Schwarze Frauen & ein höheres Brustkrebsrisiko?
Es gibt viele Dinge, mit denen sich schwarze Frauen auseinandersetzen müssen. Doch kommt auf der Liste der Problemfelder noch eine gesundheitliche Vorbelastung hinzu? Laut den Statistiken aus wissenschaftlichen Untersuchungen, trifft das in den USA zu. In den Vereinigten Staaten erkranken schwarze Frauen häufiger an Brustkrebs und haben darüber hinaus eine höhere Wahrscheinlichkeit daran zu sterben. Wie steht es mit afrodeutschen Frauen? Leider ist die Frage nicht so leicht zu beantworten, trotzdem hat mir das Thema keine Ruhe gelassen. Um tiefer in dieses Gebiet vorzudringen, habe ich mich mit Gudrun Kemper von Breast Cancer Action Germany, einem unabhängigen Frauengesundheitsprojekt der Frauengesundheitsbewegung, unterhalten und einige Studien verglichen.
Jenseits von Ethnien – Warum erkranken heute mehr Frauen an Brustkrebs?
Brustkrebs ist immer noch die häufigste Krebserkrankung bei Frauen in den Industrieländern, obwohl Lungenkrebs ihn in jüngerer Zeit in Sachen Krebssterblichkeit überholt. „Aktuell sterben in Deutschland jedes Jahr rund 465.000 Frauen, die meisten davon jedoch nicht an Brustkrebs. Die Brustkrebssterblichkeit stagniert. Es sind rund 18.000 Frauen, die bei uns jedes Jahr an den Folgen von Brustkrebs versterben“, so Gudrun Kemper. Zum Vergleich: Es sterben sehr viel mehr, über 100.000 Frauen, an Herz-Kreislauferkrankungen. Die Zahl der Neuerkrankungen ist in den letzten zwanzig Jahren angestiegen.
Das kann zum einen daran liegen, dass auch unsere Lebenserwartung sich verbessert hat. Wenn wir länger leben, werden wir entsprechend älter. Damit ist mehr Zeit da, in der sich auch eine Krebserkrankung einstellen kann. Durch die Verfügbarkeit flächendeckendender Screening-Programme, wie das Mammographie-Screening, wird die Diagnose von Brustkrebs früher gestellt und es werden auch mehr Frauen mit Brustkrebs diagnostiziert. Auch Veränderungen im Reproduktionsverhalten spielen im Zusammenhang mit Brustkrebs eine Rolle. Darunter fallen beispielsweise hormonelle Verhütungsmittel wie die Pille, die das Brustkrebsrisiko geringfügig erhöht, aber auch die Tatsache, dass Frauen heute später schwanger werden und weniger Kinder austragen. Eine frühe, voll ausgetragene Schwangerschaft gilt dagegen als ein Faktor, der einen gewissen, aber natürlich nicht vollständigen Schutz vor Brustkrebs gibt.
Genetik und die vielen Gefahren in unserer Umwelt
Es gibt Familien, in denen die Krankheit in allen Generationen Spuren hinterlassen hat. Schon in der Generation der Großmütter und Mütter sind Frauen erkrankt, Tanten, Schwestern, Cousinen können von Brust- oder Eierstockkrebs betroffen sein. Die Krankheit tritt in diesen Familien bei den Betroffenen oft bereits in jüngeren Jahren auf. Aber nicht alle Angehörige erkranken zwangsläufig. Bei familiär gehäuft auftretendem Brustkrebs lassen sich oftmals, aber auch nicht immer, genetische Veränderungen in den sogenannten „Brustkrebsgenen“, wie zum Beispiel BRCA nachweisen, die für das gehäufte Auftreten mitverantwortlich gemacht werden.
„Umweltbelastungen als Ursache von Brustkrebs, werden bereits seit vielen Jahrzehnten erforscht“, sagt Gudrun Kemper, die darauf hinweist, dass Medizin und Gesundheitspolitik bisher mehr auf Diagnostik und Therapie, nicht jedoch auf die Vermeidung von Krebserkrankungen fokussiert sind. „Auswirkungen von Umweltbelastungen, insbesondere von hormonell wirksamen Stoffen auf die Krankheitsentstehung, finden dagegen zu wenig Beachtung. Dies betrifft alle Frauen, ganz unabhängig von ihrer ethnischen Zugehörigkeit. Möglicherweise reagieren aber Frauen mit besonderen Risiken stärker auf umweltbedingte hormonelle Belastungen. Besonders problematisch sind hormonell wirksame Chemikalien, die in der Umwelt eigentlich nichts zu suchen haben. Dies sind zum Beispiel Pestizide, mit denen Obst und Gemüse behandelt werden und die für hormonelle Belastungen bei Nahrungsmitteln sorgen. Aber auch hormonell wirksame Inhaltsstoffe in Kosmetika können über die Haut aufgenommen werden. Frauen und Mädchen sind über die Zusammenhänge bisher kaum informiert. Um solche komplexen Krankheitsursachen zu beeinflussen, wäre mehr Gesundheitsschutz und Änderungen in der Chemikaliengesetzgebung erforderlich“, sagt Gudrun Kemper und verweist auf das europäische Gemeinschaftsprojekt „Citizens for Science“, in dem sich Initiativen und Wissenschaftler*innen gemeinsam für einen besseren Schutz vor Pestiziden in Europa einsetzen.
Brustkrebs in den USA – ein tödliches Pflaster für schwarze Frauen
Der Krebschirurg Harold P. Freeman arbeitete seit den 1960er Jahren in dem sogenannten „sozialen Brennpunkt“ Harlem, wo damals überwiegend ärmere schwarze Frauen lebten. Sie hatten bei einer Krebserkrankung, schlechtere Überlebensraten. Im Krankenhaus in Harlem hatten die damals an Brustkrebs erkrankten Frauen eine Überlebensrate von lediglich 39 Prozent, während im nationalen Vergleich zum gleichen Zeitraum bereits 75 Prozent der amerikanischen Brustkrebspatientinnen die Krankheit überlebten. Eine 2014 erschienene neuere Untersuchung kam zu einem ähnlichen Ergebnis. Hier wurden die Daten aus den 50 größten Städten der USA verglichen. Tatsächlich sind afroamerikanische Frauen weiterhin eine Gruppe, die vermehrt von Armut betroffen ist, obwohl sich seit den 1960er Jahren einiges gewandelt hat.
Gibt es einen ethnischen Zusammenhang zu Brustkrebs?
Nach den Daten von 2014 hatten schwarze Frauen mit Brustkrebs immer noch ein um 40 Prozent höheres Risiko, an den Folgen von Brustkrebs zu versterben. Als Ursachen wurden schlechterer Zugang zu Früherkennungsuntersuchungen und Zeitverzögerungen bis zum Beginn der Behandlung eingestuft. Soziale Ungleichheit und Armut, die schwarze Frauen in den USA vermehrt trifft, führt auch dazu, dass der Weg zur Ärztin oder zum Arzt schon aus Angst vor den Kosten einer Krebstherapie möglichst lange vermieden wird. Auch wurden bei den schwarzen Amerikanerinnen die Qualitätsstandards bei der Therapie schlechter eingehalten. „Für einen Vergleich zur Situation von schwarzen Frauen bei uns in Deutschland fehlen bisher die Daten. Zwar gibt es epidemiologische und klinische Krebsregister, doch einzelne Ethnien oder auch nur der Sozialstatus werden bisher nicht voll umfänglich berücksichtigt. Es wäre wichtig, auch hier weitere Verbesserungen zu erreichen“, so Gudrun Kemper.
Diagnose Brustkrebs – Was heißt das für afrodeutsche Frauen
Anders als in den USA, Großbritannien oder Australien gibt es in Deutschland bis heute jedoch keine genauen Zahlen, wie viele schwarze Menschen, überhaupt in der Bundesrepublik leben. Zum Brustkrebsrisiko, zu Erkrankungszahlen oder Überlebensraten schwarzer Frauen in Deutschland gibt es auch keine speziell ausgewiesenen Daten. Tatsächlich ist es wichtig festzustellen, wie groß die afrodeutsche Gemeinschaft ist, damit wir eine Grundlage haben, um Ungleichheiten zu erkennen, Ansprüche stellen zu können oder Notwendigkeiten zu untermauern. Gibt es bei afrodeutschen Frauen besondere Problematiken im Zusammenhang mit Brustkrebs? Erkranken sie häufiger? Sind betroffene schwarze Frauen gut und ausreichend medizinisch versorgt? Werden sie gleich behandelt oder gibt es Unterschiede? Bis heute können wir leider zu all diesen Fragen nur Vermutungen anstellen.
Ob schwarz oder weiß: Unsere Anliegen als Frauen im Zusammenhang mit Brustkrebs sollten ernst genommen werden. Wichtig sind wissenschaftsbasierte Informationen für alle, verständlich aufbereitet, zu Früherkennung, Therapie und dem Leben mit und nach der Erkrankung. Wir alle brauchen den gleichen Zugang zu den qualitativ bestmöglichen Diagnose- und Therapieverfahren, zu Beratungs- und Unterstützungsangeboten. Und schließlich: Wir brauchen Forschung, die alle Aspekte, auch solche zu ethnischen Gesichtspunkten und die Anliegen von schwarzen Frauen mit Brustkrebs in Deutschland vollständig einschließt.
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