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    Yma “Ich wollte das die Geschichte sich nicht wiederholt” - Transgenerationale Traumatisierung

    Yma “Ich wollte, dass die Geschichte sich nicht wiederholt” – Transgenerationale Traumatisierung

    Triggerwarnung: Im folgenden Beitrag werden sexualisierte Gewalthandlungen und deren Folgen für die Betroffenen geschildert, die belastend und retraumatisierend sein können.

    Im Gespräch mit Yma und Joyce

    Wie gehst du damit um, wenn du mehrfach sexuelle Übergriffe erleben musstest und deine eigene Tochter sich im Internet auszieht? Genau diese Frage haben wir an Joyce gerichtet. Sie ist 49 Jahre alt, Autorin und lebt in Mexiko. Gemeinsam mit ihrer 23-jährigen Tochter Yma, die unter anderem bei “5 Senses for Love” mitwirkt und ihr Geld als Erotikmodel über OnlyFans verdient, haben wir über Traumatisierungen und sexuelle Selbstbestimmung gesprochen

    Yma + Joyce

    RosaMag: Joyce, wie war es denn für dich, als du erfahren hast, dass Yma nun auf OnlyFans ist?

    Joyce: Ich hatte das nicht so richtig auf dem Schirm, oder?

    Yma: Ich habe es ganz vorsichtig an Mama herangetragen. Du kennst ja meine Instagram Bilder und die sind ja schon sehr freizügig.

    Joyce: Ich fand das gar nicht so schlimm, weil sie sich davor schon freizügig gezeigt hat. Der Schritt zu OnlyFans war dann nicht mehr so schlimm. Ganz im Gegenteil. Ich fand es ja ganz gut, dass sie damit auch Geld verdient und nicht mehr-  wie bei Instagram – postet und alle erfreuen sich an den Bildern. Sie hat davon nichts. Jetzt schon.

    Yma: Du hattest verständnisvoll reagiert. Das hatte mich sehr erleichtert.

    Yma + Joyce

    RosaMag: Wir warst du denn im Ymas Alter? Mit 23 Jahren? Welche Beziehung hattest du zu deinem Körper?

    Joyce: Ich hatte total viele Probleme bis ich 30 war. Ich hatte keine gute Beziehung zu meinen Körper. Ich hatte eine Essstörung. Ich habe früh mit dem Tanzen angefangen. Geräteturnen, dann Ballett und ich habe eine Musicalausbildung abgeschlossen. Alles drehte sich um meinen Körper. Ich arbeitete auch vor der Kamera. Dadurch beschäftigte ich mich den ganzen Tag mit Essen oder eher damit, was ich nicht esse. Manchmal habe ich nur einen Apfel und drei Salatblätter pro Tag gegessen. Das wars.

    RosaMag: Warum denkst du, hattest du diese Probleme?

    Joyce: Es hatte mehrere Gründe. Viel Druck von außen. Mein Agent, das Tanzen, die Öffentlichkeit, aber ich denke, dass es natürlich auch mit dem Missbrauch in der Kindheit zu tun hatte. Ich konnte meinen Körper einfach nicht annehmen. Der war mir einfach fremd. Mein Körper war für mich ein Stück Fleisch.

    Yma: Das ist ja auch ein Schutzmechanismus. Wenn du diese Erfahrung gemacht hast, dann versuchst du dich von ihm zu trennen, damit du nicht immer wieder daran erinnert wirst.

    Yma + Joyce

    RosaMag: Wie stehst du heute zu dir und deinem Körper?

    Joyce: Ich liebe meinen Körper. Es fühlt sich harmonisch an. Geist, Körper und Seele. Es passt irgendwie alles gut zusammen. Das war ein langer Weg. Ich musste zu mir selbst finden.

    RosaMag: Wie haben sich deine persönlichen Herausforderungen auf die Erziehung mit Yma ausgewirkt?

    Joyce: Ich habe schon versucht in der Erziehung entgegenzuwirken. Extrem. Mein Ziel war es, dass Yma selbstbewusst ist, dass sie Selbstvertrauen hat, dass sie selbstbestimmt ist.

    Yma + Joyce

    Yma: Das war auch der erste Glaubenssatz, den ich verinnerlicht habe. Du musst nicht von allen gemocht werden und es ist okay, anders zu sein. Dass ich nicht immer reinpassen muss. Alle sehen anders aus als ich und ich habe mich deswegen schlecht gefühlt. Ich hatte eine Zeitlang auch eine Essstörung.

    Joyce: In der Zeit habe ich mir furchtbare Sorgen gemacht, weil ich natürlich Angst davor hatte, dass du jetzt das Gleiche durchmachen wirst, wie ich.

    “Cycle of Abuse” beschreibt den Prozess, dass Traumata von Generation zu Generation übertragen werden. An der Charité wird nach den Ursachen dieses Kreislaufs von Misshandlung und Traumatisierung geforscht. Mütter, die in ihrer Kindheit Opfer von Missbrauch oder Vernachlässigung durch enge Bezugspersonen wurden, leiden ein Leben lang unter den Folgen. Häufig misshandeln oder vernachlässigen sie selbst ihre Kinder. In vielen Fällen ist ihre Fürsorgefähigkeit grundlegend beeinträchtigt, es gelingt den betroffenen Müttern nicht, die Gefühle ihrer Kinder einzuordnen und angemessen zu reagieren.

    RosaMag: Joyce, was meinst du ist dran, an den Studien, die sagen, dass die Tendenz vergewaltigt zu werden von Generation zu Generation weitergetragen werden?

    Joyce: Das stimmt. Meine Mutter hatte auch einen Missbrauch im Teenageralter erlebt. Aber ich denke es ist vielmehr der Umstand, weil es generell ein bestimmter Typ an Frauen ist. Kinder, die nicht selbstbewusst sind. Kinder, die man eben schneller manipulieren kann als Kinder, die eben ein gutes Verhältnis zu den Eltern haben. Die könnten es ihnen erzählen.

    RosaMag: Wie hat denn deine Mutter reagiert, als du ihr erzählt hattest, dass dir so etwas passiert ist?

    Joyce: Genau so, wie ich es gedacht hatte. Sie hatte es nicht geglaubt.

    Yma + Joyce

    RosaMag: Möchtest du uns erzählen, was vorgefallen ist?

    Joyce: Ja. Mein Onkel hat mich missbraucht. Ich war zwischen vier und fünf Jahre alt. Erst im Alter von 30 Jahren habe ich meiner Mutter davon erzählt. Sie hatte dann zugegeben, dass er sich vermutlich auch an ihr vergriffen hatte. Der gleiche Onkel. Es ist auch so, dass mein Bruder zum Beispiel das Ergebnis von dieser Geschichte ist. Ich weiß, das ist verrückt und gruselig.

    Yma: Das wusste ich gar nicht!

    Die Statistik zeigt, dass in 70 Prozent der Fälle die eigene Wohnung Tatort einer Vergewaltigung ist. Der Täter ist selten unbekannt. Jede dritte Frau in Deutschland ist mindestens einmal in ihrem Leben von physischer und/oder sexualisierter Gewalt betroffen. Etwa jede Vierte wird mindestens einmal Opfer körperlicher oder sexualisierter Gewalt durch ihren aktuellen oder früheren Partner. Betroffen sind Frauen aller sozialen Schichten.

    RosaMag: Warte mal – Deine Mutter und du wurdet von dem selben Mann innerhalb der Familie vergewaltigt?

    Joyce: Ja. Das hat sich natürlich auf meine Familie ausgewirkt. Meine Tante hat sich mit 19 schon umgebracht. Es wurde halt alles immer verschwiegen. Die Mutter meiner Mutter hat es auch irgendwann nicht mehr ausgehalten. Sie ist inzwischen auch Tod. Und meine eigene Mutter hat keinen Zugang zu ihren eigenen Emotionen.

    Yma + Joyce

    RosaMag: Wie hat es dich beeinflusst?

    Joyce: Ich hatte in der Schule Probleme. Lernschwierigkeiten, konnte mich kaum konzentrieren. Ich war ein sehr nervöses Kind. Ich habe bis ins neunte Lebensjahr ins Bett gemacht. Es hatte aber auch andere Gründe. Also tatsächlich stimmte auch bei mir etwas Organisches nicht, aber nichtsdestotrotz war das trotzdem natürlich auch ein Auslöser.

    RosaMag: Wie war deine Beziehung zu Sex und auch die Beziehung zu Männern?

    Joyce: Ich hab eine zeitlang gedacht, ich bin lesbisch. Habe es auch ausprobiert, bin ich aber leider nicht. Ich fand Männer immer unattraktiv. Ich fand sie nie sexy. Keine Ahnung warum. Sehr lange konnte ich nichts damit anfangen. Ich hatte zwar Beziehungen, auch mit Sex, aber das tat man, wegen der Beziehung. Ich fand es nicht besonders toll.

    Yma + Joyce

    RosaMag: Hattest du das Gefühl, du musst Sex haben?

    Joyce: Ja und nein. Ich hatte so gar kein Gefühl.

    RosaMag: Wie hat sich das auf die Erziehung mit Yma ausgewirkt? Im Alter von 14 Jahren gab es bereits freizügige Bilder von ihr im Netz. Hattest du Angst, dass sich das Trauma wiederholt?

    Joyce: Ja. Ich glaube, deshalb bin ich auch bei den freizügigen Bildern ausgeflippt.

    Yma: Mir haben auch einige Männer geschrieben und gefragt: Gehst du noch zur Schule? Im Alter von 14 Jahren. Die Sorge war nicht unberechtigt von dir.

    RosaMag: Joyce, glaubst du, dass dir das passiert ist, weil du Schwarz bist?

    Joyce: Ja. Auf jeden Fall. Die Schwelle ist einfach niedriger. Deshalb ist mir das ja auch nicht nur einmal in meinem Leben passiert.

    Obwohl alle Frauen von sexuellen Missbrauch bedroht sind, das Risiko, dass Schwarze Frauen angegriffen werden, fast doppelt so hoch. Es geht noch weiter. Es herrscht eine große Dunkelziffer, da viele Fälle gar nicht erst gemeldet werden.

    Joyce: Der Rock ist zu kurz, der Ausschnitt zu tief. Du bist immer selbst schuld. Ich bin mir sicher, dass ich im Alter von fünf Jahren, keinen Ausschnitt trug.

    RosaMag: Wie fühlt es sich mit Yma an?

    Joyce: Sie zusehen, ist therapeutisch. Ich liebe es, dass sie ihren Körper liebt. Das ist für mich ein unglaublich schönes Gefühl. Durch Yma habe ich verstanden, wie wichtig es ist, sich mit den eigenen Traumata auseinanderzusetzen. Mit ihrer Geburt begann meine Heilung.  Ich wusste, ich habe einen Erziehungsauftrag zu leisten. Also muss ich auch gucken, dass mit mir alles stimmt.

    Yma + Joyce

    RosaMag: Yma, du hattest im Vorgespräch erklärt, dass du der Überzeugung bist, dieses Trauma, dass von Generation zu Generation weitergereicht wurde, zu verändern. Wie kommst du drauf?

    Yma: Ich hatte Angst, dass mir das Gleiche passiert. Ich habe alles daran gesetzt, dass es mir nicht passiert und versucht, Mamas Trauma aufzuarbeiten, indem ich dagegen arbeite. Vielleicht war es diese kindliche Bindung, aber ich hatte das Gefühl, ich müsste meine Mama schützen.

    Joyce: Ja, du hattest schon immer ein Helfersyndrom und das Gefühl, Verantwortung für alle übernehmen zu müssen.

    Yma: Ich habe auch mal eine Familienaufstellung gemacht. Und da kam heraus, dass ich nicht alle hinter mir – als Schutz – aufstelle, sondern vor mir, damit ich sie sehen und beschützen kann. Aber ich weiß nicht, woher das letztendlich kam, dass es so ist, dass ich diese Verantwortung gespürt habe. Ich glaube Kinder nehmen Energien wahr. Ich habe gespürt, dass es Mama nicht gut geht. Ich wusste nie warum. Aber ich kann mich erinnern, nach einem Missbrauch lagst du irgendwie eine Woche lang im Bett. Ich habe gefragt, was los ist und du meintest, du bist krank und das habe ich nicht verstanden.

    Joyce: Das war der letzte Übergriff. Ich habe fünf Jahre gebraucht, um das zu verarbeiten.

    Ciani-Sophia Hoeder

    Ciani

    Ein Online-Lifestylemagazin für afrodeutsche Frauen schaffen. Genau das hat sich die 29-jährige Berlinerin in den Kopf gesetzt. Nun ist Cianis Traum wahr geworden. RosaMag informiert, inspiriert und empowert Schwarze Frauen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz.

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