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    Celia

    Die Deutschen lassen sich nicht integrieren

    Fotocredit: Michael Pfister/ ZEIT ONLINE

    Es ist ein menschliches Bedürfnis, als Migrant:in an der eigenen Kultur festzuhalten. Das beste Beispiel dafür: die deutschen Integrationsverweigerer:innen in Afrika. Unsere Chefredakteurin Celia lebte mehrere Jahre im Ausland. Die Deutschen, die sie traf, zeichneten sich vor allem durch eine Eigenschaft aus: Den Unwillen, ihre Gastländer wirklich kennen zu lernen.

    Schon als 12-Jährige stand für mich fest: Irgendwann würde ich in ein afrikanisches Land auswandern und Deutschland hinter mir lassen. Mein Vater ist Togoer, meine Mutter ist Deutsche. Das Thema Migration war deshalb schon früh ein Teil meines Lebens. Mit Anfang 20 erfüllte ich mir meinen Traum. Ich zog nach Kenia, um in Nairobi ein Praktikum bei einer politischen Stiftung zu machen. In den folgenden Jahren studierte und arbeitete ich in unterschiedlichen afrikanischen Ländern. Die Deutschen, die ich in Kenia, in Südafrika und in Togo traf, zeichneten sich vor allem durch eine Eigenschaft aus: Sie weigerten sich konsequent, sich an ihre Gastländer anzupassen. Sie bildeten deutsche Parallelgesellschaften.

    Parallelgesellschaft, ein Wort, das meine Zeit als Teenager in Deutschland prägte. Parallelgesellschaft, das klingt nach Islamismus, nach Terror, nach Clans und nach Abschottung. Nach Thilo Sarrazin und seinen rassistischen Thesen über Muslim:innen und Migrant:innen.

    Ausländer:innen müssen sich integrieren, sich anpassen, sonst haben sie hier nichts verloren, das war und ist teilweise immer noch der Tenor. Wie genau das aussehen sollte, diese Integration und vor allem, wo sie endet, das wurde nie klar definiert. Man stelle sich also meine Überraschung vor, als mir bewusst wurde, dass viele Deutsche im Ausland das Verhalten wiederholen, das sie im Inland kritisieren.

    Deutsche Wirtschaftsmigrant:innen

    Als Kind saß ich jede Woche gebannt vorm Fernseher und schaute Goodbye Deutschland! Die Auswanderer. Fasziniert beobachtete ich Familien dabei, wie sie nach Spanien, Thailand oder in die USA auswanderten, wie sie hoffnungsvoll Restaurants und Bars eröffneten. Oft sprachen die Protagonist:innen weder die Sprache ihres Zielortes, noch hatten sie sich mit den Kulturen ihrer neuen Heimat auseinandergesetzt. Was sie verband, war das Gefühl, Deutschland hätte ihnen nichts mehr zu bieten, und die Sehnsucht nach einem unbekannten Ort, der Erfolg und Glück bereithält. Sie kamen aus relativem Wohlstand und migrierten mit dem selbstverständlichen Anspruch auf Glück und Selbstverwirklichung. Die Teilnehmer:innen flohen vor Perspektivlosigkeit, suchten nach besserer Arbeit und jagten den nie enden wollenden Sommer. Für diese Menschen war die ganze Welt ihr Experimentierfeld, so schien es.

    Das Wort Migration ist in vielen westlichen Gesellschaften negativ konnotiert.

    In Deutschland werden Migrant:innen, die aus wirtschaftlichen Gründen migrieren, oft als Wirtschaftsflüchtlinge verunglimpft. Doch was unterscheidet sie von Menschen im globalen Norden, die sich aufmachen, um in anderen Teilen der Welt eine Chance auf Arbeit und ein besseres Leben zu suchen?

    Im Jahr 2015 fragte der togoer Journalist Mawuna Remarque Koutonin, wie es sein könne, dass weiße Menschen als Expats gelten, wenn sie ihre Länder verlassen, während Menschen aus dem globalen Süden Migrant:innen seien. Seine Antwort: Rassismus. Das Wort Migration ist in vielen westlichen Gesellschaften negativ konnotiert. Es klingt nach Konflikt, nach Armut, nach wenig Bildung. Der Begriff Expat soll weiße Menschen abheben von Schwarzen und Migrant:innen of Color. Die Deutschen, die ich auf meinen Auslandsaufenthalten traf, hätten sich niemals als Migrant:innen bezeichnet. Dabei waren sie genau das.

    celia

    © Michael Pfister/ ZEIT ONLINE

    Leben am Sauerkraut Hill

    Etwa drei Millionen deutsche Staatsbürger:innen leben außerhalb Deutschlands. Das geht aus Daten des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahr 2021 hervor. Der Großteil der Deutschen auf dem afrikanischen Kontinent lebt in Südafrika, die meisten davon in Kapstadt: Rentner:innen, Dauerurlauber:innen und Digital Nomads. 2016 zog ich hier zum Studieren hin. In Tamboerskloof, einem Viertel am Fuße des Tafelberges, auch “Sauerkraut Hill” genannt, gibt es einen deutschen Kindergarten, eine deutsche Schule, deutsche Restaurants, deutsche Biergärten und eine deutsche Bäckerei. Regelmäßig werden überall in der Stadt Networkingevents veranstaltet, damit sich die Deutschen so richtig heimisch fühlen können.

    Viele weiße Deutsche, die ich in Südafrika traf, machten sich maximal mit weißen Südafrikaner:innen gemein. Vielleicht spürten sie Gemeinsamkeiten, kamen doch auch die Buren einst (ungebeten) aus Europa und brachten ihre kulturellen Gepflogenheiten mit. Kontakt zu Schwarzen Menschen hatten deutsche Migrant:innen nur, wenn diese sie in Restaurants bedienten. Integrationsverweiger:innen könnte man sie nennen. Doch das Konzept der Integration ist ohnehin ein trojanisches Pferd. Denn hinter dem Ruf nach Integration steckt die Aufforderung, sich zu assimilieren. Die Mehrheitsgesellschaft legt fest, wann Integration erfolgreich ist. Und das ist meist der Fall, wenn Migrant:innen nicht mehr als solche auffallen. Am besten merkt man gar nicht, dass sie da sind. Denn sie können dankbar sein, dass sie überhaupt hier sein dürfen.

    Beim Thema Migration und Integration wird mit zweierlei Maß gemessen.

    Assimilation bedeutet für Migrant:innen, ihre kulturelle Herkunft abzulegen, ja gar, sie zu verleugnen. Das ist es, was sich viele Menschen in Deutschland bis heute von Schwarzen und Migrant:innen of Color wünschen: Sich selbst zu vergessen, damit sie in einer vermeintlich homogenen, deutschen Mehrheitsgesellschaft verschwinden.

    Beim Thema Migration und Integration wird mit zweierlei Maß gemessen. Integration oder Assimilation wird nicht von allen Menschen in Deutschland gleichermaßen eingefordert. In der Regel dürfen weiße Migrant:innen aus Schweden oder Frankreich zum Beispiel an ihrer Kultur festhalten. Ihnen wird nicht gesagt, sie müssten sich integrieren, ihre Bräuche und Traditionen aufgeben oder gar ihre Religion. Migrant:innen aus Afghanistan, aus Syrien, aus Ghana oder Malawi sollen sich hingegen anpassen. Sie müssen die deutsche Sprache lernen, sich mit der Kultur ihres Gastlandes auseinandersetzen: So deutsch werden wie möglich, was auch immer das bedeuten mag. Ganz wichtig: Sie dürfen nicht allzu sehr auffallen. Am besten merkt man gar nicht, dass sie da sind. Denn sie können dankbar sein, dass sie überhaupt hier sein dürfen.

    Für Menschen vieler Länder des globalen Südens ist es ohnehin fast unmöglich, legal nach Deutschland zu migrieren. Sollten sie es doch schaffen, wird ihnen nach Ankunft schnell ein mangelnder Integrationswille attestiert. Vor allem vonseiten rechter und konservativer Stimmen heißt es oft: Sie würden sich abschotten, hiesige Gesetze nicht beachten und den Deutschen auf der Tasche liegen. Dabei sind Migrant:innen des globalen Südens in Deutschland mit einer Hürde an Bürokratie konfrontiert, die es ihnen beispielsweise oft unmöglich macht, direkt mit dem Arbeiten zu beginnen. Auch müssen sich viele zum ersten Mal in ihrem Leben mit Rassismus auseinandersetzen, was ihnen das Ankommen erschwert.

    Viele Deutsche wollen auch mal Rassismus erleben

    Umgekehrt wird den europäischen Migrant:innen das Ankommen im Ausland meist einfach gemacht. Trotzdem traf ich in Südafrika, Kenia oder Togo auf Deutsche, die mich davon überzeugen wollten, dass sie in afrikanischen Ländern Rassismus erleben. Eine Beobachtung, die ich nicht teilen kann. Europas koloniales Erbe prägt den afrikanischen Kontinent und viele andere Länder des globalen Südens bis heute. Menschen mit einem helleren Hautton werden in vielen afrikanischen Ländern Vorteile eingeräumt. Sie werden mit übermäßigem Respekt behandelt, in Behörden vorgelassen oder im Restaurant schneller bedient. Von dieser Erfahrung nehme ich mich nicht aus. Meine Haut ist um einiges heller als die vieler Togoles:innen mit zwei Schwarzen Elternteilen. Mein Privileg spüre ich dort, egal wohin ich gehe.

    Viele Deutsche, die ich traf, sahen diese Bevorzugung nicht. Im Gegenteil: Die deutschen Migrant:innen fühlten sich oft ausgenutzt von der lokalen Bevölkerung. Ihre weiße Haut würde ständig mit Prestige und Wohlstand gleichgesetzt werden, lamentierten sie. Ich sage: Es ist richtig, dass Togoles:innen davon ausgehen, dass Europäer:innen mehr Geld haben. Der Preis für mein Flugticket bewegt sich zwischen 350 und 700 Euro, mehr als eine durchschnittliche Person in Togo in einem gesamten Jahr verdient.

    Auch die Tatsache, dass es in vielen ehemaligen europäischen Kolonien Bezeichnungen für weiße Menschen gibt, beunruhigte viele deutsche Migrant:innen. Ob Obroni in Ghana, Yovo in Togo, Mzungu in Kenia, plötzlich waren sie kein Teil der Mehrheitsgesellschaft mehr, des unausgesprochenen Standards. Sie waren Fremde, die auch noch optisch hervorstachen, und das gefiel vielen nicht. Der Vergleich mit dem N-Wort, den ich in diesem Kontext oft höre, ist beleidigend. Die gewaltvolle Geschichte des Begriffs ist nicht vergleichbar mit Wörtern, die in erster Linie für Privilegien stehen.

    celia

    © Michael Pfister/ZEIT ONLINE

    Austausch auf Augenhöhe

    In ein neues Land zu ziehen, ist hart. Das sage ich als Mensch, der die privilegierteste Form der Migration genossen hat: eine Migration aus freien Stücken. Ich musste Deutschland nicht verlassen, ich wollte es. Trotzdem stieß ich im Ausland immer wieder an meine Grenzen, vermisste meine Stadt Berlin, meine Freund:innen, meine Familie. Wie verhält es sich erst für Menschen, die nicht freiwillig gehen, sondern weil ihnen keine andere Wahl blieb? Menschen, die sich auf die Flucht vor Krieg oder Hunger begeben müssen, weil das für sie die einzige Chance auf ein Überleben ist. Oder Menschen, die ihr Zuhause aus einer erdrückenden Perspektivlosigkeit hinter sich lassen. Für die eine Ausreise die einzige Möglichkeit auf Selbstverwirklichung ist.

    Auch darf nicht vergessen werden, wem Hürden in den Weg gelegt werden, auf dem Weg zum vermeintlichen Ziel der Integration. Das Gerede um Parallelgesellschaften ist eine Ablenkung. Es verschleiert den Fakt, dass es strukturelle Diskriminierung gibt, die Menschen nicht gestattet, sich willkommen zu fühlen und auch anzukommen in Deutschland.

    An seiner Kultur festhalten zu wollen, wenn ein Mensch migriert, insbesondere, wenn er flieht, ist ein zutiefst menschliches Gefühl.

    Es gibt auf dieser Welt bis heute eine hierarchische Ordnung, die sich auch beim Thema Migration spiegelt. Eine Ordnung, die europäische Länder an der Spitze verortet und afrikanische ganz unten. Gefestigt durch den europäischen Kolonialismus bestimmt sie bis heute, wer sich wo und wie in die deutsche Gesellschaft integrieren muss. Diese hierarchische Ordnung bestimmt auch, wie viele Deutsche glauben, sich im Ausland benehmen zu dürfen.

    An seiner Kultur festhalten zu wollen, wenn ein Mensch migriert, insbesondere, wenn er flieht, ist ein zutiefst menschliches Gefühl. Genau wie das Bedürfnis nach etwas Vertrautem, wenn wir uns in eine fremde Situation begeben. Problematisch wird es jedoch, wenn wir bei der Migration mit zweierlei Maß messen, wenn am Ende der Rassismus und ein eurozentrisches Weltbild entscheiden, wer in Deutschland an seiner Kultur festhalten darf und wer nicht.

    Celia-Parbey

    Celia

    Celia Parbey ist Berlinerin und Afrikawissenschaftlerin. Sie arbeitet als Redakteurin bei ZEIT ONLINE und frei für verschiedene Online- und Printmagazine. Außerdem ist sie Chefredakteurin vom RosaMag, einem Online- Lifestylemagazin für Schwarze FLINTA* im deutschsprachigen Raum. Sie schreibt zu den Themen: Koloniale Kontinuitäten, Intersektionalität, Feminismus und Rassismus.

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