Tupoka Ogette: Die liebevolle, hartnäckige Kämpferin
Über Rassismus zu sprechen, ist nicht leicht. Tupoka Ogette tut das seit acht Jahren. Auf der Basis ihres Buchs „Exit Racism. Rassismuskritisch denken lernen,“ reist sie gemeinsam mit ihrem Ehemann Stephen Lawson, Künstler und Bildhauer, durch Deutschland und rief den gleichnamigen Workshop ins Leben. Seit Oktober hat sie darüber hinaus einen eigenen Podcast “Unter Schwestern” und sie wurde von euch bereits, als eine der einflussreichsten Schwarzen Frauen im deutschsprachigen Raum gewählt.
Bild: Tupoka Ogette
Was machst du?
Kommt drauf an. In meiner Arbeit begleite ich Einzelpersonen, Gruppen und auch ganze Institutionen auf einem rassismuskritischen Weg. Dies mache ich in der gesamten DACH Region, also Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Was inspiriert dich?
Mich inspiriert die unglaubliche Vielfalt an Widerstand, die BIPOC im Laufe der Jahrhunderte entwickelt haben. Vor allem Widerstände der Kunst, Literatur und Musik. So viel widerständige revolutionäre Liebe.
Wer warst du in deinem vorherigen Leben?
Keine Ahnung, aber ich wäre gern Okoye von Wakanda.
Erzähl uns ein wenig mehr über deine Arbeit als Antirassismus-Expertin?
Ich arbeite seit 2012 in diesem Bereich. Angefangen habe ich mit Elternworkshops, inzwischen sind es viele unterschiedliche Zielgruppen. Wir bieten Workshops an, halten Reden oder beraten vor allem Institutionen über einen längeren Zeitraum. Ziel ist es, Menschen für eine rassismuskritische Reise zu begeistern. Ein Bewusstsein dafür zu schaffen, wie sehr Rassismus uns als Individuen und als Gesellschaft geprägt hat und täglich prägt. Und Menschen darin zu unterstützen, die eigene rassistische Sozialisierung zuerkennen und schließlich auch zu entlernen.
Wo bist du überall tätig? Wo stößt du manchmal auf Herausforderungen?
Überall da, wo uns Menschen einladen und bezahlen können. Mit Ausnahme von rechtspopulistischen Organisationen. Im letzten Jahr haben wir mehrere Staatstheater begleitet, Kunsthallen, Fernsehsender wie KIKA, Zeitungsredaktionen aber auch Bundesvorstände von Parteien, wie Die Grünen. Neben diesen großen Institutionen sind wir aber auch in kleinen Vereinen, Frauen-, und Mädchenhäusern, Kita’s Schulen und wir arbeiten Nachwie vor mit Eltern von Schwarzen Kindern. Antirassismusarbeit ist immer eine Herausforderung. Wir betreten sehr sensibles bis hin zu explosives gesellschaftliches Terrain. Das ist nie leicht. Aber ich mache es gern.
Was hat dich dazu motiviert diesen Berufsweg einzuschlagen? Hattest du Vorbilder?
Meine Wut hat mich motiviert. Ich hatte Wut darauf, dass meine Kinder ähnliche Erfahrungen gemacht haben wie ich als Kind. Ich dachte, dass kann doch nicht wahr sein. Statt diese Wut autoaggressiv in mich hinein zu fressen, wollte ich was tun. So habe ich die Wut transformiert und als Energie in meine Arbeit gesteckt. Meine Vorbilder sind die Schwestern, die vor mir gekämpft haben. May Ayim, Audre Lorde aber auch Frauen wie Toni Morrisson, Maya Angelou. Und ganz vorneweg meine Mutter. Sie ist eine Widerstandskämpferin, eine Feministin und sie inspiriert mich sehr.
Warum hast du dich entschieden Workshops für Eltern Schwarzer Kinder anzubieten?
Weil meine Mutter und die Eltern meiner Schwestern diese Räume nicht hatten und so sehr gebraucht hätten. Weil ich selbst diese Räume gebraucht hätte. Und weil ich so meine eigenen schmerzhaften Kindheitserfahrungen „nutzen“ kann, um andere zu sensibilisieren.
Erzähl uns ein wenig über den Prozess das Buch exit RACISM zu schreiben?
Ich wollte ein Buch schaffen, was Gespräche über Rassismus zwischen Menschen erleichtert. Eine Hilfe, damit Menschen eine gewisse Basis haben, bevor sie in diese Gespräche gehen. Und ich wollte mehr Menschen erreichen können als ich es durch Workshops kann. Und vor allem habe ich gehofft, dass es BIPOC hilft eine Gesprächsbasis mit den weißen Menschen in ihrem Umfeld zu schaffen und das sie dadurch auch weniger Verletzungen zu erleben.
Was macht dir an deiner Arbeit am meisten Spaß?
Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, wenn Du merkst, dass es bei Menschen klick gemacht hat und sie verstehen, wie stark Rassismus Teil unserer Sozialisierung ist, und sie dann ein Gefühl der Verantwortung spüren und tatsächlich etwas in ihrem Umfeld und bei sich selbst bewirken wollen..
Hast du einen besonderen persönlichen Erfolgsmoment?
Der ist immer, wenn ich merke, dass wir uns wieder in unserer Menschlichkeit begegnen und diese großen Konstrukte wie Rassismus, Sexismus usw. für einen Moment kleiner werden. Solche Momente gibt es viele.
Seit ein paar Jahren arbeitest du auch gemeinsam mit deinem Ehemann, dem Bildhauer Stephen Lawson. Wie habt ihr euch kennengelernt? Was macht euch zu einem guten Team?
Ich bin ja überzeugt, dass wir uns schon aus einem vergangenen Leben kennen. Aber in diesem haben wir uns auf dem Bundestreffen der ISD kennengelernt. Wir sind ein gutes Team weil wir uns inhaltlich sehr gut ergänzen. Ich komme aus den Wirtschaftswissenschaften, er aus dem Kunst- und Kulturbereich. Uns verbindet, dass wir beide als Schwarze Menschen in Deutschland sozialisiert worden sind, wir kennen den Struggle des jeweils anderen. Gleichzeitig wachsen und lernen wir die ganze Zeit voneinander. Und vor allem passen wir auch gut aufeinander auf, denn dieser Job fordert einen hohen Tribut und ist sehr kräftezehrend. Selbstfürsorge, Selbstliebe und Self Care sind wichtig.
Was würdest du Schwarzen Frauen in einer Beziehung raten, deren Partner/in sich noch nicht auf die rassismuskritische Reise begeben hat? Was, wenn er/sie defensiv reagiert?
Ich glaube, dass ist eine Mammutaufgabe, vor der ich großen Respekt habe. Ich denke es ist gut, diese Auseinandersetzung zumindest zu Anfang ausserhalb der Beziehung zu verlagern. Also zum Beispiel Exit Racism empfehlen :-). Für eine erste rassismuskritische Basis. Oder auch das Buch von Alice Hasters „Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen: aber wissen sollten.“ Darin gibt es ein Kapitel zu dem Thema. Oder beide in Kombination. Ich kenne Schwarze Menschen, die Ihre weißen Partner*innen (und auch Eltern, Großeltern und andere Bezugspersonen) in Workshops zu uns geschickt haben. Natasha Kelly bietet immer wieder Workshops für weiße Partner*innen an, ebenso Josephine Apraku und Jule Bönkost vom Institut für diskriminierungsfreie Bildung. Und wenn die weiße Person nicht in die Selbstreflexion gehen will, kann man leider nichts machen. Es ist und bleibt eine freiwillige Auseinandersetzung für weiße Menschen.
Du hast ja auch einen Podcast! Erzähl uns ein wenig mehr darüber?
Ja, er heisst „tupodcast – Gespräche unter Schwestern*“ und ist unser Herzensprojekt. Dort spreche ich einmal im Monat mit einer anderen Schwarzen Frau* über Politisierung, Widerstand, Kunst, Kultur, Gesellschaft, das Leben, die Liebe und alles was es noch so zu besprechen gibt.
Was ist deine/eure Motivation dahinter?
Meine Politisierung – also der Prozess in dem ich mich angefangen habe mit Rassismus auseinanderzusetzen – hat mit Schwestern – anderen Schwarzen Frauen begonnen. Bis heute ist es so, dass Gespräche mit anderen Schwarzen Frauen ein großer Teil meines Empowerments sind. Wir treffen uns monatlich und tauschen uns aus, lachen und weinen gemeinsam. Ich habe so viel von anderen Schwarzen Frauen gelernt. Ich wollte mit dem Podcast eine Platform für genau diese Gespräche schaffen.
Erzähl uns etwas über dich, das noch niemand weiß?
Ich war mal riesiger Kelly Family Fan. 🙂
Wir sind ja schon gut ins Jahr 2020 gestartet. Was steht bei dir an?
Es wird ein sehr volles Jahr. Wir sind jetzt schon fast ausgebucht. Wir haben eine Assistentin eingestellt, weil wir mit der Flut an Anfragen und Mails nicht mehr allein klar kommen. Das ist toll. Beruflich freue ich mich zum Beispiel darauf, dass wir in diesem Jahr mit den Redakteur*innen aller Kinderprogramme von ARD/ZDF und KIKA arbeiten werden. Das kann ich kaum abwarten. Privat freue ich mich darauf, möglichst viel Zeit mit meiner Familie zu verbringen.
Wo und wie können wir uns mit dir austauschen?
Ich freue mich immer Menschen auf Veranstaltungen von uns zu treffen. Darüber hinaus gern auf Insta, Facebook und Twitter.
Ciani
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