Vom Peinlich sein und davon, als was Du als Schwarze Frau arbeiten darfst
Es gibt da so eine Sache, die finde ich faszinierend. Ich nenne sie jetzt mal so, um es mit ein wenig Abstand betrachten zu können. Es geht um die Arbeit, die Du als Schwarze Frau machen darfst. Das ist nämlich lange nicht jede, sagt uns die Gemeinschaft Schwarzer Frauen.
Was uns die weiße Gesellschaft sagt, zutraut, gestattet oder eher nicht zutraut ist uns leidvoll und hinlänglich bekannt. Wir kennen die Glasdecken oder Bruchsteinmauern, gegen die wir immer wieder laufen und über die wir klettern. Um die soll es hier jedoch nicht gehen. So wichtig und heilend der Blick nach außen auch ist- er befreit uns nicht von einer kritischen Selbstbetrachtung und einer Auseinandersetzung damit, wie wir als Schwarze Frauen auf das schauen, was unsere Beschäftigung ist. Wie sehr wir uns und andere darüber definieren und bewerten, woher diese Bewertungen möglicherweise kommen und was sie mit uns als Gruppe aber auch der Einzelnen machen. Ein paar von uns, mich eingeschlossen, sind nämlich offenbar, bezogen auf ihre Profession zu peinlich für die Schwarze weibliche Gemeinde in Europa. Da es nun aber so ist, dass „unser Schweigen uns nicht schützt“ – danke, Audre Lorde- ist es an der Zeit, darüber zu reden.
Über Berufsdiktate und andere be-dienende Zwänge
Es gibt Berufsdiktate, über die wir lieber Stillschweigen bewahren. Deswegen wird es ab hier jetzt eventuell mal kurz unangenehm und schmerzhaft, ähnlich, als würde ich ein Pflaster entfernen. Wenn diese Wunde dann aber offen liegt und wir sie uns ehrlich mit Mitgefühl und wirklich interessiert betrachten und eine Heilung ohne Keloidbildung anstreben, dann haben wir uns etwas ganz wichtiges zurückerobert. Aber dazu später mehr. Wir sind die Unsichtbaren, Unberührbaren, die, die jede in ihrer Familie hat oder unter ihren Ahnen*innen, über die sie aber gar nicht gern spricht. Gesprochen wird prinzipiell auch lieber über,anstatt mit uns.
Du machst….was?
Geschieht dies doch, dann erinnern Klang, Schwingungen und Inhalt ihrer Worte frappierend an das, was jede von uns aus Gesprächen mit unreflektierten, weißen Menschen kennt. Die Bandbreite dieser Gespräche schwanken zwischen möglichst schnellen Themenwechsel bis hin zur Betroffenheitsspeeches, die direkt aus dem tiefen Tal der Ahnungslosigkeit zu kommen scheinen und die Klaviatur der Stereotype rauf und runter spielen. Sich selbst zu hinterfragen findet nicht statt, ganz im Gegenteil, gern wird von uns verlangt zu erklären, warum wir tun, was wir tun. Kommt dieses Muster jemandem aus einem anderen Kontext bekannt vor?
Wir, das sind die, mit den peinlichen Berufen. Wir sind die, die kochen.
Oder putzen.
Oder pflegen.
Oder betreuen.
Oder gärtnern.
Und das hauptberuflich.
Wir arbeiten in den Berufen, die uns seinerzeit zugewiesen wurden, in die wir hinein gezwungen wurden und die zu verrichten wir keine Wahl hatten.
Während wir uns folgerichtig gegen das Vorurteil, wir wären zu dumm und zu unfähig einen Konzern zu leiten oder eine neue Herzklappe einzusetzen, gewehrt haben, sind wir bedauerlicherweise gleichzeitig dazu übergegangen die Informationen darüber, was „wertvolle Arbeit“ ist und was „niedere Tätigkeiten“ kritiklos zu übernehmen.
Der weiße Feminismus (unsere vorherigen Befehlsgeberinnen), selbst immer noch traumatisiert, tat sein übriges und verkündete die Befreiung der Frau weg vom Kochtopf, Krankenbett und Kinderzimmer, als way to go.
Schüchterne Stimmen, dass es möglicherweise weniger das Problem der Tätigkeit an sich sei, sondern mehr an dem Wert läge, den wir dieser beimessen, wurden im Keim erstickt und diejenige, die sich äußerte, wurde als rückständig, unterwürfig, unwoke (ok, damals hieß es „nicht emanzipiert“) bezeichnet.
Das hatte zur Folge, dass wir alles, was auch nur ansatzweise an eine „niedere Tätigkeit“ erinnerte mieden.
Own your passion, no matter what.
„Du darfst alles werden, was Du willst“. Mashama Bailey zeigt, wie Schwarze Frauen Kochen für sich reclaimen, indem sie ihre Ahnen*innen und ihr Erbe feiern und sich schlußendlich darüber hinweg setzen, ob sie ein Stereotyp bedienen oder nicht. Wie frei sind wir denn bitte, wenn Schablonen und Schubladen, die uns immer schon eingesperrt gehalten haben, davon abhalten, dem Ruf unserer Seele zu folgen?
„Du darfst alles werden, was Du willst“, sagen wir zu denen, die nach uns geboren wurden und zu uns selbst. Ok. Auch Reinigungskraft oder Köch*in oder Gärtner*in oder Pflegefachkraft?
Oder beginnen wir da, unruhig auf unserem Stuhl hin und her zu rutschen? Das selten hinterfragte Postulat der „niederen Tätigkeit“ sorgte und sorgt zudem für eine fatale Spaltung in unserem Denken. Wir bewundern und verehren Frauen wie Rosa Parks (Näherin), Fannie Lou Hamer (Farmarbeiterin), Mary Seacole (Krankenschwester), Maya Angelou (Sexarbeiterin), Madam C.J. Walker (Wäscherin/Friseurin) und Leah Chase (Köchin) für ihre Beiträge zur Schwarzen Geschichte, bringen aber ihren Tätigkeit keinerlei Wertschätzung entgegen und weigern uns ihre Lebensrealität anzuerkennen. Ähnlich verhalten wir uns denen gegenüber, die heute eine der oben beschriebenen Arbeiten nachgehen. Wir sehen auf sie herab oder nehmen sie entweder gar nicht oder als rückständig, peinlich, devot und bildungsfern wahr.
Wer jetzt empört ist und sich fragt, was ich mir erlaube? Das sind Erfahrungswerte, Erkenntnisse und Eindrücke aus über dreißig Jahren Arbeit als Krankenschwester (alte Berufsbezeichnung).
Safe Space? Nicht für die selbst gewählte Profession
Sobald ich im Kreis Schwarzer Frauen (Safe Space? Nicht wirklich, sorry.) erwähne, was ich beruflich mache, stoße ich auf betretenes Schweigen, oder viele „oh’s“ mit anschließendem Schweigen.
In der Regel folgt dann der Hinweis, dass die betreffende Person dies ja selbst niemals könne, ob ich das denn nicht erniedrigend fände, weißen Menschen von der Bettpfanne zu helfen, ob dies denn ein Ausbildungsberuf sei und wann ich denn beginnen würde, Medizin zu studieren. Aber es sei ja gut, dass ich es mache, denn „solche Menschen wie mich“ müsse es ja auch geben. Und mit Geld sei das ja eh nicht zu bezahlen. Kein Witz. Und dann wurde es Frühling im Jahr 2020 und wir kamen in Kontakt mit der Corona- Pandemie.
Und auf einmal sind wir, die Peinlichen relevant. Systemrelevant.
Was im Grunde ein Synonym für „bitte macht weiter Eure Arbeit, auf die wir bisher immer herabgesehen haben, damit es uns bloß nicht schlecht geht“ ist. Ernsthaft? Topfschlagen? Wir haben zwar nicht studiert, aber unsere Mütter haben ganz bestimmt keine Idiotinnen großgezogen.
Also packt die Töpfe in den Schrank und geht mit uns auf die Straße für mehr Lohn und bessere Arbeitsbedingungen, wenn das hier vorbei ist.
Was allerdings echt lieb ist und worüber wir uns freuen sind die von Herzen kommenden Gesten, die wirklich helfen und von denen gibt es viele.
Wert definiert sich auch durch den Inhalt, den wir festlegen und mitbestimmen.
Auf einmal wird begriffen und erkannt, dass Hygiene wichtig ist und es enormen Wert hat, wenn jemand für eine saubere Umgebung sorgt. Auf einmal wird klar, wie zerbrechlich unsere Versorgungslage ist und wie unendlich wertvoll die Kenntnis über den Anbau von dem, was uns nährt. Auf einmal rückt in den Fokus, dass Dir alles Mehl der Welt nicht hilft, wenn Du nicht weißt, wie Du ein Brot backst. Und auf einmal wurde klar, dass die nette Krankenschwester ein bisschen mehr macht, als Menschen den Hintern abzuputzen und Kaffee zu trinken.
Auf einmal ist es sehr egal, wie viele Likes Dein Instagram Kanal hat und zu wie vielen Meetings Du eingeladen bist. Es ist auch nicht so wirklich wichtig, dass Du zu den WOCs gehörst, die „es geschafft“ haben und den kleine Prozentsatz der „Black Elite“ ausmachen (aargh), Du aber keine Ahnung hast, wie Deine Haushälter*in (natürlich zahlst Du sie gut und ihr seid fast wie Freundinnen- als ob) es geschafft hat, die Kinder zu befrieden, ein biodynamisches Fünf-Gänge-Menü für Dich, Bae und die lieben Kleinen zuzubereiten und alle Glasflächen im Haus spiegelblank zu halten.
Und während sich einige von uns im Kreis um ihre Gedanken, sich selbst und mögliche Endzeitszenarien bewegen, sind die, die wir putzen, kochen, pflegen, hüten, pflanzen und bewahren, damit beschäftigt die Welt zu heilen.
Ja, genau so einfach ist das. Und so schwer. Wir nennen das „für andere da sein“ und wissen mit der Faser unseres Seins, was es bedeutet.
Ehrliche Sisterhood
Wir tun das, worauf es am Ende des Tages ankommt. Lebewesen brauchen eine Umgebung, in der sie sich wohlfühlen. Dazu gehört dass die Umgebung gepflegt ist. Dazu gehört, dass es genug zu essen gibt. Dazu gehört, dass dieses Essen gekocht wird. Dazu gehört, dass sich um die Schwachen, die noch zu klein sind oder zu alt oder zu krank, gekümmert wird. Dazu gehört, dass wenn das Leben zu Ende geht, wir da sind. Raum halten für den Schmerz. Hände halten. Anwesend sein. Dazu gehört eine Erde, auf der wir alle leben können und deren Gleichgewicht durch die Pflege des Bodes, des Wassers und der Luft sichergestellt ist. Wir brauchen kein Lob, dass nicht wirklich eines ist. Bitte erspart uns diese Form von Unehrlichkeit. Wir wissen auch so, wer wir sind. Unsere Expertise bewegt sich jenseits der allgemeinen Vorstellungskraft. Uns würde es allerdings freuen, wenn Du das nächste Mal in Deinen Erzählungen, Romanen, Blogbeiträgen, Rants, Vents und sonstigen Äußerungen unsere Existenz nicht nur erwähnst, weil es gerade schick ist #nurse oder #thankyou oder #heroes zu taggen, sondern weil du ein Interesse daran hast, warum wir tun, was wir tun. Könnte spannend sein. In diesem Sinne- Sisterhood is powerful. Oder wird es hoffentlich bald sein.
Monika
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