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    Fabienne Sand

    “Ich habe meinen Rassismus nicht verstanden”

    Auf einen Kaffee mit Fabienne Sand 

    Die Sonne scheint und glitzert in den Scheiben der geparkten Autos. Ich mache es mir mit Fabienne in ihrem Kiez in Berlin-Neukölln mit einem Kaffee bequem. “Ich habe mich als Schwarzen Menschen nicht verstanden,” erklärt Fabienne und beschreibt ihr Schwarzes identifikatorisches Erwachen. Fabienne Sand ist einer der größten Stimmen in der digitalen PoC-Bewegung. Endlich lerne ich die Frau hinter den Instagram Stories kennen, die das flüchtige und für oberflächlich proklamierte Social Medium nutzt, um ihre Follower über White Saviorism oder alltagsrassistische Sprache aufzuklären. Seit drei Jahren schreibt Fabienne Sand über ihre Erfahrungen als afro-diasporische Frau in Deutschland. Ich habe mit Fabienne über ihre Rassismuserfahrungen gesprochen, wie sich ihre Identität durch das Schreiben veränderte, über light-skinned privilege und wie der innere Druck mit einer steigenden Reichweite steigt.  

    Physisch untertauchen, digitales erwachen

    Seit sechs Jahren wohnt Fabienne nun in Berlin-Neukölln. Für sie ist es ein Ort, wo sie in der Masse untertauchen kann, wo sie eben nicht die einzige Schwarze Frau ist, wo sie nicht im Vergleich zu ihrer Heimat in Lübeck angestarrt wird. “Die erste große Stadt, die ich damals mit meiner Mutter besucht habe, war London. Da war ich 16 Jahre alt. Ich war so fasziniert davon, dass ich da so einfach da bin und kein Mensch, sich um dich schert. Deswegen war es mir super wichtig, für mein Studium in eine Großstadt zu ziehen und Berlin war da die naheliegendste Version,” erklärt sie. Fabienne Sand ist 26 Jahre alt und studiert an der Universität der Künste “Gesellschaft und Wirtschaftswissenschaften”. Seit über drei Jahren schreibt Fabienne über ihre Erfahrungen als afro-diasporische Frau in Deutschland, über popkulturelle Vorgänge, über die Gesellschaft in der sie lebt und über das Frau sein. “Es war ein krasser identifikatorischer Prozess für mich,” erklärt Fabienne und ergänzt: “Ich habe davor nie geschrieben. Ich habe sehr lange in der PR gearbeitet und brauchte einen Nebenjob. Über einen Zufall habe ich die Girls von Thisisjanewayne 

    kennengelernt und durfte bei denen anfangen.” Thisisjanewayne ist ein feministischer Lifestyleblog. Ein “weißes Outlet”, wie Fabienne erklärt. Für die Leserinnen war es neu, nicht nur über Sexismus zu lesen, sondern auch über Rassismus und den intersektionellen Feminismus, die Überschneidung von verschiedenen Diskriminierungsformen in einer Person, wie Schwarz und eine Frau zu sein, wahrhaftig auszuleben. Mit Black Girls Confessions schrieb sich Fabienne, fast schon therapeutisch, all ihre rassistischen Erfahrungen von der Seele. “Ich habe ihnen gezeigt, dass es einen Bedarf gibt. Die Leute waren richtig shocked,” beschreibt Fabienne ihre ersten Beiträge, in denen sie ihren Schreibstil entwickelte. Erfahrungen und Beobachtung, die Fabienne, als afro-diasporische Frau selbst erlebte, gepaart mit statistischen und wissenschaftlichen Befunden, um ihre Thesen zu untermauern. “Es braucht die persönliche Geschichte, um zu verstehen, was es bei den Personen auslöst. Welche Tragweite rassistische Problematiken haben und dass es bei einzelnen Menschen zu Traumata führen kann.”  

    Fabienne Sand von This is Jane Wayne

    Quelle: Fabienne Sand 

    Die laute, die quirlige = die Schwarze

    Laut, latent aggressiv und quirlig waren Attribute, die Fabienne immer wieder von der Schule bis zum beruflichen Alltag begleiteten. Fabienne merkte, dass sie im Vergleich zu ihren weißen Freunden und Freundinnen andere Erfahrungen machte. Sie wusste, dass sie nicht so weiß ist, nicht so glatthaarig, dass Schwarze Menschen sie auf der Straße grüßten, doch sich selbst als Schwarz oder als afro-diasporisch zu bezeichnen, dass konnte sie noch nicht artikulieren. Sie hatte eine holprige Schullaufbahn, da sie immer wieder Probleme mit Autoritätspersonen, wie Lehrerinnen und Lehrern hatte.

    “Ich habe nicht so richtig gecheckt, warum ich so auffalle?”

    “Ich sehe etwas anders aus. Ich habe eine relativ tiefe Stimme, aber ich konnte mich nicht damit identifizieren, als die lauteste, latent aggressive geclaimt zu werden.” Fabienne beschreibt etwas, dass vermutlich viele afrodeutsche Frauen und Männer erleben. Wie das homogene Bild, dass viele Menschen in Deutschland von Schwarzen Menschen haben, jungen heranwachsenden auferlegt wird. “Teilweise passten die Zuschreibungen in manchen Situationen und dann war es ok für mich, die laute, aggressive, crazy Person zu sein. Als ich dann gemerkt habe, dass es sich irgendwie durchzieht, also, sobald ich in neue Freundeskreise, Arbeitskontexte kam, immer wieder als diese Person wahrgenommen wurde, wusste ich, dass kann nicht stimmen.” 

    Sie erklärt, dass rassistische Prozesse im Schul- und Lernkontext für afro-diasporische Menschen in einer weißen Mehrheitsgesellschaft, eine prägende Auswirkung auf ihre Identitätsbildung haben. “Weil man allein ist und noch dazu jung. Man kanalisiert, dass man diese Person ist, die die ältere und autoritäre Person, dir zuschreibt. Du hinterfragst das nicht und genau dieser Grundprozess war für mich total crazy,” versucht Fabienne ihre ersten greifbaren rassistischen Erfahrungen zu erläutern. So wollte Fabiennes Oma, dass sie ihre Haare lieber pflegt und in einem Zopf trägt. “Das waren problematische Äußerungen, die natürlich nicht so gemeint waren. So ist Rassismus im Familienkontext eben. Super schwierig.”

    Fabienne Sand

    Quelle: Fabienne Sand 

    “Ich habe mich vorher auch als Schwarzen Menschen nicht verstanden.”

    Durch das Schreiben und die Arbeit, erkannte Fabienne, dass sie nicht allein ist. Zwar hat sie eine Schwester, die ihr ähnlich sieht, doch als sie die sozialen Netzwerke betrat, entdeckte sie, wie viele afrodeutsche Menschen ihre Erfahrungen teilen. Seit einem Jahr nutzt Fabienne Instagram als Plattform, um Menschen antirassistische Themen und Prozesse näherzubringen, diese zu erklären und aufzuklären. Ihre erste Story behandelte alltagsrassistische Sprache. Darin erläutert sie in den Story Slides, dass wenn eine Schwarze Person, sich selbst als Cappuccino bezeichnet, es nicht allgemeingültig ist und auf die gesamte afrodeutsche Community übertragen werden kann. “Ich habe mich im Laufe meines Studiums und durch meine eigene Nutzung viel mit Social Media auseinandergesetzt und gemerkt, wie schnell und random man in der Lage ist Informationen aufzunehmen und auch zu filtern. Dann kam mir der Gedanke, dass man diese nicht Zeit

    die Instagram ja irgendwie für sich beansprucht, zu einer besseren Zeit machen kann. Ich mag die Interaktivität, dieser Spielraum, indem auch direkt Feedback gegeben werden kann,” erläutert Fabienne mit ihren grün leuchtenden Augen. Ihr Ziel ist es, hochsensiblen Content konstruktiv ihren Followern näherzubringen und es wirkt. Empörte Nachrichten, verwirrte Fragen und Danksagungen von weiteren afrodeutschen Menschen trudeln nun in Fabiennes Postfach ein. Fabienne hat eine lange Reise gemacht, um Rassismus treffender zu artikulieren. “Ich habe vorher meinen Rassismus nicht verstanden. Ich habe mich vorher auch als Schwarzen Menschen nicht verstanden.” Nun teilt sie ihre Insights in den Netzwerken, die noch am Anfang ihrer Reise stehen. “Ich würde sagen, es sind schon Anfänger, die ein klares Bild und Verständnis von Rassismus haben, aber sie brauchen, tiefere Anstöße, um das Thema zu verstehen,” beschreibt Fabienne ihre Follower.

    Fabienne Sand von This is Jane Wayne

    Auch Schwarze Frauen haben Privilegien – das Phänomen: light-skinned privilege

    Doch ähnlich wie in Fabiennes erster Insta Story zum Thema alltagsrassistischer Sprache, musste auch sie erkennen, dass ihre eigenen Erfahrung nicht auf die gesamte afrodeutsche Community übertragen werden kann. “Ich sehe jetzt davon ab, persönliche rassistische Geschichten zu teilen, weil ich das Gefühl habe, dass anderen Schwestern und Brüdern zu überlassen, die anders von Rassismus betroffen sind,” erklärt Fabienne und zieht ihre Stirn in Kraus. Ich habe sie gefragt, ob sie als light-skinned afrodeutsche Frau

    schon Kritik abbekommen hat und merkte an ihrer langen Pause, dass es ein Thema ist, dass einiges in ihr auslöst. “Ich habe ganze lange light-skinned privilege nicht verstanden. Das habe ich erst vor eineinhalb Jahren für mich hinterfragt und erforscht und war relativ bestürzt. Der Prozess, für mich anzuerkennen, dass ich Privilegien habe, die andere Schwester und Brüder nicht haben, war halt super crazy. Das war dann auch ok, doch dann habe ich mich gefragt, wenn ich meine Privilegien checke, warum checken denn auch andere es nicht?”

    “Als light-skinned privileged großstädtische gebildete Frau, nehme ich mich zurück, leite dann Anfragen weiter oder empfehle Frauen, die anders marginalisiert werden, als ich.”

    Als Fabienne begann über Rassismus zu schreiben, hatte sie keine Erwartungen. Sie schrieb los und ließ es auf sich zukommen. Doch diese Leichtigkeit, verändert sich mit der steigenden Followerschaft. “Ich habe jetzt viel mehr Angst, weil ich das Gefühl habe, je mehr Reichweite man bekommt, desto valider muss deine Aussage sein, desto mehr Menschen hinterfragen dich, desto mehr muss sie on point sein. Was auch gut ist!” Fabienne Sand hat in den letzten drei Jahren eine große identifikatorische Entwicklung gemacht. In eine große Stadt zu ziehen, in der die eigene Hautfarbe und die Haare nicht konstant negiert werden,

    für einen weißen feministischen Blog zu schreiben, um über Alltagsrassismus aufzuklären und ihre eigene Plattform auf Instagram zu nutzen und ein oberflächliches Medium zu einer sinnvollen Informationsquelle zu machen, all das hat sie zu einer wichtigen Akteurin in der afro-diasporischen Welt gemacht. Fabienne Sand ist einer der größten Stimmen in der digitalen PoC-Bewegung und das innerhalb eines Jahres! Doch wir haben das Gefühl, dass es erst der Start ist. Wir werden noch viel von der jungen 26-jährigen Wahlberlinerin hören und sind schon ganz gespannt, wie die Reise von Fabienne Sand weitergehen wird.

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