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    sankofa sprachschule

    “Wer seine Sprache nicht spricht, verliert ein Stück seiner selbst”

    Über 2000 unterschiedliche Sprachen werden auf dem afrikanischen Kontinent gesprochen. Damit ist Afrika einer der Kontinente mit der größten linguistischen Diversität. Trotzdem genießen viele dieser Sprachen im internationalen Vergleich kein besonders hohes Ansehen, sind teilweise vom Aussterben bedroht, weil es immer weniger Sprecher*innen gibt. Ein Erbe des europäischen Kolonialismus. Schon als Teenager merkte Akwasi Badu-Aning, dass junge Ghanaer:innen in seiner Umgebung in Berlin sich nicht trauten, die Sprache ihrer Eltern zu sprechen. Aus Scham oder weil sie es nie gelernt hatten. Dabei sind “afrikanische Sprachen Poesie”, wie der Gründer und Leiter der Sankofa Sprachule im Interview mit RosaMag erzählt. Gemeinsam mit Ewe-Lehrerin Akossiwa Iletou Fondoumi und Wolof-Lehrerin Fatou Cisse Kane und einem Team aus afrodiasporischen Lehrer:innen und Mitarbeitenden bietet der Unternehmer in seiner Sprachschule 18 afrikanische Sprachen an. Im Gespräch verrät Akwasi, wie es zur Gründung von Sankofa kam und welche Vision er mit dem Projekt verfolgt. Außerdem erzählen Akossiwa und Fatou, welche Bedeutung ihre afrikanischen Sprachen für sie ganz persönlich haben und warum es in ihren Sprachkursen um weitaus mehr geht als nur Grammatik.

    Könnt ihr euch unseren Leser*innen einmal vorstellen?

    Akwasi: Ich bin Akwasi Badu-Aning, auch unter Akwasi Valentine bekannt, 33 Jahre alt und komme ursprünglich aus Kumasi, Ghana. Ich bin Gründer und Leiter der afrikanischen Sankofa Sprachschule.

    Fatou: Mein Name ist Fatou Cisse Kane. Ursprünglich komme ich aus dem Senegal. Seit 2013 lebe ich aber in Köln. 2019 habe ich an der Universität Köln am Institut für Afrikanistik und Ägyptologie in Linguistik promoviert und seit Anfang 2020 unterrichte ich an der Sankofa Sprachschule Wolof.

    Akossiwa: Und ich bin Akossiwa Iletou Fondoumi, 32 Jahre alt und komme ursprünglich aus Togo. Ich lebe aber seit 28 Jahren in Deutschland und bin Dozentin für Ewe, meine Muttersprache.

    Akwasi, warum hast du die Sankofa-Sprachschule gegründet?

    Akwasi: Schon als Teenie habe ich gemerkt, dass viele junge Menschen in der ghanaischen Community in Berlin sich nicht trauen, ihre native language sprechen. Das war für mich komisch. Ich bin selbst zum Teil in Ghana aufgewachsen, habe immer Twi gesprochen. Ghanaische Eltern hier haben mich dafür gelobt. Für mich war das nicht unbedingt ein Kompliment. Die Eltern müssten sich doch eher dafür schämen, dass sie ihre Sprache nicht an ihre Kinder weitergegeben haben. Viele bringen ihren Kindern Englisch bei, weil das immer noch eine Prestigesprache ist. Dabei haben unsere eigenen Sprachen so viel zu bieten. 2018 schloss ich mich deshalb mit dem Ujamaa-Verein zusammen, um einen ersten Twi-Kurs anzubieten. Schnell wurde mir bewusst: Das Problem, das ich in der ghanaischen Community beobachtet hatte, zieht sich durch alle afrikanischen Communities. Deshalb wollte ich noch mehr Sprachen anbieten. Ich habe dann Lehrer*innen wie Fatou und Akossiwa kennengelernt, die mir dabei geholfen haben, das Angebot zu vergrößern. Mit Corona sind wir auf Online-Unterricht umgestiegen und aus dem Sankofa Sprachkurs wurde die Sankofa Sprachschule.

    Unsere afrikanischen Sprachen sind ein wertvoller Schatz.

    Fatou, Akossiwa, was bedeuten eure jeweiligen Sprachen Wolof und Ewe für euch?

    Fatou: Sprache, Kultur und Identität sind eng miteinander verbunden. Deshalb ist es für mich sehr wichtig, dass wir als Afrikaner:innen unsere Sprachen sprechen können, damit wir unsere kulturelle Identität nicht verlieren – vor allem in der Diaspora. Nur so können wir beispielsweise unsere alten Überlieferungen, Märchen und Geschichten an die nächste Generation weitergeben. Ich bin Mutter von zwei Kindern. Wenn ich sie zu Hause in meiner Muttersprache ansprach, haben sie immer auf Deutsch geantwortet. Das brachte mich zum Nachdenken. Ich hab mich gefragt, wie meine Kinder meine Sprache besser lernen können. Schließlich ist sie ein wichtiger Teil ihrer Identität. Die Sprache zu verlieren, bedeutet einen Teil seiner Kultur, einen Teil von sich selbst zu verlieren.

    Akossiwa: Unsere afrikanischen Sprachen sind für mich ein wertvoller Schatz. Ich habe Romanistik studiert, spreche Spanisch, Französisch, Englisch und Italienisch. Keine der Sprachen, die mir auf der Welt begegnet sind, hat mich so gefesselt wie die unserer afrikanischen Kulturen, insbesondere meine eigene Sprache: Ewe. Es geht dabei um mehr als nur Worte. Wer seine eigene Sprache spricht, ist seiner Kultur nochmal ganz anders verbunden. Das ist eine Liebesbeziehung, die da entsteht, eine Korrelation zwischen Mensch und Sprache. Wie Fatou schon gesagt hat: Wer seine Sprache nicht kennt, verliert ein Stück seiner selbst. Durch das Unterrichten durfte ich nicht nur meine eigene Sprache noch mal neu kennenlernen, sondern auch ein Stück von mir selbst dazu gewinnen.

    Sind eure Kurse dann überhaupt reine Sprachkurse?

    Fatou: Es geht bei uns nicht nur um Worte oder Grammatik. Es gibt afrikanische Sprichwörter, Märchen oder Redewendungen, hinter denen sich kulturelle Bedeutungen verstecken. Lieder, die beispielsweise nur an Hochzeiten gespielt werden oder an religiösen Feiern. Wörter, die in unterschiedlichen Kontexten anders verwendet werden. Die meisten Student*innen wollen nicht einfach nur die Sprache lernen, sie wollen die Kultur dahinter verstehen.

    Akossiwa: Ich achte in meinen Kursen auch sehr darauf, das ich meinen Student*innen die Geschichte hinter den Worten beibringe. Meine Großmutter lebt auch in Deutschland. Von ihr lerne ich viel und erfrage auch alles. Deshalb sitzen wir nicht nur da und lernen “A, B, C” und “Der, Die, Das”.

    Hätte ich gewartet bis irgendein Hans sagt: „OK, wir investieren in das Projekt“, dann würde es die Sankofa Sprachschule heute nicht geben.

    Wie sind eure Kurse aufgebaut?

    Akwasi: Unser Schuljahr ist in Trimester aufgeteilt, die jeweils drei Monate gehen, zwei Stunden die Woche. Das Nächste geht am 05. September los und endet am 20. November. Wir werden im Herbst 18 Sprachen anbieten: Twi, Amharisch, Edo, Ewe, Lingala, Ndebele, Shona, Somali, Swahili, Tigrinya, Yoruba, Xhosa, Zulu, Wolof, Kinyarwanda, Kikongo, Ga und Hausa.

    Welche Vision verfolgst du mit dem Projekt, Akwasi?

    Akwasi: Wir sind derzeit die einzige rein afrikanische Sprachschule, die so viele unterschiedliche Sprachen anbietet. Ich möchte, dass Sankofa die größte afrikanische Sprachschule der Welt wird. Es geht dabei nicht um mich, es geht um viel mehr für die jetzige Generation an Afrikaner:innen und für nachkommende Generationen. Wir wollen afrikanische Sprachen cool machen. Wir wollen auch an Unis gehen, an Schulen und Kitas und dort Sprachunterricht anbieten. Außerdem arbeiten wir gerade an eigenen Lehrbüchern. Eine Sprache muss sich nämlich auch weiterentwickeln. Gleichzeitig wünsche ich mir, dass andere Sprachschulen sich von unserem Angebot inspirieren lassen. Sie sollen sehen, dass es funktioniert und selbst afrikanische Sprachen anbieten. Wir sind da momentan in einer Vorreiter-Rolle.

    Warum ist es dir wichtig, auch Blueprint für andere zu sein?

    Akwasi: Bevor ich das Projekt starten wollte, haben mir viele davon abgeraten. “Mach doch lieber Französisch oder Spanisch, wenn du eine Förderung haben möchtest”, hieß es. “Europäer wollen keine afrikanische Sprache unterstützen.” Was habe ich gemacht? Ich bin arbeiten gegangen, um mein eigenes Geld ins Projekt zu stecken. Ich wollte nicht warten, bis irgendein Hans sagt: OK, wir investieren in das Projekt. Dann würde es die Sankofa Sprachschule heute nicht geben. Deswegen freue ich mich umso mehr über dieses Projekt und bin total dankbar, Menschen wie Siwa und Fatou gefunden zu haben, die meine Vision teilen.

    Fatou: Unser Team ist wie eine Familie. Das kenne ich sonst von anderen Projekten nicht. Wir machen das nicht nur fürs Geld. Uns allen liegt etwas an diesem Projekt und an der Vision. Deshalb brauchen wir Unterstützung, auch finanziell. Wir würden gerne noch regelmäßiger Kurse anbieten.

    Als Afrikaner*innen ist es wichtig, dass wir den Menschen zeigen: Wer nach Afrika kommt, muss auch die Sprache lernen.

    Was bedeutet diese Vision denn für dich, Fatou?

    Fatou: Wir zeigen auch eine Art Dekolonialisierungsperspektive auf: Afrikaner*innen können ihre eigene Sprache unterrichten, ohne das mit den Kolonialsprachen zu vermischen. Gleichzeitig zeigen wir den Leuten, dass dieses negative Bild von Afrika, das viele immer noch haben, einfach nicht stimmt. Wir sind kein Kontinent ohne Kultur und Werte. Unsere Kultur hat eine Bedeutung für die gesamte Welt. Afrika ist die Zukunft.

    Inwiefern braucht es auch einen Dekolonialisierungsprozess?

    Akwasi: Je tiefer ich mich mit der Materie beschäftigt habe, desto mehr habe ich verstanden, dass der Verlust unserer Sprachen System hat. Unsere Kultur, unsere Werte, unsere Identität sollten ausgelöscht werden. Das beginnt bei der Sprache. Deshalb ist es schade, dass in den meisten afrikanischen Ländern die Kolonialsprachen immer noch als offizielle Sprachen genutzt werden. In vielen afrikanischen Ländern ist es in den Schulen auch bis heute verboten, überhaupt afrikanische Sprachen zu sprechen. Das ist ein Nachteil. Es ist doch klar, dass unsere einheimischen Sprachen sich nicht weiterentwickeln, wenn sie in der Politik, in Schulen oder der Arbeitswelt nicht genutzt werden.

    Welche Rolle spielt ihr in diesem Prozess?

    Akwasi: Viele Menschen haben sich mit dem Thema Dekolonialisierung noch gar nicht beschäftigt. Unsere Aufgabe bei Sankofa ist es deshalb auch, den Leuten die Augen zu öffnen. Um es in Tupacs Worten zu sagen: „I’m not saying I’m gonna change the world, but I guarantee that I will spark the brain that will change the world.“ Afrikanische Sprachen müssen Prestigesprachen werden. In Ländern wie den Vereinigten Arabischen Emiraten zum Beispiel, wird in der Politik nicht Englisch oder Französisch gesprochen. Dort tragen sie auch keine europäischen Anzüge vor Gericht oder weiße Perücken, wie es in vielen afrikanischen Ländern der Fall ist, sondern ihre traditionelle kulturelle Kleidung. Das müssen wir auch umsetzen. Die Leute müssen verstehen, dass es so nicht weitergehen kann. Wir verlieren unsere Kultur.

    Fatou: Als Afrikaner*innen ist es wichtig, dass wir den Menschen zeigen: Wer nach Afrika kommt, muss auch die Sprache lernen. Genauso wie wir alle die Kolonialsprachen lernen konnten, müssen die Menschen jetzt auch afrikanische Sprachen lernen. Das muss eine offizielle Politik werden: Afrikanische Sprachen, die in der Forschung, Politik und überhaupt der Gesellschaft genutzt werden.

    Celia-Parbey

    Celia

    Celia ist Berlinerin und Afrikawissenschaftlerin. Sie arbeitet als Redakteurin bei ZEIT ONLINE und frei für verschiedene Online- und Printmagazine. Außerdem ist sie Chefredakteurin vom RosaMag, einem Online- Lifestylemagazin für Schwarze FLINTA* im deutschsprachigen Raum. Sie schreibt zu den Themen: Koloniale Kontinuitäten, Intersektionalität, Feminismus und Rassismus.

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