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    Sabrina Strings: „Fearing the Black Body: The Racial Origins of Fatphobia“

    Fotocredit: Steve Zylius

    Im Gespräch mit der Professorin Sabrina Strings

    Männer können den Körper einer Frau betrachten, um ihren Wert zu bestimmen, um festzustellen, ob sie Zuneigung, Liebe und Respekt verdient oder nicht. So wird sichergestellt, dass sich Frauen vor allem darauf konzentrieren, ob sie für Männer attraktiv sind oder nicht. Dabei gibt es in unserer Community so viel wichtigere Themen, die angegangen werden müssten. Es ist eine bequeme Ablenkung,” erklärt Sabrina Strings im Interview. Sabrina Strings ist Assistenzprofessorin für Soziologie an der University of California. In ihrem Buch “Fearing the Black Body: The Racial Origins of Fatphobia” setzt sie sich mit den rassistischen und religiösen Ursprüngen von Fatphobia auseinander. Wir haben uns mit ihr unterhalten.

    Unsere Gesellschaft ist besessen von Körpergewicht. Schon von klein auf wird Kindern beigebracht, dass ihre Körper einem bestimmten Ideal entsprechen müssen, damit sie liebenswert sind. Die Diätbranche macht jährlich Milliarden mit der Angst vorm Dicksein. Eine gesamte Industrie, die nur darauf abzielt, vor allem jungen Frauen einzureden, dass ihre Leben nur innerhalb des dünnen Ideals einen Wert haben. Wer diesem nicht entspricht, wird stigmatisiert und diskriminiert, im Alltag, in den Medien, beim Arzt. Fettfeindlichkeit (Fatphobia) ist fest verankert in den Grundfesten unserer Gesellschaft und sie trifft besonders oft Schwarze Frauen. Uns wird eingeredet, wir müssten einem bestimmten westlichen Schönheitsideal entsprechen, das nichts mit der Realität unserer Körper zu tun hat und uns von vornherein ausschließt. 

    Aber woher kommt das gesellschaftliche Stigma gegen Körper, die nicht dem Konstrukt der sogenannten „Idealmaße” entsprechen? Und was hat das mit „Rassenlehren” zu tun? Mit diesen Fragen setzt sich Sabrina Strings in ihrem Buch auseinander. Sie erklärt, wie das Schlankeitsideal gesellschaftsfähig wurde und welche jahrhundertelangen Auswirkungen es vor allem auf Schwarze Frauen hatte.

     


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    Was hat Sie zu Ihrem Forschungsprojekt inspiriert?

    Historisch betrachtet, haben sich Diskussionen um das dünne Schönheitsideal hauptsächlich auf weiße Frauen aus der Mittelschicht konzentriert. In den frühen 2000er Jahren gab es aber in den Vereinigten Staaten keine Community, einschließlich Women of Color, die nicht von der slender aesthetic, betroffen war. Ich wollte dieses Thema untersuchen, weil ich Frauen getroffen habe, die aus Angst davor Gewicht zuzunehmen bereit waren, ihre HIV-Medikamente abzusetzen. Sie waren bereit, ihr Leben zu riskieren. Es ist ein wichtiges Thema und der rassistische Aspekt dahinter wurde bis dato nicht gründlich untersucht.

    Warum haben Wissenschaftler*innen so lange gebraucht, um die rassistische Komponente von Fatphobia zu analysieren?

    Das liegt an den Personen, die sich bisher für das Thema interessiert haben. Die Forschung in den 1980er und 90er- Jahren wurde größtenteils von weißen Feminist*innen betrieben, die aus ihrer Perspektive heraus das dünne Schönheitsideal hinterfragten. Sie erklärten, dass Frauen dadurch unterdrückt wurden. Natürlich ist die Unterdrückung von Frauen ein wichtiges Element, aber das ist nicht das einzige Problem. Weißen Frauen wurde nicht nur von Männern gesagt, dass sie abnehmen sollten, sie nahmen das Schlankheitsideal auch als eine Form der Überlegenheit ihrer Race an. Dieses Thema greift mein Buch auf. 

    Zu Beginn des Buches erklären Sie, wie im 19. Jahrhundert Dünnsein (Thinness) unter Ärzt*innen und Wissenschaftler*innen als Epidemie wahrgenommen wurde, während dicke Körper als gesund galten. Wann hat sich die Einstellung dazu geändert?

    Im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert. Zu dieser Zeit begann das medizinische Establishment Regeln aufzustellen, nach denen Menschen ihr Leben führen sollten. 

    In der Medizin übten vor allem Versicherungsunternehmen einen großen Einfluss aus.  Sie behaupteten, dass Menschen ein erhöhtes Sterblichkeitsrisiko hätten, wenn ihr Gewicht über einem bestimmten Wert lag. Diese Einschätzung stützte sich auf äußerst begrenzte Daten von überwiegend weißen Männern aus der Mittelklasse. Die Versicherungsunternehmen wollten Personen, die sie für zu dick hielten, nicht versichern und Ärzt*innen folgten ihren Vorgaben. Deshalb fingen sie an, Menschen zu ermutigen, auf ihr Gewicht zu achten. Da steckte von Anfang an ein wirtschaftlicher Aspekt hinter. 

    Sie erwähnen, dass „nur wenig Menschen versucht haben zu erklären, wie in der Vergangenheit Dicksein mit Schwarzsein in Verbindung gebracht wurde.” Können Sie einen Zeitpunkt festmachen?

    Als Europäer*innen erstmalig mit Afrikaner*innen in Kontakt kamen, waren sie fasziniert von ihnen. Sie fanden Schwarze Frauen überaus attraktiv, behaupteten, sie seien alle üppig und wollüstig und widmeten ihnen eine Vielzahl von Gemälden. 

    Als der transatlantische Sklavenhandel anstieg, erklärten Kolonialist*innen und „Rassenwissenschaftler*innen“ Schwarze Menschen zur unterlegenen Gruppe, um die anhaltende Versklavung zu rechtfertigen. Im 18. Jahrhundert wurde deshalb das Narrativ verbreitet, Afrikaner*innen seien unfähig, sich selbst zu kontrollieren. Es wurde behauptet, dass Schwarze Menschen einen erhöhten Sexualdrang hätten und dass besonders Schwarze Frauen es lieben würden, unverhältnismäßig viel zu essen. Da sie angeblich ihre Essgewohnheiten nicht kontrollieren konnten, galten sie als übermäßig dick. Für viele weiße Menschen war das der Beweis, dass Schwarze Menschen von Natur aus minderwertig seien.  

    Hat sich die sogenannte „Rassenlehre” speziell mit dem Gewicht von Frauen befasst?

    In der „Rassenkunde”, die ihren Ursprung im 17. Jahrhundert hatte, ging es immer auch darum, Unterschiede im Aussehen von Frauen aufzuzeigen. Die allerersten rassistischen wissenschaftlichen Abhandlungen befassten sich deshalb mit dem Aussehen von Frauen in verschiedenen Teilen der Welt. Anfangs wurde wenig über das Gewicht gesprochen. Ab dem 18. Jahrhundert war es üblich, das Gewicht von Frauen zu kommentieren.

    Sie erklären, dass „Wissenschaftler*innen gezeigt haben, dass die Angst vor dem Dicksein häufig Frauen mit niedrigem Einkommen und insbesondere Schwarze Frauen betrifft.” Hat Fatphobia auch etwas mit gesellschaftlichen Klassen zu tun?

    Absolut. Das ist eng miteinander verflochten. Ein Paradebeispiel für Intersektionalität sozusagen. Aufgrund der Sklaverei und verschiedener Einwanderungsregeln, die sich auf Schwarze Frauen und andere Women of Color ausgewirkt haben, sind sie oft finanziell schlechter aufgestellt. Menschen, die in der heutigen amerikanischen Gesellschaft und im gesamten heutigen Westen verarmt sind, haben oftmals nur Zugang zu billigeren, schwereren und weniger nahrhaften Nahrungsmitteln. Das sind die Lebensmittel, die in ihrer Umgebung verfügbar sind. Deshalb wiegen Menschen mit niedrigem Einkommen heutzutage tendenziell mehr. Gewicht kann auf diese Weise als Klassenindex dienen. Es gibt viele Faktoren, die zum Körpergewicht beitragen und der Klassenstatus gehört dazu. Dicksein wurde historisch lange verteufelt. Dadurch sind Schwarze Frauen und Women of Color mit niedrigem Einkommen meist als faul, gierig und ohne jegliche Selbstbeherrschung abgestempelt worden. Dieser Diskurs hält sich seit dem 18. Jahrhundert.

    Sie schreiben auch: „Für viele britische Philosophen erforderte die Beurteilung von Schönheit die überlegenen Fähigkeiten des rationalen (männlichen) Geistes.“ Wurde der Standard für weibliche Schönheit in der Vergangenheit immer von weißen Männern festgesetzt?

    Soweit es uns im Westen bekannt ist: Ja, würde ich sagen. Gerda Lerner, die über den Ursprung des Patriarchats schrieb, sagte, dass die Beurteilung des Aussehens von Frauen schon immer ein wichtiges Machtmittel war. Sie konnte diese Entwicklung über Tausende Jahre zurückverfolgen. Einige der ältesten Gesetze der Weltgeschichte haben festgelegt, wie Frauen in der Öffentlichkeit auftreten sollten, wie sie aussehen sollten, was sie anziehen sollten und mit wem sie sich treffen durften.

    Zu welchem ​​Zweck haben Männer Frauen vorgeschrieben, wie sie aussehen sollten?

    Die oberflächliche Beurteilung von Frauen ist im Interesse von cis-heterosexuellen Männern. Es dient dem Patriarchat, Frauen auf sexuelle Objekte zu reduzieren. Männer können den Körper einer Frau betrachten, um ihren Wert zu bestimmen, um festzustellen, ob sie Zuneigung, Liebe und Respekt verdient oder nicht. So wird sichergestellt, dass sich Frauen vor allem darauf konzentrieren, ob sie für Männer attraktiv sind oder nicht. Dabei gibt es in unserer Community so viel wichtigere Themen, die angegangen werden müssten. Es ist eine bequeme Ablenkung.

    Sie erwähnen auch, dass die Kontrolle von Schwarzen Frauenkörpern immer auch eine Methode zur Überwachung weißer Frauenkörper war. Wie wurden sie gegeneinander ausgespielt?

    Wenn wir über Race und Rassismus sprechen, diskutieren wir meist darüber, wie sie sich negativ auf Schwarze Frauen und andere Women of Color ausgewirkt haben. Das ist ein wichtiger Aspekt. Die Bedeutung von Race und Rassismus für das Leben weißer Frauen wird dabei jedoch unterschätzt.

    Historisch gesehen haben auch sie Macht über Schwarze Menschen ausgeübt, was sie zu Täterinnen im System der Unterdrückung machte. Aber das Konzept von Race hat zwei Seiten. Weiße Frauen müssen sehr vorsichtig sein, wie sie in der Gesellschaft auftreten. Sie müssen sich auf eine Weise präsentieren, die den Vorstellungen von White Supremacists entspricht. Dadurch setzt White Supremacy nicht nur Schwarze Frauen und andere Women of Color herab, sondern dient auch als Mechanismus zur Disziplinierung des Verhaltens weißer Frauen.

    In „The Rise of the Big Black Woman“ erzählen Sie die Geschichte von Sara Baartman (Saartjee) oder der „Hottentot Venus“, wie sie genannt wurde. Wer war sie?

    Sara Baartman war eine Sklavin, geboren in Kapstadt, Südafrika unter britischer Herrschaft. Ihr Besitzer ließ sie zur Unterhaltung verwundeter Soldat*innen in Krankenstationen auftreten. Unter den Zuschauer*innen befand sich ein britischer Unternehmer, der es für lukrativ hielt, sie nach Europa zu schicken, damit sie vor einem breiteren europäischen Publikum auftreten konnte. Sie reisten zuerst nach London und dann nach Paris. Dort wurde sie als Kuriosität ausgestellt. 

    Das europäische Publikum glaubte, eine „Venus“, das perfekte Beispiel afrikanischer Schönheit zu sehen. In einigen Berichten wurde sie als drei Meter groß und drei Meter breit beschrieben. Sie wurde exemplarisch für die sogenannte „Adipositas” Schwarzer Frauen und diente in der europäischen Fantasie als Beweis für deren Barbarei.

    Ist Sara Baartmans  Geschichte der Beginn der weitverbreiteten Fetischisierung von Schwarzen Frauen, die wir heute noch beobachten können?

    Die Fetischisierung des Schwarzen Körpers geht auf den Beginn des Sklavenhandels zurück. Im 14. und 15. Jahrhundert, während des ersten Kontakts zwischen westeuropäischen Mächten und afrikanischen Kolonien, galten Schwarze Frauen als kleine Kuriositäten. Besonders im 15. Jahrhundert wurden sie als winzig, aber kurvenreich fetischisiert.

    Die Verbreitung von „Rassenlehren” veränderte diese Wahrnehmung. Die „Rassenforschung“ legte nahe, dass Schwarze Menschen sich nicht beherrschen könnten, da sie zu gern im Überfluss essen würden. Ein Grund, um sie unter Kolonialherrschaft zu stellen. Die Verbreitung „rassenwissenschaftlicher” Literatur im 18. Jahrhundert führte dazu, dass Schwarze Frauen nicht länger als klein und üppig oder klein und schlank, sondern als zu groß und völlig außer Kontrolle angesehen wurden. 

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