LARY: “ Liebe hat bei mir immer etwas mit Loslassen zu tun“
Fotocredit: Vitali Gelwich
Im Gespräch mit Sängerin LARY
Auf ihrem neuen Album STEREO NOIR vereint die Sängerin und Schauspielerin LARY Sounds aus verschiedenen Jahrzehnten sowie Geschichten von Liebe, Schmerz und dem Heilen. Mit ihrem poetischen Wortwitz lädt sie in ihrem Album in eine Welt ein, die man positiv wieder verlässt. Unsere Autorin Neneh sprach mit LARY über echte Begegnungen, selbstbewusste Frauen und natürlich über die Liebe.
Dein Album STEREO NOIR ist am 10. Mai erschienen. Wie fühlt es sich an, nach sechs Jahren wieder ein Album zu veröffentlichen?
Ich habe die ganze Zeit immer andere Sachen gemacht und deswegen fühlt es sich für mich nicht an, als hätte ich so lange kein Album gemacht. Jetzt hatte ich gerade wieder viel Lust, Songs zu teilen, auf der Bühne zu stehen und meine Fans wieder zu sehen. Es macht mir gerade sehr viel Spaß und es ist schön, wieder Musik zu machen. Ich mache mir nicht so viel Druck, was ein Unterschied zu den Alben davor ist.
Inwiefern hast du dir vorher mehr Druck gemacht?
Ich hatte hohe Erwartungen an mich selbst, an mein Team, und daran, wie die Musik performen wird. Jede Kleinigkeit war mir extrem wichtig. Ich bin immer noch eine Perfektionistin und habe alles genau im Blick, aber ich habe nicht mehr das Gefühl, jemandem etwas beweisen zu müssen. Ich habe ein übertrieben geiles Album gemacht, was einen total positiv beeinflusst. Das reicht mir. Natürlich freue ich mich, wenn STEREO NOIR erfolgreich wird, aber ich definiere mich nicht zu zu 100 % über die Musik. Das fühlt sich gesund an.
Was hat der Albumtitel STEREO NOIR für eine Bedeutung für dich?
Wenn ich STEREO NOIR höre, macht das bei mir im Kopf direkt ganz viele Bilder auf: Film Noir, Marlene Dietrich, Schwarz-weiß, das ist eine Welt, in der ich mich total wohlfühle, auch visuell. Es passt zu meinem Sound und meiner Art zu singen. Noir steht für diese düstere, melancholische Seite. Stereo kam dann dazu, weil es immer mehr als einen Channel gibt. Alles ist immer das, was es ist und auch sein eigenes Gegenteil. Es ist die Geschichte von Balance und Gleichgewicht, die ja auch mein Album hart fragil erzählt.
Wie unterscheidet sich der Sound von deinen vorherigen Alben?
Future Deutsche Welle hatte teilweise einen sehr elektronischen, klaren und poppigen Sound. In dem Album war auch viel Hedonismus dabei. Mein zweites Album hart fragil war eher Eskapismus und setzte sich mit den düsteren Anteilen meiner Persönlichkeit auseinander. Ich würde sagen STEREO NOIR reflektiert am dollsten meine Persönlichkeit. Das liegt daran, dass ich jetzt älter bin und viel mehr weiß, wer ich bin. Als ich die anderen Alben gemacht habe, hat das zu dem Zeitpunkt zwar auch meine Persönlichkeit reflektiert, doch jetzt sind die verschiedenen Facetten meines Charakters zusammengekommen. Meine Stimme und worüber ich rede, bildet den roten Faden in der Musik. STEREO NOIR ist auf jeden Fall melancholisch. Das heißt aber nicht, dass das Album einen runterzieht. Es ist auch ein hoffnungsvolles Album. Und natürlich spielt die Liebe immer eine große Rolle.
Ist der rote Faden auch in der Geschichte zu hören, die du auf deinem Album erzählst?
Auf dem Album sind Songs, die von der Intensität des Anfangs und des Endes einer Liebe erzählen. Und auch von den Höhen und Tiefen der Beziehung und dem Umgang und dem Heilen von Verletzungen. Aber es ist nicht in chronologischer Reihenfolge zu sehen. Es ist kein Konzeptalbum. Ich habe einfach aufgeschrieben, wie ich mich fühle.
Im Song „KEIN MENSCH“ beschreibst du, was Liebe für dich nicht ist. Was bedeutet Liebe denn für dich?
Jede*r liebt anders und definiert das für sich anders. Es gibt so viele unterschiedliche Arten von Liebe. Für mich bedeutet Liebe, sich einer Sache zu ergeben. Liebe hat bei mir immer etwas mit Loslassen zu tun. Und auch mit einer Art von Schmerz. Ich bin ein Kontrollfreak und das zuzulassen fällt mir total schwer. Ich bin sehr vorsichtig geworden, wen oder was ich in mein Leben lasse. Zum Teil verändert sich aber auch, was ich unter Liebe verstehe und wie ich liebe und geliebt werden möchte.
Dein Album ist ein sehr persönliches. Gab es einen Song, bei dem es dir schwergefallen ist, ihn der Öffentlichkeit zu zeigen?
Am Anfang ist mir „PLANET“ schwer gefallen, weil der Song nicht mehr wahr ist. Der war aber mal sehr wahr, deshalb ist es mittlerweile umso schöner, ihn zu singen und mich daran zu erinnern, wie verliebt ich damals war, und dass ich mich so fühlen darf und durfte. Meine Songs spiegeln in den Momenten, in denen ich sie schreibe, immer die Wahrheit wider. Und die spreche ich dann auch gerne aus.
Auch eine Sehnsucht nach echten Begegnungen ist in STEREO NOIR rauszuhören. Wie sehen echte Begegnungen für dich aus?
Intimität. Ehrlichkeit. Wirklich da zu sein, wenn man sich begegnet. Es ist alles so intensiv und schnelllebig. Ich merke, dass ich, egal auf welcher Ebene, keine Kapazitäten für oberflächliche Dinge habe. Ich muss nicht ständig Deeptalks haben, aber ich schätze echte Intimität. Ohne das bin ich inzwischen für nichts mehr zu haben.
Dein Song „STELLA“ ist bereits als Single-Auskopplung erschienen. Wen stellt Stella für dich dar?
Ich wollte unbedingt einen Song machen, der einen Frauennamen trägt. Stella ist eine Mischung aus einer Frau, die ich in Paris kennengelernt habe, und der Frau, die ein bisschen in uns allen steckt und die wir alle ein bisschen mehr rauslassen können. Stella steht aber auch für die Renaissance des Selbstbewusstseins der Frauen. Sich nicht zu entschuldigen, sich zu nehmen, was man möchte und sich zu trauen, Verführerin zu sein oder auch nicht. Sie steht dafür, sich zu trauen, alleine zu sein, zu trauen, einsam zu sein, zu trauen, nicht zu wissen, was als nächstes kommt. Oder für die Freiheit, keine Kinder zu wollen. Und die Frage: Wer bin ich, wenn ich nicht nur Frau bin? Dieses Neu-Definieren von Frausein, das ist für mich Stella.
Du hast auch eine französische Version des Songs auf das Album genommen und tanzt im Musikvideo durch Paris. Was für eine Bedeutung hat die Stadt für dich?
Ich lebe neben Berlin auch in Paris. Wenn ich nach Paris komme, atme ich direkt auf. Da bin ich genau die, die ich gerade sein will. Die Stadt triggert die Seiten meiner Persönlichkeit, die ich besser kennenlernen möchte. In Paris habe ich anders Zeit für mich. Es ist mehr Genuss und Berlin ist so mehr Konsum. Ich liebe die Sprache und habe auch noch mehr Songs auf Französisch aufgenommen. Die sind aber nicht auf dem Album. „STELLA“ klingt einfach sehr gut auf Französisch.
Du bist inzwischen schon lange in der Musikbranche. Wie hat sich deine Arbeit als Sängerin in den letzten Jahren verändert?
Ich bin jetzt bei Supow, dem Label von Patrice, und wir haben ein total tolles Team von fünf Menschen, die alle BIPoC sind. Es ist total schön, weil wir wie eine Familie sind, die auf Augenhöhe operiert. Wir haben Expertise auf unterschiedlichen Ebenen und sind immer loyal to the art. Das ist wahnsinnig schön. Auch wenn es insgesamt mehr Arbeit und damit anstrengender ist, weil ich weniger Leute und weniger Geld zur Verfügung habe. Aber es ist sehr echt. Für mich ist es die schönste Arbeitssituation, die ich je hatte.
Worauf hast du dich bei der Veröffentlichung vom Album am meisten gefreut?
Darüber, dass die Songs das Licht der Welt erblicken. Über das Album und die Songs zu reden, sie zu spielen und Feedback zu bekommen. Und auch darauf zu hinterfragen: Ist da was dabei, was die Menschen bereichert oder inspiriert mehr sie selbst zu sein? Das wäre für mich das schönste Geschenk. Oder auch wenn jemand sagt: Ich hab dein Album gehört und fand mich danach selber ein bisschen cooler.
Was ist das perfekte Setting, um STEREO NOIR zu hören?
Also ich würde sagen, es gibt verschiedene. Bei meinem letzten Album war immer ganz klar: im Auto auf dem Weg nach Hause vom Club. Aber jetzt würde ich sagen, vielleicht zu Hause beim Fertigmachen. Es ist trotzdem auch ein gutes Auto-Album, weil es so nah ist und dich in eine Welt einlädt. Aber ja, es ist auf jeden Fall eins, was Spaß macht. Man kann es eigentlich immer hören. Das hätte ich vorher über keines meiner Alben gesagt. Das ist aber eins, was man sich immer geben kann. Es macht einfach Bock.
Neneh
Neneh ist Musikerin und freie Journalistin. Sie studiert im Master Musikwissenschaften in Berlin und machte unter anderem Beiträge für SWR2, taz, missy Magazine und t-online.
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