„Sobald jemand etwas heller ist, sind unsere Features plötzlich kein Problem mehr“ – Doriane Ngangu über das Leben als Schwarzes Model
Fotocredit: Privat
Im Gespräch mit Model Doriane Ngangu
Naomi Campbell, Tyra Banks, Karl Kani und Olivier Roustieng: Schwarze Menschen mischen seit Jahrzehnten in der Modebranche mit und prägen sie durch Ideen und Talent. Warum ist es dann trotzdem bis heute ein Problem als Schwarzes Model die richtige Foundation zu bekommen? Warum gibt es so wenig Schwarze Menschen auf den Titelseiten von Magazinen? Und Warum ist unsere Fashion Week immer noch so weiß?
Über diese Themen hat unsere Autorin Latifah mit Doriane gesprochen. Sie ist ein Model aus Bielefeld und kennt sich gut hinter den Kulissen der deutschen Modebranche aus. In unserer neuen Reihe: “Black in Fashion” porträtieren wir Schwarze Menschen aus der Mode- und Fashionbranche und ihre Erfahrungen.
Stell dich gern einmal vor:
Also mein Name ist Doriane Ngangu. Ich bin 27 und wohne momentan in Bielefeld. Ich bin sehr ruhig, aber bei meinen engsten Leuten drehe ich gerne durch. Meine Freunde würden mich als hilfsbereit, stylisch und meist nicht erreichbar beschreiben. Ich esse sehr gerne Pasta, gehe shoppen und versuche, das Leben in vollen Zügen zu genießen.
Wann und warum hast du mit dem Modeln angefangen?
Modeln wollte ich schon immer, aber meine Mama und ich haben nie gewusst wie und wo ich so etwas anfangen könnte. Das hat sich irgendwie von alleine geklärt.
2015 wurde ich von einer angehenden Designerin auf Facebook angefragt, ob ich für ihre Abschlussarbeit in ihrer Kollektion mitlaufen möchte. Es gab zunächst Probleme, da ich „nur“ 1,69 m bin und das normalerweise in der Branche nicht üblich ist. Langsam ändert sich das glücklicherweise. Seitdem bin ich in der Fashion- und Influencer*innen-Welt unterwegs. Es hat mir superviel Spaß gemacht. Mal hinter die Kulissen zu schauen, war eine coole Erfahrung. Ich wollte einfach mal schauen, wie weit ich es schaffen kann.
Eigentlich bin ich gelernte Polster- und Dekorationsnäherin und arbeite in Teilzeit im Einzelhandel, damit ich genug Zeit habe für meine wahre Leidenschaft: Modeln und Social Media. Ich finde, viele vergessen neben dem Alltag ihren Leidenschaften und Träumen nachzugehen. Das ist schade. Das wollte ich nicht.
Was war dein bisher größtes Projekt?
Das krasseste war im letzten Jahr die Berlin Fashion Week und ein Shooting für Deichmann. Außerdem ein Shooting für Smilodox, das ist ein Label für Fitnessklamotten, die unter anderem mit @tinabambiiina zusammenarbeiten und auch auf der Fibo gut vertreten sind.
Ich hätte nie im Leben gedacht, dass ich es schaffe, bei einer Show der Fashion Week zu laufen. Normalerweise bin ich sehr selbstbewusst, aber das hat mich schon eingeschüchtert. Du musst deine Schüchternheit verstecken und dich von deiner besten Seite zeigen, dazu kommt auch viel Konkurrenz, an der du gemessen wirst.
Beim Deichmann- Shoot hatte ich eine sehr angenehme Erfahrung. Ich kannte den Fotografen von einem anderen Shooting und es war dementsprechend locker. Ich hatte ursprünglich bei der Bloom Agency angefragt, ob sie Influencer*innen unter 10k managen, da ich vorher immer abgelehnt wurde, war ich sehr froh als sie zugesagt und mir direkt ein Shooting angeboten haben. Auch die Models und das Team beim Shoot waren super drauf, auf jeden Fall eine unvergessliche Erfahrung.
Wie oft machst du negative Erfahrungen aufgrund deiner Hautfarbe?
Ich werde bei jedem Job daran erinnert, dass ich Schwarz bin. Zwar nicht absichtlich aber es passiert jedes Mal. Das geht los mit Sachen wie Hair und Make-up: Ich muss immer mein eigenes Make-up mitbringen. Inzwischen bringe ich es immer schon von alleine mit, denn ich weiß keiner hat meine Farbe dabei. Ich erkenne mich oft gar nicht wieder, weil unsere Gesichtszüge einfach anders sind als bei weißen Models. Bei den weißen Models geht das zack zack, und das Make-up sitzt, ich dagegen komme mir manchmal vor wie ein Experiment. Heutzutage sollte es eigentlich Gang und Gäbe sein mit verschieden Typen zu arbeiten und ich hoffe, dass sich Make-up-Artist*innen in Zukunft mehr damit auseinandersetzen.
Dann natürlich auch Haare, das ist Thema Nummer eins. Wenn ich Jobs habe und ich weiß, dass das Styling vor Ort gemacht wird, nehme ich immer eine lange und kurze Wig mit und binde meine Haare zu einem Zopf. Ich versuche es damit so unkompliziert wie möglich zu machen, besonders wenn ich mehrere Looks shoote.
Wenn ich mit meinem Afro kommen würde, wüsste keine*r etwas damit anzufangen. Ich hatte erst ein einziges Shooting, wo Ich von einer Schwarzen Person gestylt wurde.
Fällt dir ein Beispiel ein?
Eine spezifische Sache ist auf der Fashion Week passiert: Die Fashion Week war eigentlich eine richtig coole Erfahrung, um 10 Uhr morgens war Model-Call und alle sollten pünktlich dort sein, was ich auch war.
Von etwa 50 bis 60 Models waren wir genau zwei Schwarze Frauen. Sie war Light-Skin, hatte einen megaschönen Afro und war booked and busy, also sie hatte sehr viele Aufträge. Dann kam noch ein weiteres Dark-Skin-Model aus Paris dazu, ich habe mich megagefreut und dachte: „Cool vielleicht kommen noch weitere“. Leider blieb es bei uns dreien und anfangs stand ich sowieso eher alleine, da ich niemanden kannte und wir alle miteinander warm werden mussten. Danach wurden wir den verschiedenen Designer*innen zugeteilt, aber einer fehlte: Ein Designer aus Italien, der allen außer mir anscheinend geläufig war. Er kam zwei Stunden mit einer totalen Attitude zu spät . Er hatte sehr farbenfrohe und feminine Mode und er hat sich alle Models angeschaut, denn die Designer*innen wissen natürlich, wer am besten zur Mode passt. Mir war sofort klar, von drei Schwarzen Frauen werden niemals alle drei genommen. Er hat also seine Models ausgewählt. Ich hatte es nicht geschafft, aber beide anderen Schwarzen Mädels wurden genommen.
Ich und das Mädchen aus Paris hatten beide lange schwarze Lace-Front-Perücken an und durch seine Verspätung hatten wir dann zwei Stunden nichts zu tun, während der Designer mit der Anprobe und dem Fitting der Models beschäftigt war. Während wir warteten, hat das Model aus Paris ihre Perücke ausgezogen und ich habe sie gefragt, warum und sie meinte: „Mein Afro kommt in der Regel besser an, den Trage ich bei den meisten Jobs“, ich war total überrascht und habe ihr dann noch geholfen die Cornrows, die sie wegen der Perücke hatte, zu öffnen. Sie hatte letztendlich also ihren Afro statt der langen Perücke. Als sie mit dem Fitting dran war, wurde sie auf einmal nicht aufgerufen.
Als alle anderen durch waren, kam der Designer zu ihr und hat gesagt, dass sie sie nicht mehr buchen können, weil keine Schuhe mehr da seien. Da waren noch über fünf passende Paare.
Während dem Lunch Break hat es sie nicht losgelassen, sie war sich sicher, dass es am Afro lag und sie hat sich letztendlich dafür entschieden, ihn einfach zu konfrontieren und nachzufragen. Nach der Pause ist sie zum Designer und hatte nachgefragt. Sie hatte recht. Seine Begründung war, der Afro passt nicht zur Kollektion. Bei dem Model, die Light- Skin war, war der Afro kein Problem. Bei ihr als Dark-Skin-Frau schon. Es war wohl einfach zu ‚viel‘ Afro für die Fashion Week.
Das hat mich sehr beschäftigt, es ist bei uns immer too much, oder unprofessionell. Aber sobald jemand etwas heller ist, sind unsere Features kein Problem mehr? Es war wie ein Schlag ins Gesicht, es ist zwar nicht mir passiert, aber es hätte mir passieren können.
Wie ist das in der Influencer*innen-Welt?
Ich bezeichne mich eigentlich nicht als Influencerin, das machen eher andere Leute, auch durch meine Reichweite. Ich nehme nur Jobs an, mit denen ich mich identifiziere und die zu mir passen. Ich gebe mir immer sehr viel Mühe mit meinen Bildern und achte darauf, dass sie schon High Quality sind, erfülle alle Vorgaben und Hashtags, die mir geschickt werden. Trotzdem kriege ich keine Likes, keine Nachrichten mehr geschweige denn einen Repost.
Ich habe das eine Weile beobachtet, und ich glaube, es liegt an zwei Dingen:
Erstens, ich bin Schwarz, die Marken teilen immer denselben Typ Frau: Blond und blauäugig. Zweitens, ich habe keine so große Reichweite, versteh mich nicht falsch, ich habe eine gute Reichweite, aber es reicht nicht aus.
Ich freue mich natürlich, wenn Brands auf mich zu kommen, aber ich merke, ob meine Arbeit geschätzt wird. Inzwischen passe ich auf, nur mit Brands zu arbeiten, die mich und meine Community repräsentieren.
Heutzutage werden sehr viele Brands allgemein eher von Reichweite als Talent angezogen. Nur weil ein Mensch Reichweite hat, hat er*sie kein Model Talent. Ist halt so.
Ich war bei einem Shooting für Hijabs und es war auch eine Influencerin dabei, mit 30 Tausend Follower*innen, vielen Tutorials, die sehr erfolgreich sind und sie war total überfordert. Ich sollte ihr dann ein bisschen etwas vormachen und alles erklären. Sie hat nur wegen ihrer Follower*innen- Zahl viel mehr Gage bekommen als ich.
Was muss, deiner Meinung nach, noch im Bereich Diversity in der Fashionindustrie getan werden?
Generell sollte es mehr Schwarze Models geben, die gecastet und gebucht werden. Die Labels haben ein*e Schwarze*n, um die Quote zu erfüllen. Es wäre schön zu sehen, dass es mehr von uns gibt. Bei meinem letzten Shooting war eine weitere Schwarze Person dabei und mein Herz ist aufgegangen. In vielen Kampagnen sehen wir nur weiße Models und das spricht mich dann überhaupt nicht an, aber wenn auch Schwarze Models gezeigt werden, kann ich mir ja viel besser vorstellen, ob mir etwas auch steht. Ich möchte nicht nur der*die Quotenschwarze sein und auch andere People of Color sehe ich kaum bei Jobs.
Es ist eine harte Branche. Wenn man sich nicht selbst liebt und an sich glaub, geht man unter, besonders als Schwarze Frau.
Wie können wir BIPOC Models supporten?
Ich würde sagen, ihr (RosaMag) macht einen super Job, indem ihr uns eine Stimme gebt und uns teilt und zeigt. Allgemein gilt im Social Media Bereich: Teilen und folgen hilft sehr. Am wichtigsten ist, dass wir uns in der BIPOC Community supporten und uns nicht beneiden.
Es sollte so sein: Wenn eine*r von uns gewinnt, gewinnen wir alle. Doch so weit sind wir noch nicht. Wir geben es nicht offen zu, aber viele gönnen sich untereinander nichts.
Gerade wenn wir uns als BIPOC Frauen pushen würden, könnten wir so krass sein. Es gibt in Deutschland nur eine große Schwarze Influencerin und das ist Sandra Lambeck. Aber wie viele weiße große Influencer*innen gibt es? Die pushen sich extrem gegenseitig und halten zusammen und das müssen wir auch versuchen.
Bevor wir bei weißen Menschen nach support fragen, müssen wir uns erst mal gegenseitig den Rücken stärken. Ich weiß, alle sagen immer teilt dies und teilt das, aber am Ende tut es keine*r, obwohl das tatsächlich helfen würde. Ein guter Zusammenhalt in der BIPOC Community ist ein Grundstein, der in Deutschland noch gelegt werden muss.
Wo siehst du deine eigene Karriere in fünf Jahren?
Ich weiß eigentlich nie, wie es kommt. Ich habe schon aufgegeben zu planen, weil so was bei mir nie funktioniert.
In fünf Jahren möchte ich international unterwegs sein und das alles hauptberuflich machen, egal ob modeln oder Influencerin sein. Heutzutage ist es oft ein und dasselbe, viele machen beides. Ich möchte im Fashionbereich meine Stimme nutzen und vor allem Frauen stärken und zum Zusammenhalt motivieren. Ich möchte etwas kreieren, das die Community stärkt, zum Beispiel eine Modelagentur für BIPOC gründen. Um unsere Schönheit zu zeigen und auch zu normalisieren. Es ist bei Shootings „normal“ zehn weiße Models zu haben, aber nicht zehn Schwarze.
Wir werden immer noch als anders wahrgenommen, und das muss sich ändern, wenn ich zu einem Shooting gehe dann weiß ich: Mit meinem Auftreten, Verhalten am Set und meiner Arbeitsweise repräsentiere ich alle Schwarzen Frauen dieser Welt, Es gibt so viele hässliche Klischees, die verbreitet werden und die möchte ich entkräften. Egal ob als Model oder Influencerin: Ich zeige mich immer von meiner besten Seite.
Auch dieses Interview gibt mir eine Chance, denn ich weiß, es gibt so viele Schwarze Frauen, die das betrifft. Und wenn sich durch meine Stimme nur eine Kleinigkeit ändert, dann hat sich das gelohnt.
Latifah
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