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    Warum gibt es so viele Rassismen in deutschen Schulbüchern?

    Der zweite Teil vom Black History Month Special zum Thema „Schwarz-deutsche Geschichte und Schulbücher“

    Schule. Der Ort, der dich auf deine Zukunft vorbereitet. Hier entscheiden Lehrer*innen, basierend auf den Inhalten und Auswertungen, die das Kultusministerium pro Bundesland bestimmt, ob du studierst oder nicht. Wie dein Leben verläuft, welche Abschlüsse und welchen Weg du einschlägst, ob dieser leichter oder schwieriger verlaufen wird. Das ist eine große Nummer. Schule, als Institution. Die Vermittlung, die Inhalte in den Büchern, welches Wissen, wie vermittelt wird und auch, was wir nicht lernen. Über letzteres haben wir mit Josephine Apraku gesprochen. Die Journalistin und Afrikawissenschaftlerin hat gemeinsam mit Jule Bönkost das Institut für diskriminierungsfreie Bildung gegründet. Wir wollten mit ihr gemeinsam herausfinden: Warum sind deutsche Schulbücher so rassistisch?

    Von “negriden”, Eurozentrismus und Rassenlehre – Schulbücher im Jahr 2019

    “Schreibe eine Pro- und Contra-Liste, welche positiven Auswirkungen die deutsche Kolonialzeit auf die Menschen in Afrika hatte?”, lautete eine Aufgabenstellung, die Josephine Apraku in ihrer Schulbuchforschung analysierte. Eine Romantisierung und Bagatellisierung der Kolonialzeit. Josephine Aprakus Motivation war es herauszufinden, inwiefern sich der rassistische Diskurs verändert hat. “Die gängige Psychologie der Debatte lautet: Früher war Rassismus viel schlimmer und heute ist alles besser. Das wollte ich mir genauer ansehen,” so die Expertin. Was sie entdeckte war, dass sich die Ausdrucksform von Rassismus zwar verändert hat, doch die stereotypisierenden Bilder weiterhin vorherrschen. Während in den 70ern und 80ern rassistische Fremdbezeichnungen, wie das N-Wort, beherzt abgedruckt wurden, sind diese heute zwar verschwunden, doch die Stereotype bleiben, auch in Bildern. “Früher gab es vergleichsweise wenig Aufgabenstellungen mit Bildern, sondern mehr mit Texten. Ein Beispiel ist eine Lerneinheit über Kolonialismus, die aus eurozentrischer Perspektive konzipiert war. Es zeigte ein Bild von Kindersoldaten, aber das afrikanische Land wurde nicht näher beschrieben. Darin sind die Auswirkungen der Kolonialzeit zu spüren, darauf wird allerdings nicht näher eingegangen.”

    Warum-lesen-wir-nichts über die Schwarz-deutsche Geschichte?

    Unsere Expertin: Josephine Apraku/ Bild: Lars Walther

    Schulbücher bringen Kindern strukturellen Rassismus bei

    Diskriminierung wird institutionell beigebracht, darüber diskutiert die Politik seit vielen Jahren, das eurozentrische Afrikabild, dass einen der größten Kontinente auf dieser Welt, als entweder gewalttätig, hungernd, primitiv oder als exotisch darstellt. Aber auch tief kolonialistische Lehren wurden noch bis letztes Jahr in Sachsen und Hessen gelehrt. Darin sollten Grundschulkinder Nasen, Augen und Münder, den jeweiligen “Rassen” zuordnen. Es wird von „negriden“, „europiden“ und „mongoliden Rassenkreisen“ gesprochen. Im Jahr 2019. Aufgrund des öffentlichen Drucks, wurden die Bücher aus dem Verkehr gezogen. Das dauerte. Erst zeigte das Kultusministerium mit dem Finger auf die Schulleitung, dann letztere wieder auf den Staat. Es ging hin und her. Bis das Kultusministerium dieser Farce einen Riegel vorschub und die Schulbücher verbot. Bildungspolitik par excellence eben.

    Schulbücher richten sich an weiße, heterosexeulle Cis-Männer

    Der Schulbuchmarkt unterliegt der freien Marktwirtschaft. Es agiert in unserer kapitalistischen Gesellschaft. Kurzum: Es sind stinknormale Unternehmen. Nur haben ihre Produkte größere Auswirkungen. Sie prägen die heranwachsenden Generationen in ihrem Weltbild. “Schulbuchverlage machen ihre Arbeit nicht für einen guten Zweck. Das bedeutet: Sie verkaufen die Schulbücher, die nachgefragt sind,” erklärt Apraku. So beschließt  jedes Bundesland autonom, welcher Lernstoff relevant sei. Sobald dieses festgelegt ist, beauftragen die Schulen einen Verlag. Diskrimnierungskritik sind auf dem Curriculum der ausgebildeten Lehrer*innen oder Erzieher*innen auch abstinent. “Schulbücher sind inhaltlich insofern problematisch, weil es Lernangebote sind, die sich an eine ganz bestimmte Gruppe richten,” erklärt Apraku und ergänzt:

    “Wenn wir uns Schulbücher mit Blick auf unterschiedliche Diskriminierungsformen angucken, richten sie sich, nicht nur an weiße Schüler*innen, sondern in der Regel an Männer, also an weiße Jungs, die wenigstens gehobener Mittelstand sind, die heterosexuell sind, die Cis sind. Also eigentlich wird an alle nicht mitgedacht, außer an diese kleine Gruppe.”

    Rassismen sind für alle schlecht

    Die konsequente negative Repräsentation von Schwarzen Menschen in Schulbüchern wirkt sich natürlich auf die Kinder und Jugendlichen im Klassenzimmer aus, aber auch auf die Lehrkräfte. “Schulbücher erhalten die rassistischen Stereotype, die Lehrer*innen haben, aufrecht. Viele Studien zeigen, dass Schwarze Schüler*innen bei gleichen Leistungen, schlechtere Noten sowie vergleichsweise schlechtere Übergangsempfehlungen erhalten und härter Bestraft werden. Das alles unabhängig davon, wie wir uns als Individuen verhalten,” so Apraku. Doch auch nicht Schwarze Menschen beeinflussen stereotypisierende Strukturen, so die Expertin und erklärt unter Bezug auf eine Studie der Universität Stanford, dass wenn die Logik “alle Mädchen sind schlecht in Mathe” vorherrscht, es sich auf die insgesamte Performance einer Klasse auswirkt. Zum einen auf Mädchen selbst, weil die Erwartungshaltung ihnen gegenüber schlechter ist. “Spannend ist: Auch Jungs performen schlechter, weil der Druck natürlich höher auf sie ist, als vermeintlich gut performende Gruppe.” Toxische Erwartungshaltung, ob Hautfarbe oder Geschlecht hemmt also alle Schüler*innen. Wie kommen wir aus diesem Teufelskreis heraus?

    Was ist die Lösung?

    Aufgrund ihrer Arbeit im Institut für diskriminierungsfreie Bildung begegnet Josephine Apraku auch engagierten Lehrer*innen. “Ich setzte mich viel dafür ein, dass es Möglichkeiten gibt, mit ‘schlechtem’ Material, gute Arbeit zu leisten. Weil ich glaube, dass man mit rassismuskritischen Maßstäben, Materialien mit Schüler*innen kritisch hinterfragen kann,” so die Expertin. Das ist allerdings abhängig von der individuellen Motivation der oder des Bildungsverantwortlichen. Sprich, Eltern eines Schwarzen Kindes sollten kräftig die Daumen drücken, dass ihr auf eine*n Lehrer*in trefft, die bei dem Wort “rassistisch” nicht vehement mit dem Kopf schüttelt. Doch gleichzeitig möchte Josephine Apraku, wie bereits im Beitrag “Warum lesen wir nichts über die Schwarz-deutsche Geschichte?” erläutert: Selbstorganisation. Kindern und Jugendlichen eine Alternative zur eurozentrischen Darstellung der Geschichts- und Wertevermittlungen aufzeigen. Gerade, wenn es um die Identitäts- und Selbstwertentwicklung von jungen Menschen geht.

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