und so kam es zum Ausschluss der Transperson. Laut dem Autor Till Randolf Amelung der über diesen Vorfall im Tagesspiegel berichtete, gäbe es keine Beweise, was genau rassistisch gewesen sei, allerdings lautete die Schlussfolgerung des Autors: Dass es sich um zwei marginalisierte Menschen handelte, die unterschiedliche Erwartungen an das Uniseminar als Safe Space hatten.

    “There’s virtually no way to create a room of two people that doesn’t include the reproduction of some unequal power relation, but there’s also no way to engage in politics by yourself,” Malcolm Harris von Splinter.  

    Ist das Konzept eines Safe Space eine Utopie?

    Die Rechtswissenschaftlerin Kimberlé Crenshaw veröffentlichte 1989 die Arbeit “Demarginalizing the Intersection of Race and Sex: A Black Feminist Critique of Antidiscrimination Doctrine, Feminist Theory and Antiracist Politics,” und klärt ein für alle mal: Ja, du kannst Rassismus und Sexismus gleichzeitig erleben. Das umfasst lediglich zwei Schnittmengen. Es gibt eine ganze Bandbreite intersektionaler Identitäten, die Politik, Gesetzte, Inklusions- und Diversity-Konzepte gar nicht integrieren können (und vielleicht wollen?). Mit Blick darauf ist ein “Safe Space” ein Ideal, welches teilweise so unerreichbar erscheint, dass es so demotivierend auf Idealist*innen wirkt, dass bei dem Versuch danach, bereits aufgegeben wird. Ich spreche aus Erfahrung. Trotzdem hat sich die Begrifflichkeit in der Sprache integriert. So wird es auf HipHop-Partys, wie von dem Berliner DJ-Duo Hoe_Mies verwendet oder eben auf der Afrohaar-Veranstaltung, wie die nette Email, die ich auf einen Sonntag erhielt. Auch wir möchten mit RosaMag einen Safe Space schaffen und erhielten bereits die Kritik, dass wir bestehende Machtverhältnisse unterstützten. Stichwort Colorism. Safe Spaces können in der Hinsicht gefährlich sein, als das sie als ein Etikett der Konformität glorifiziert werden. Was dazu führt, dass Menschen, die beispielsweise ihre Schwarze Identität frisch entdecken und das anti-rassistische Vokabular noch nicht beherrschen, als “triggernd” wahrgenommen werden oder gar als respektlos und dann diesem Space verwiesen werden. Oder sich die Diskrepanz zwischen light-skinned und dark-skinned Privilegien intensivieren. Eines steht fest: Der Begriff “Safe Space” hat in den letzten 50 Jahren einen ordentlichen Wandel vollzogen. Bleibt es eine Utopie oder kommen wir noch dahin?

    Ciani-Sophia Hoeder

    Ciani

    Ein Online-Lifestylemagazin für afrodeutsche Frauen schaffen. Genau das hat sich die 29-jährige Berlinerin in den Kopf gesetzt. Nun ist Cianis Traum wahr geworden. RosaMag informiert, inspiriert und empowert Schwarze Frauen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz.

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