Wir sind ROSA.MAG
RosaMag - das erste Online-Lifestylemagazin für afrodeutsche Frauen.

Wer ist ROSAMAG?

RosaMag Mitglieder

ROSAMAG ist ein Online-Lifestylemagazin, dass afrodeutsche Frauen und Freunde informiert, inspiriert und empowert. ROSAMAG porträtiert die facettenreichen Lebenswelten der modernen schwarzen Frau. Von natürlichen Pflegetipps für Afrolocken, inspirierenden Interviews, mitreißenden Kommentaren und beflügelnden Reportagen - Wir zelebrieren afrodeutsche Frauen! Wir möchten Vorbilder schaffen und unsere Diversität zeigen.

    Sara-Nuru-Roots

    ‘Roots’ – die Suche nach den Wurzeln und wie sie Sara Nurus Lebensweg bestimmt

    Sara Nuru hat ein Buch geschrieben. Die meisten kennen Sara aus der vierten Staffel von Germany’s Next Topmodel oder von Mode-Werbeplakaten. Ihre Modelkarriere war ein Senkrechtstart und hätte steiler nicht sein können. Sie selbst beschreibt es als einen rasanten Aufstieg in die Penthouse-Etage ohne dabei die einzelnen Stufen der Treppen gesehen zu haben. Mit „ROOTS“ zeigt Sara Nuru sehr lebhaft das innere Wachsen einer Schwarzen Frau in Deutschland. Die sich ihrer Verantwortung als Identifikationsfigur bewusst geworden ist. Sie schreibt, „mittlerweile habe ich ein neues Bewusstsein für mich, meine Rolle und meine Hautfarbe“. Sara entführt die*den Leser*in hervorragend in die Innenwelt einer jungen Erwachsenen. Diese Woche im Goldmann Verlag erschienen, haben wir uns “Roots” genauer angeschaut und ein Fazit:

    Zwischen Glamour und einer Reise nach Äthiopien, findet Sara Nuru sich selbst

    Die Handlung wird gezeichnet durch Sara Nurus Leben und den Stationen, die sie durchlebt. Hauptakteure ihres Lebens und damit auch des Buches ist ihre Familie, zu der sie eine tiefe Verbundenheit hat. Ihre Eltern sind Ende der 80er Jahre nacheinander aus Äthiopien nach Deutschland geflüchtet. Die Fluchtgeschichte ihrer Eltern unterscheidet sich kaum, von den jüngsten unserer Zeit.

    Sara Nuru schreibt über ihrer Kindheit und Jugend als Einwanderer*innenkind in Bayern und darüber wie sie im Model-Business die Karriereleiter hoch katapultierte. Der Sieg der Casting-Show Germany‘s Next Top Model, bedeutete für Sara auch gleichzeitig ein Abschied von ihrem bisherigen Leben als Schülerin, sie hatte kaum mehr Zeit für ihre Freunde. Nach einigen erfolgreichen Jahren als Model beginnt Sara ihren Weg zu hinterfragen. Ihre Reisen nach Äthiopien, dem Land ihrer Eltern, öffnen ihr die Augen. Im Landesinneren Äthiopiens begegneten ihr so viel Armut und Elend – zur gleichen Zeit aber auch Stolz, Lebensfreude und Dankbarkeit. So fand sie den Mut, sich von den Erwartungen anderer zu befreien und gründet – gemeinsam mit ihrer Schwester Sali – ein Unternehmen.

    Sara-Nuru-Roots

    Bild: Jacob Nawka

    Das erste Schwarze Germanys Next Topmodel

    Zentral ist hierbei die tiefe Demut, die Sara für das Leben verspürt. Das Wissen darüber, dass es bloßen Zufällen geschuldet ist, dass sie in Deutschland geboren und aufgewachsen ist, sind die Grundlagen für Dankbarkeit und Wertschätzung. Wenn ihre Eltern keinen Mut gehabt hätten und dem Streben nach einer besseren Zukunft nicht gefolgt wären, wäre Sara mit ihren Schwestern in Äthiopien aufgewachsen – ein Leben gezeichnet von Hunger und Armut. Das sind Werte und Gefühle, die für Kinder aus Einwanderfamilien prägend sind. Sara Nurus Geschichte ist eine über Integration, über die Suche der eigenen Identität und das Erwachsenwerden. 

    2009 nahm Sara unfreiwillig an der 4. Staffel von Germany‘s Next Topmodel teil, das ist eine deutsche Model-Castingshow im Reality-TV. Sara war „ungläubig, wütend und amüsiert“ zugleich, als ihr damaliger Freund sie – ohne ihr Wissen – zu einem offenen Casting in München anmeldet. Als sie die erste Runde weiterkommt, empfindet sie das Ganze dann doch als reizvoll und so versucht sie keinerlei Erwartungen an die nächsten Runden zu haben. Für Sara war die Castingshow „eher ein Abenteuer als ein Wettkampf“ – uns so sah sie sich plötzlich im Finale. Als erste Schwarze junge Frau entschied Sara das Finale für sich und wurde Germany‘s Next Topmodel. 

    Als Siegerin wartete auf Sara unter anderem ein Werbe-Deal mit der Kosmetik-Marke Maybelline. Nur war Maybelline nicht auf Saras Sieg vorbereitet, denn leider stellte Maybelline zu dieser Zeit kein Make-Up in ihrem Hautton her „– und nun sollte ich für den Konzern Werbung machen?“ schreibt sie. Es war vor 10 Jahren nun mal nicht selbstverständlich als Schwarzes Deutsches Model zu arbeiten.

    Saras Erfolg bei GNTM hatte eine große Auswirkung auf sie selbst und ihre Familie. Darüber hinaus hatte ihr Erfolg eine höhere Bedeutung, denn es machte auch etwas mit Deutschland. Viele junge Frauen mit Migrationshintergrund „empfanden Ermutigung“ durch ihren Sieg. Sie schreibt: „[…] selbst ältere türkischstämmige Männer kamen mit Tränen in den Augen auf mich zu und gratulierten mir […]. Ich stand für einen Wandel in Deutschland. Ich glaube mein Sieg hat anderen Frauen mit dunkler Haut eine Tür geöffnet […]“. 

    Sara-Nuru-Roots

    Bild: Jacob Nawka

    Von Menschen, für Menschen, zu sich selbst

    Kurz vor dem GNTM-Finale lernte Sara nach einer Einladung die Münchner Zentrale von Menschen für Menschenkennen. Menschen für Menschenführt in Äthiopien langfristig angelegte Hilfsprojekte (Hilfe zur Selbsthilfe) durch und ist „die“ Hilfsorganisation von Karlheinz Böhm. Fünf Monate nach dem ersten Treffen war sie dann das erste Mal mit MfMin Äthiopien. So lernte sie die Heimat ihrer Eltern kennen und entscheidet sich Botschafterin für MfM zu werden. Nach einer gewissen Zeit jedoch, sagte Sara Events und Fernsehauftritte ab. So schlich sich der Prozess ein, dass sie der Modebranche entwachsen war.  Sie selbst erklärt sich das wie folgt: „Fast zeitgleich mit dem Modeln eröffnete sich mir auch eine Welt, die mich wirklich mit Sinn und Glück erfüllte.“. Die Kontraste zwischen Äthiopien und der Glamourwelt können größer nicht sein und sie lassen sich auch nicht vereinen.  

    Sara-Nuru-Roots

    Bild: Jacob Nawka 

    Partys, Glamour und Spaß als Pflaster für die Seele

    Sie zieht mit ihrer Schwester Sali nach Berlin. In Berlin angekommen, machte sich ein Gefühl der Ohnmacht in ihr breit. Auch wenn sie sonst nicht gerne feierte, kompensierte sie die innere Leere mit langen Nächten in Berliner Clubs und Bars. Ihr fehlte der Halt durch Freundschaften und sie stellte endgültig fest: „Modeln ist kein Job der Sinn stiftet.“ Sie möchte etwas machen, das zählt. Ab diesem Moment, steht Sara Nuru vor einem Neuanfang. Sie stellt sich der Frage, was was in unserer heutigen Zeit  Erfolg ist und nimmt die Leserschaft mit auf eine Reise in ihr Inneres. Sie teilt ihre Stärke und ihren Mut, sie nennt ihre Inspirationsquellen und wird selber zu Inspiration.

    Die Geburt von nuruCoffee

    Sara spielte mit dem Gedanken sich selbstständig zu machen, als ein Freund ihr das Buch „Start something that matters“ von Blake Mycoskie empfiehlt. Sara war sofort davon begeistern, sich gemeinsam mit Sali dem Social Business zu widmen. Das ist eine Form des Wirtschaftens, bei dem der wirtschaftliche Antrieb das Lösen eines gesellschaftlichen Problems ist – „eine unternehmerische Tätigkeit, die einen wohltätigen Aspekt hat“. „Die Idee, dass [sie] Kaffee importieren könnten, entstand in der Zeit [ihres] Umzuges“. 3 Jahre später, relativ ahnungslos und ganz nach dem Motto „learning by doing“, gründeten die beiden Schwestern 2016 nuruCoffee. Sara beschreibt ihre Motivation und ihren Antrieb, dabei erläutert sie im Kapitel „Kaffe und mein neues Leben als Gründerin“ jeden einzelnen Schritt der Geburt von nuruCoffee. 

    Mit den Gewinnen von nuruCoffee wollen Sara und Sali in Mikrokredite investieren. Sie haben es sich nämlich zum Ziel gemacht, Frauen in Äthiopien bei der Umsetzung ihrer Geschäftsideen zu helfen. Sie überlegten sich wie das möglich sei und entschieden sich einen Verein zu gründen: nuruWomen e.V.. Der Ansatz ist „Hilfe zur Selbsthilfe“. „Noch immer tragen Frauen die Hauptlast der Armut“, darum ermöglichen sie Frauen mit den Mikrokrediten ein unabhängiges und selbstbestimmtes Leben.

    Sara-Nuru-Roots

    Bild: Jacob Nawka

    Stilistisch auf Augenhöhe

    Die Sprache, die Sara wählt, ist sehr einfach und gerade gehalten, ganz im Erzählstil. Wahrscheinlich, weil insbesondere der Inhalt im Fokus steht. Sie verwendet kurze prägnante Sätze. Sie verzichtet auf lange Einleitungen und Beschreibungen und steigt sofort in das gemeinsame Leben mit ihrer Schwester Sali ein. Überwiegend verwendet Sara unsere Alltagssprache in den Dialogen. Auch wahrscheinlich, damit die Geschichte leichter übertragen wird. Das innere Wachsen, das einhergeht mit dem Erwachsenwerden ist sehr schlüssig. So kann es Sara Nuru tatsächlich gelingen jungen Frauen (+Männer) mit ihrem Buch zu erreichen und Mut zu machen.  Durch die Geschichte ihrer Eltern wird deutlich, was es bedeutet als Einwandererkind in Deutschland aufzuwachsen und zu versuchen etwas Großes zu erreichen. Sara beschreibt diese Empfindung sehr gut, ohne große Gefühlsbeschreibungen, sondern vielmehr dadurch, dass sie ihre Leben beschreibt: „Dass meine Familie und ich auf so engem Raum lebten, prägt mich bis heute. Anders als in vielen deutschen Familien lag der Fokus bei uns nicht auf Privatsphäre und Individualismus, sondern auf einem Gemeinschaftsgefühl.“

    Ein Blick in Sara Nurus Gedankenwelt

    Sara versteht es sehr gut die innere Zerrissenheit darzustellen, „wie kann ich ich es schaffen, beides zu vereinen, in beiden Welten zu Hause zu sein, ohne mich an ihren Widersprüchen aufzureiben?“. Saras Emotionen werden lebensnah und für die*den Leser*in nachvollziehbar dargebracht.   Als schwierig empfinde ich die gewählte Begrifflichkeit bei der Nennung der Hautfarbe. Im Buch verwendet Sara überwiegend die Bezeichnung „dunkelhäutig“, obwohl das ein kolonialistischer – und negativ konnotiert – Begriff ist. 

    Zwar erläutert sie im Nachwort: Gesehen werden, dass die Selbstbezeichnung People of Color (PoC, Singular: Person of Color) eine Alternative ist. Allerdings bleibt unklar, weshalb sie „dunkelhäutig“ als Selbstbezeichnung wählt.

    Sara-Nuru-Roots

    Bild: Jacob Nawka

    Wer sollte “Roots” lesen?

    Für Freunde des Action- oder Gruselthrillers ist das Buch wahrscheinlich nichts. Vielmehr wird „Roots“ die ansprechen, die Gefallen am Mitfühlen und Einfühlen in diasporische Konflikte lieben. Es ist ein äußerst ehrliches Buch. Sara ist ehrlich zu sich selbst und zu der Welt. Das allein inspiriert ungemein. Für mich ist „Roots“ einen Kauf wert, da die Gefühle, die Sara erlebt, zeitlos sind und sehr gut rüberkommt. Deshalb konnte ich mich in ihren Worten wiederfinden und sehr gut in Sara hineinversetzen – und das ist, was für mich ein gutes Buch ausmacht: Es entführt mich in andere Gefühlswelten.

    Gib deinen Senf dazu!